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Faltschachteln des Billigkonsums


Stadtteil: Lichtenberg
Bereich: Friedrichsfelde
Stadtplanaufruf: Berlin, Alt Friedrichsfelde
Datum: 15. August 2007

In der Architektur und Stadtentwicklung hat man diesen Fehler nach dem 2.Weltkrieg in beiden Teilen Berlins gemacht: Die gewachsene alte Struktur in Schutt gelegt und abgeräumt, um das zu realisieren, was man Modernes Bauen nannte. Und wenn das Alte nicht komplett beseitigt wurde, dann hat man es so entstellt, dass nur ein Gerippe übrig blieb. Alt Friedrichsfelde ist so ein Beispiel, ein alter Dorfkern, durchschnitten von einer Doppel-Bundesstraße, umstellt von Großwohnsiedlungen und zersiedelt durch Plattenbau-Hochhäuser.

So laufen wir heute durch die Reste des größten Dorfes im Berliner Stadtgebiet, das seit 1285 Rosenfelde hieß und 1699 nach dem Kauf durch den Kurfürsten Friedrich III. in Friedrichsfelde umbenannt wurde (--> 1). Das Gut, das zwischendurch der Familie Ryke gehörte (eine Straße am Prenzeberg erinnert an sie) wurde später königliches Vorwerk (also eine vorgelagerte Befestigungsanlage), dann zu einer Colonie entwickelt, in der um 1800 bereits 7000 Menschen lebten. Südlich von Friedrichsfelde war 1894 in Karlshorst die Rennbahn eröffnet worden, wodurch die Gegend weiteren Zulauf erhielt.

Seit 1717 hatte Friedrichsfelde ein Schloss mit einem Park, der später von Lenné umgestaltet wurde. Zu DDR-Zeiten richtete man dort einen Tierpark ein, da der Zoo zu Westberlin gehörte und man in jedem Teil von Berlin seine eigenen Attraktionen brauchte. In dieser Zeit wurde Berlin wieder zur "Doppelstadt" wie einst Cölln und Berlin, nur mit einem anderen Inhalt, es gab alles doppelt: Funkturm/Fernsehturm, Zoo/Tierpark, Stalinallee/Hansaviertel, Kongresshalle/CongressCentrum usw.

Vom Frankfurter Tor bis zum Schloss Friedrichsfelde führte seit Beginn des 18.Jahrhunderts eine mit Linden bepflanzte Allee, die vom Berliner "Frankfurter Linden" genannt wurde. Diese Verbindungsstraße nach Frankfurt/Oder wurde im Laufe der Zeit immer weiter ausgebaut, 1979 kam im Bereich Alt Friedrichsfelde ein Tunnel hinzu, der das ehemalige Dorf durchschnitt. Die alten Häuser ducken sich vor den Neubauten, eine Plastik "Hermes" von Marguerite Blume-Cárdenas steht seit 1982 unbeachtet an der Verkehrsader. Am U-Bahnhof Friedrichsfelde drücken die Hochhäuser nicht ganz so stark ins Bild, ein Rentnerpaar findet es in angemessener Entfernung zum Schuttcontainer so idyllisch, dass es sich hier niedergelassen hat.

Die Dorfkirche am Anger ist nicht mehr die alte Kirche, sondern wurde in den fünfziger Jahren aus deren Resten neu errichtet. Die Säule zur Erinnerung an den Krieg gegen die Franzosen 1870/71 auf der Dorfaue ist dagegen noch erhalten, ihr nicht mehr zeitgemäßer Mahntext lautet:

Den Gefallenen zum Gedächtnis
Den Lebenden zur Anerkennung
Den künftigen Geschlechtern zur Nacheiferung.

Glücklicherweise eifert man heute eher dem Gedanken der Verständigung als dem des Angriffs nach (jedenfalls in unseren Breiten).

Auf unserem Weg von Friedenau nach Friedrichsfelde begegnen uns allenthaben Supermärkte der Lidl-Kette, insgesamt haben wir 5 auf unserem Weg gesehen und in Friedrichsfelde ein Hinweisschild auf einen weiteren. Die Wiedererkennbarkeit der Marke (corporate identity) ist bei diesen Bauten durch ein uniformes Aussehen gesichert, das durch die Abwesenheit jedes Versuchs architektonischer Gestaltung oder Anpassung an die Umgebung auffällt. Selbst in brandenburgischen historischen Altstädten wie Jüterbog oder Dahme findet man diese verglasten Faltschachteln des Billigkonsums.

Wir wollen auf dem Rückweg am Prenzeberg einkehren, doch wir werden das Auto nicht los, selbst die illegalen Parkplätze sind alle zugeparkt. So fahren wir bis zu meiner Tiefgarage in Mitte und laufen zur Reinhardtstraße, wo wir gutes thailändisches Essen serviert bekommen.

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(1) Hier wieder ein bisschen preußische Geschichte: Kurfürst Friedrich III. wurde von den Berlinern "Der schiefe Fritz" genannt, weil eine Schulter verkrüppelt war. 1701 krönte er sich in Königsberg zum König Friedrich I. in Preußen. Sein Sohn war der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., sein Enkel König Friedrich II. ("Friedrich der Große", "Der Alte Fritz"). Dieser urteilte über seinen Großvater: "Friedrich war zwar ohne Festigkeit, eitel und glanzsüchtig, doch nicht ohne Wohlwollen und Gutmütigkeit, im ganzen aber groß in kleinen Dingen und klein in großen. Sein Unglück war, dass er in der Geschichte zwischen einen Vater und einen Sohn gestellt war, die ihn beide an geistigen Kräften überragten. 30.000 Untertanen opferte er in den verschiedenen Kriegen des Kaisers und der Verbündeten, um sich die Königskrone zu verschaffen. Und er begehrte sie nur deshalb so heiß, weil er seinen Hang für das Zeremoniewesen befriedigen und seinen verschwenderischen Prunk durch Scheingründe rechtfertigen wollte" (Quelle: wikipedia.de)

Wie Friedrich I. sich von seinem Premierminister Wartenberg manipulieren ließ, können Sie hier nachlesen: Übererfülltes Soll und preußische Misswirtschaft

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