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Mit einem Seufzer


Stadtteil: Köpenick
Bereich: Altstadt
Stadtplanaufruf: Berlin, Alt-Köpenick
Datum: 22. September 2023
Bericht Nr.: 817

Wenn die Stadt Berlin ihre Arme ausbreitet, berührt die eine Hand Spandau und die andere Köpenick. Von der Berliner Mitte sind beide rund 20 km entfernt. Die Spree erreicht beide Außenpunkte, sie verbindet sich in Köpenick mit der Dahme und in Spandau mit der Havel. Soviel zur Symmetrie der Stadt.

Zu Pferde durch die Havel
Zwischen Köpenick und Spandau spielt eine Sage um den Slawenfürsten Jaczo von Köpenick. Die Burg Köpenick war Sitz slawischer Burgherren, um 1150 kam es im Erbstreit um die westlich gelegene Brandenburg zu einer Auseinandersetzung mit Albrecht dem Bären, der siegreich blieb. Jaczo flüchtete von der Brandenburg und kam in Gatow an der Havel in eine ausweglose Situation, wo er nur nach Anrufung des Christengottes - sein slawischer Kriegsgott half ihm nicht - mit Pferd und Schild durch die Havel das rettende Ufer erreichte. Dort nahm er den christlichen Glauben an, hängte Schild und Horn an einen Baum, woraufhin dieser Ort Schildhorn geheißen wird. 1245 nahmen die Askanier nach kriegerischer Auseinandersetzung die Burg Köpenick in ihren Besitz.

Altstadt von Köpenick
Mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren wir in einer Stunde von Mitte nach Köpenick. Und kommen auf einer Insel an, die die Altstadt von Köpenick beherbergt, umgeben von Spree und Dahme. Unter der Dammbrücke fließen beide nördlich der Altstadt zusammen, zusätzlich ist mit dem Kietzer Graben südlich der Altstadt eine künstliche Verbindung geschaffen worden, die die Altstadt endgültig zur Insel macht. Im Stadtplan sieht unsere heutige Route aus, als seien wir auf der Insel geirrlichtert, das ist dem mittelalterlichen Grundriss und unserer Entdeckerfreude geschuldet.

Im 12. Jahrhundert wurde die erste Straße angelegt, die zur Burg - dem späteren Schloss - führt. Sie hieß Breite Straße, Marktstraße, Schloßstraße und hatte im Zeitablauf noch weitere Namen, bis sie zu Alt-Köpenick wurde. Der Stadtgrundriss der Altstadt mit mittelalterlichem Straßen- und Wegenetz ist bis heute erhalten. Denkmalgeschützte Wohnhäuser finden sich in allen Straßen der Altstadt, die ältesten Häuser sind in ihrer Grundsubstanz von 1656 und 1684. Die kleinstädtische Architektur mit zweigeschossigen Häusern wurde ab den 1850er Jahren durch drei- und viergeschossige Bauten abgelöst, in der Gründerzeit und nach 1900 folgten großstädtische Bauten mit historisierenden Fassaden.

Dabei wurde auch alte Substanz abgerissen, um Platz für Neues zu schaffen. Auch der Schüßlerplatz wurde 1905 durch Abrisse geschaffen, allerdings ohne dass eine Neubebauung folgte. An der Straße Freiheit ist in einer Baulücke am Nachbarhaus der Abdruck eines abgetragenen Gebäudes erhalten, das ein niedriges Fachwerkhaus gewesen sein muss. Am Nachbarhaus erinnert eine Gedenktafel an die Synagoge, die beim Novemberpogrom 1938 beschädigt und nach dem Krieg abgerissen wurde


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Die DDR hat die Altstadt in desolatem Zustand hinterlassen. Instandsetzungen unterblieben, auch der Standard der Ausstattung war miserabel: Außentoiletten, kaum Bäder, ganz überwiegend Kohleheizungen. Einkaufsmöglichkeiten fehlten. Ein Drittel der Wohnungen stand leer. Größerer Abrisse in den 1970er und 1980er Jahren hatten Baulücken gerissen. Nach der Wende ist die Altstadt mit einem Förderprogramm wieder hergerichtet worden. Doch ein "Altstadt-Feeling" will sich bei uns nicht einstellen, zu sehr drängen Nachwendebauten sich in Baulücken hinein, und diese Bauerei ist noch nicht zuende. Das ehemalige Fischerdorf Kietz mit seinen Fischerhäusern - eingeschossige Putzbauten mit Satteldächern - hat seinen historischen Charakter besser bewahren können.

Häuser von Bediensteten des Kurfürsten
Mehrfach werden in der Historie Bedienstete der Kurfürsten als Eigentümer von Häusern genannt. Das Fachwerkhaus, in dem das Museum Köpenick sitzt, wurde 1665 von dem Kurfürstlichen Forst- und Jagdaufseher, dem Landjäger Bock, auf einem Grundstück erbaut, das ihm der Kurfürst geschenkt hatte mit der Verpflichtung, die kurfürstliche Meute und ihre Betreuer bei seinen Jagden zu unterhalten und zu verpflegen.

Das Palais Alt-Köpenick 15 hatte eine Köpenicker Prinzessin für ihren Stallmeister errichtet, später ging es in den Besitz ihres Hofpredigers über. Am Alten Markt 4 erbaute 1683 ein kurfürstlicher Kammerdiener ein Haus, in dem später die Waschfrau Henriette Lustig wohnte und arbeitete. Sie begründete 1835 das Köpenicker Wäschereigewerbe, machte Köpenick zur "Waschküche Berlins“ mit vielen kleinen Wäschereien, die nach dem Beispiel ihrer Lohnwäscherei entstanden: Nicht mehr im Haus des Kunden wurde die Wäsche gewaschen, sondern im eigenen Wäschereibetrieb. 1873 gab die Industrialisierung einen neuen Schub, in Spindlersfeld nahm die erste Großwäscherei ihren Betrieb auf.

Seidenweber und Tuchmacher
Die Wäschereien prägten Köpenick als Gewerbestandort. Bereits zweihundert Jahre zuvor hatten aus Frankreich geflüchtete Hugenotten als Seidenweber und Tuchmacher mit der Textilherstellung einen neuen Wirtschaftszweig in Köpenick etabliert. Der Kurfürst hatte sie ins Land geholt und sie von Steuern und Abgaben befreit.

Als "Kurfürstliche Freiheit" bezeichneten die Köpenicker mit einem Anflug von Neid die Siedlung der Neuankömmlinge im Norden der Altstadt. Die heutige Straße "Freiheit" wurde durch Uferaufschüttung an einer Wassergasse angelegt. 1705 wurden Wohnhäuser gebaut, ab 1775 mehrere Manufakturgebäude. Als Bauherren werden in der Denkmaldatenbank Seidenwirker genannt.


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In anderen Veröffentlichungen werden die Berufe der Seidenweber und Tuchmacher bunt durcheinander gewürfelt, dabei unterscheiden sich die Herstellung und die Wertschätzung von Wolle und Seide so stark, dass eine Verwechslung eigentlich ausgeschlossen sein müsste.

Bänker und Banken
Die Straße Alt-Köpenick wird im Norden und Süden eingerahmt durch zwei Bauten, die mit Banken und Bänkern im Zusammenhang stehen. Am Schloßplatz hat sich der Bankdirektor Albert Hirte 1888 ein Bürgerhaus erbauen lassen, das mit dekorative Schmuckelementen der Fassade, betontem Eck-Erker, mehreren Giebeln und aufgesetztem Turm bis heute ein Blickfang des Schloßplatzes ist. Hirte hatte sich in Köpenick engagiert, in Friedrichshagen gründete er die Villenkolonie Hirschgarten, in der der Hirteplatz an ihn erinnert.

An der Straßenecke Freiheit und Alt-Köpenick steht das Stammhaus der Köpenicker Bank, ein stattlicher neubarocker Bau. Das Haus hat die Bank überlebt, die 1875 als "Credit-Verein zu Cöpenick" gegründet worden war. 1905 ließ sich das inzwischen zur Cöpenicker Bank avancierte Geldhaus den Bau errichten. Bis 1997 existierte sie als Genossenschaftsbank, seit der Nachkriegszeit in West-Berlin.


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Als sie durch Geschäfte in der Nachwendezeit in Schieflage geriet, wurde sie mit der Grundkreditbank fusioniert und dadurch gerettet. Kurze Zeit später kam auch die Grundkreditbank durch Immobiliengeschäfte ins Schleudern und musste sich zwangsweise der Berliner Volksbank anschließen. Die Köpenicker Bank gibt es seitdem nicht mehr, der traditionsreiche Name ist verschwunden.

Parks und Grünanlagen
Fünf Parks und Grünanlagen gibt es auf der Altstadtinsel: Für das Urban Gardening hat der Senat zwei Gemeinschaftsgärten geschaffen, den Lichtgarten und den Schattengarten. Beide wurden als "Stadtkunstprojekte" ins Leben gerufen und werden von Anwohnern gepflegt.


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Bis 1811 Friedhof, danach bis 1894 zentraler Marktplatz, heute eine Grünanlage: Der Futranplatz hat eine wechselhafte Geschichte. Der Namensgeber war ein Lokalpolitiker, der 1920 während des Kapp-Putsches ermordet wurde. Ein Findling mit Reliefporträt auf dem Platz erinnert an Alexander Futran, ein Sandsteinblock mit einer Gruppe von Kämpfern an den Kapp-Putsch. Ein "Denkstein Zerstörte Vielfalt" erinnert am Futranplatz daran, wie die Vielfalt der Stadt durch das Naziregime zerstört wurde.

Entlang der Dahme wird die Altstadtinsel flankiert durch den Luisenhain. Ein Köpenicker Bürger hatte 1906 der Stadt ein Grundstück gegenüber dem Rathaus geschenkt mit der Auflage, zur Ehrung seiner "in Gott ruhenden Schwester Luise einen Schmuckplatz anzulegen und diesen auf ewige Zeiten liegen bleiben“ zu lassen. Die Stadt kaufte weitere Grundstücke hinzu und legte den Luisenhain an.

Skulpturen im Luisenhain
Mehrere Skulpturen erfreuen die Spaziergänger im Park. Anmutig und ungewöhnlich die "Kugelspielerin", die Bronzefigur einer Frau, die mit einer vergoldeten Kugel Boule spielt (siehe oben Titelbild). 1950 entwendeten Buntmetalldiebe die Figur, 2019 wurde sie nachgegossen und wieder aufgestellt.

In der Nähe stand die "Sich Erhebende", "eine starke Frau mit maskuliner Statur, welche sich schwerfällig erhebt". Die Betonskulptur wurde mehrfach Opfer von Vandalismus und Beschmutzungen, man hat sie deshalb entfernt und eingelagert.

Im Luisenhain geht man weiterhin an der lebensgroßen Bronzefigur eines Fischers vorbei. Er hält einen großen Hecht an den Kiemen in seiner rechten Hand. Im Hintergrund sieht man das Altstadtcafé Köpenick, das als Restaurant seinen Fang vielleicht fachgerecht auf den Teller bringen könnte.

Geduckt, aber aufmerksam steht eine Pantherkatze als naturgetreue Bronzeplastik im Park. Der Bildhauer Heinrich Drake hat eine weitere Raubkatze in ähnlicher Haltung geschaffen, die am Weißensee aufgestellt wurde: Der Kopf eines Jaguars mit zurück gelegten Ohren ist aufmerksam nach hinten gerichtet, der Körper ist angespannt, der Schweif schwingt elegant aus.


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Kietzgrabensteg
Und dann war da noch die Geschichte mit der Brücke über den Kietzer Graben. Der Kietzgrabensteg führt vom Hinterhof am Museum übers Wasser zum Amtswäldchen, einer Brache, die einstmals mit einem Supermarkt, Wohnungen und Parkplätzen bebaut werden sollte. Aus jener Zeit stammte die Planung der Brücke, und auch wenn das Amtswäldchen immer noch eine Brache ist, das Geld war halt da, und so baute man für 465.000 Euro eine überflüssige Brücke. Realer Irrsinn, den der NDR in der Sendung "extra 3" aufs Korn genommen hatte.

Die Seufzerbrücke
Verabschieden wir uns mit einem Seufzer von der Köpenicker Altstadt. Eine hübsche Prinzessin aus dem Köpenicker Schloss wurde der Sage nach immer heimlich von einem schmucken Jägersmann besucht, der danach durch die Dahme zur Langen Brücke schwamm, um nicht entdeckt zu werden. Dort verweilte er kurz und sah sich nach der Prinzessin um, die ihm mit ihrem Schleier winkte. Dies wurde gesehen, als grausame Strafe - es war Mittelalter - wurde die Prinzessin lebendig eingemauert und ihr Liebhaber an der Brücke aufgehängt. Seitdem erklang nächtens ein banges Seufzen von der Brücke her und ein Schleier schwebte über dem Wasser.

Zwei Brücken und ihre unerfreulichen Geschichten - so traurig wollen wir unseren Rundgang nicht enden lassen. Bei "Fräulein O." in der Grünstraße werden wir freundlich mit Kaffee und Torte versorgt.
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Unsere Route:
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Eine Kirche wie ein Förderturm
Kein Dampf auf dem Kessel