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Altbauten mit kulturellem Wert


Stadtteil: Prenzlauer Berg, Wedding
Bereich: Arnimplatz
Stadtplanaufruf: Berlin, Behmstraße
Datum: 7. Oktober 2013
Bericht Nr: 436

In dem Gründerzeitviertel um den Arnimplatz - das auf unserer heutigen Flanierroute liegt - begann die DDR 1972 mit der flächendeckenden Reparatur und Modernisierung des Altbaubestandes. Während in West-Berlin (zwar schon unter Protesten) immer noch Kahlschlagsanierung betrieben wurde, verbesserte Ost-Berlin die Wohnqualität in diesem alten Kiez, baute neue Fenster und Türen ein und besserte "Fassaden mit kulturellem Wert" aus. Das Blockinnere wurde - wie später auch im Westen - teilweise "entkernt", aber Hinterhöfe wurden nicht generell beseitigt. Die DDR-Stadtbaupolitik erfreute sich hier internationaler Anerkennung in Ost und West. Auch Hardt-Waltherr Hämer - der später bei der IBA 1984/87 die behutsame Modernisierung der Altbauten in West-Berlin leitete (1) - kam in den 1970er Jahren zum Arnimplatz und war beeindruckt. Wohnqualität ließ sich auch in Altbauten herstellen, die Atmosphäre der historischen Stadt wurde honoriert, die Stuckfassade war an diesem Ort zum Aushängeschild der sozialistischen Stadtentwicklung geworden. Wie konnte es soweit kommen im DDR-Städtebau, der gern spontan und einseitig mit Plattenbauten assoziiert wird?

Die Wohnungsnot nach dem Krieg machte beiden Teilen Berlins - Ost wie West - zu schaffen. Zusätzlich bestand die Tendenz, die bestehenden Stadtgrundrisse - insbesondere bei den "Mietskasernen" - für die politischen Entwicklungen der Vergangenheit verantwortlich zu machen. Eine neue Gesellschaft braucht neue Bauten, ausradieren und neu bauen, das war die Idee, die schon wegen der immensen Kosten, Materialknappheit und logistischer Probleme gottlob nicht verwirklicht werden konnte. In Ost- und West-Berlin verliefen die Entwicklungen erstaunlich synchron, Trabantenstädte wie Märkisches Viertel, Gropiusstadt, Hellersdorf, Marzahn entstanden außerhalb der Zentren.

Die Idee, den Altbaubestand abzureißen, hatte Ost-Berlin aber nicht aufgegeben. Um die aktuelle Wohnungsnot nicht zu vergrößern, kam man auf die Idee, die Lebensdauer der Altbauwohnungen zu verlängern, um sie erst 30 Jahre später - um die Jahrtausendwende - abzureißen, wenn der Wohnungsmangel beseitigt wäre. Dann sollten sie durch in Großserien gefertigte Plattenbauten ersetzt werden. Dabei stützte man sich auf die durch und durch kapitalistische Idee, dass Gebäude eine begrenzte Lebensdauer haben, sie müssen abgerissen werden, wenn sie "verbraucht" sind. Diese Denkweise hatte den Berliner Stadtbaurat Martin Wagner bereits in der Weimarer Zeit beim radikalen Umbau des Alexanderplatzes geleitet (2). Wie bei einer Maschine, deren Substanz erschöpft ist oder die technisch veraltet ist, wollte man Gebäude ausmustern. Verschiedene Theoretiker setzten bereits seit Anfang des 20.Jahrhunderts die Lebensdauer von Häusern mit 25 bis zu 100 Jahren an.

Diese Idee, die den Anstoß zur Ost-Berliner Altbausanierung gab, wurde später aus verschiedenen Gründen nicht mehr verfolgt. Die international anerkannten modernisierten Altbauten abzureißen, verbot sich von selbst. Die zunehmende Mangelwirtschaft machte Neubauten zunehmend schwieriger und die Wende änderte sowieso alles. Nun werden also die modernisierten Altbauten am Arnimplatz und aus den weiteren DDR-Projekten beispielsweise am Arkonaplatz ohne Verfallsdatum weiterhin bewohnt.

Wenn ein ehemaliger DDR-Grenzübergang an der "Bösebrücke" lag, dann schien diese Bezeichnung sehr passend. Tatsächlich ist die frühere Hindenburgbrücke nicht "böse", sondern sie wurde 1948 nach dem Widerstandkämpfer Wilhelm Böse benannt. Von den 138 Metern Brückenlänge lagen 30 Meter in West-Berlin, wie die Verständigung beider Stadthälften über die Umbenennung vor sich ging, wäre eine spannende Frage. Umgangssprachlich wird sie sowieso Bornholmer Brücke genannt und dann ist sofort gegenwärtig, dass hier der historische Ort der DDR-Grenzöffnung 1989 war. "Sofort, unverzüglich" sagte der nicht informierte DDR-Politiker Schabowski im Fernsehen auf Nachfragen, ab wann der Übergang offen sei und löste damit einen für die Grenzer nicht mehr zu bewältigenden Andrang von DDR-Bürgern aus. "Tor auf! Wir kommen wieder!" forderten die Bürger. Und schließlich gab der leitende Grenzbeamte nach: "Wir fluten jetzt - wir machen alles auf". Der Platz des 9.November an der Bornholmer Straße gegenüber dem ehemaligen Grenzkontrollpunkt zeigt Bilder und Beschreibungen zu diesem bewegenden Ereignis. Das Grundstück, auf dem der eigentliche Grenzkontrollpunkt lag, hat der Eigentümer an Lidl verkauft. Damit hat er viel Geld gemacht und einen unansehnlichen Platz fürs wilde Parken neben der üblichen Lidl-Faltschachtel (3) verursacht.

An der Behmstraße am Bahnhof Gesundbrunnen stoßen wir auf die "proletarische Vergangenheit" von Hertha BSC. Ein zerfetzter Fußball balanciert auf einer Säule, mit dieser Skulptur hat Michael Schoenholtz den ehemaligen Fußballplatz der Herthaner an der "Plumpe" in Wedding markiert. Seit 1904 hatte der Berliner Fußballklub auf dem Platz nördlich der Behmstraße gespielt, ab 1924 in einem eigenen Stadion südlich der Behmstraße, das 1974 abgerissen wurde. Erhalten blieb jedoch das Vereinsheim an der Ecke Jülicher Straße. Danach wurde das Olympiastadion Herthas Spielstätte. Die Bezeichnung "Plumpe" rührte von der Zeit her, als an der Behmstraße eine mit der Luisenquelle im Gesundbrunnen (4) verbundene Pumpe stand. Aus Pumpe wurde berlinerisch Plumpe. Bei der Bebauung der nördlichen Behmstraße hat man dann einen "Berliner Platz" im Innenhof angelegt, auf dem eine Pumpe steht. Ein Treppenwitz ist das Schild "Fußballspielen verboten", das in dem Innenhof - also auf diesem ehemaligen Fußballplatz - das Spielen der Kinder verbietet.

In der Nähe der Schönhauser Allee sitzen wir bei einem Spanier und lassen mit Tapas (beispielsweise "Teuflische Kartoffel") und Schafskäsepfanne den Rundgang ausklingen.

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(1) Internationale Bauausstellung 1984/87: IBA 1984/1987
(2) Begrenzte Lebensdauer von Gebäuden: Verfallsdatum für einen Platz
(3) Lidl-Bauten: Faltschachteln des Billigkonsums
(4) Mehr über die Heilquelle im Gesundbrunnen: Einfach nur nass


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... ACHTUNG, es folgen ZWEI Bildergalerien ...
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Arnimplatz


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... und hier sind weitere Bilder ...
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Unsere Route
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Wer war Rudolf Mücke?
Kreisrund im Untergrund