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Wohnanlagen mit grünem Innenhof


Stadtteil: Prenzlauer Berg
Bereich: Humannplatz-Quartier
Stadtplanaufruf: Berlin, Kuglerstraße
Datum: 8. Dezember 2021
Bericht Nr.:756

Auch nach 750 Stadtbegehungen gibt es immer noch Quartiere, die wir nicht oder nicht ausführlich angesehen haben, und so bringt uns die Straßenbahn heute im Prenzlauer Berg zum Humannplatz zwischen Schönhauser und Prenzlauer Allee. Die Wichertstraße nördlich der Ringbahn mit einem breiten begrünten Mittelstreifen ist der Südrand des Quartiers. Von dort erstreckt sich bis zur Wisbyer Straße ein unaufgeregtes Wohnviertel, das aber vielfältiger ist als beispielsweise die Wohnblocks an der Gorkistraße in Tegel, die wir vor einem Monat gesehen haben. Der Humannplatz - so schreibt die BZ - sei eine Bastion der Alteingesessenen: "Keine Touristen-Busse, keine Szene-Kneipen, keine Promis". Die typischen Prenzlauer-Berg-Quartiere liegen südlich der Ringbahn.

Mietskasernen und Reformwohnungsbauten
Der Kiez um den Humannplatz wird geprägt durch den Kontrast von Mietskasernen der damaligen Jahrhundertwende und aufgelockerten Reformwohnungsbauten der 1920er Jahre. Jeweils nahezu halbe halbe liegen diese Baufelder zwischen Schönhauser und Prenzlauer Allee nebeneinander. Auch die Straßenzuschnitte sind unterschiedlich: rechtwinklig im westlichen Teil, diagonal durchkreuzt und dadurch auch mit dreieckigen Bebauungsflächen im östlichen Bereich. Im Vogelflug - den uns Google Earth erlaubt - sehen wir in die engen Höfe an der Schönhauser und die ausgedehnten und begrünten Innenflächen an der Prenzlauer Allee.


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Das Straßennetz im Ortsteil Prenzlauer Berg wird bestimmt durch die sternförmig nach außen strebenden Radialstraßen Schönhauser und Prenzlauer Alle und Greifswalder Straße, die durch Ringstraßen parallel zur Ringbahn miteinander verbunden sind. Die Baublöcke zwischen den Radialstraßen passen sich an die trapezförmige Struktur an. Dieses Raster durchschneidende Diagonalstraßen wie die Krügerstraße und Naugardener Straße sind selten. Sie wurden aber bereits 1903 in der Kaiserzeit vor der Bebauung angelegt und entsprechen damit dem Hobrecht‘schen Bebauungsplan von 1862. Sie sind also nicht geschaffen worden, um die Wohnbebauung mit grünen Innenhöfen zu ermöglichen, begünstigen aber diese Bauform mit variablen Zuschnitten.

In diesem Wohngebiet sind zur gleichen Zeit insgesamt sechs Blöcke von unterschiedlichen Architekten erbaut worden. Die Denkmaldatenbank fasst sie unter dem Aspekt "Wohnanlagen mit grünem Innenhof" als Ensemble zusammen. Unter der Leitung der Terrainentwickler "Berlinische Boden Gesellschaft" haben drei Baugesellschaften Ende der 1920er Jahre insgesamt 1.400 Wohnungen geschaffen. Die von Georg Haberland gegründete Terraingesellschaft hat in der Stadt Akzente gesetzt und Wohnviertel für das wohlhabende Bürgertum entwickelt, z.B. mit dem Bayerischen Viertel, Rheingau-Viertel, Wagnerviertel Friedenau. Für ihren Sitz ließ sie sich von den Architekten Cremer und Wolffenstein im Bankenviertel in Mitte ein Geschäftshaus mit neobarocken und neoklassizistischen Elementen erbauen.

Die meisten Reformwohnungsbauten im Humannkiez umfassen rechteckigen Blockrand, drei Anlagen folgen dem dreieckigen Straßenzuschnitt. Ein Block erhielt einen von zwei Seiten offenen grünen Innenhof. An den Straßenkreuzungen sind manche Bauten an den Ecken beschnitten, so dass platzartige Straßenformen entstehen. Die Wohnblöcke sind von den Architekten unterschiedlich gestaltet worden: Glatte Putzfassaden, ockerfarbene Fassaden mit schuppenartiger Oberfläche (Kellenputz), Backsteinfelder, Flachdächer, Satteldächer, Walmdächer, abgerundete Gebäudeecken, konkav eingezogene Ecken, betonte Treppenhäuser, Risalite (Vorsprünge), Balkons, Loggien (auch mit gekrümmten Seitenwangen), runde oder dreieckige Erker, so ergibt sich ein lebhaftes Bild.

Zukunft von Wohnanlagen mit grünem Innenhof
Im Quartier um den Humannplatz sind vor sechs Jahren die Mieter durch einen Trick von Investoren um ihr Vorkaufsrecht an der Wohnung geprellt worden. Nach Aufteilung von Häusern in Eigentumswohnungen hat die Wohnungsgesellschaft GSW die Wohnungen in einen Fonds eingebracht, dessen Anteile an Investoren verkauft wurden. Verkauft wurden also nicht Wohnungen, sondern Fondsanteile, dadurch wird kein Vorkaufsrecht des Mieters ausgelöst. Danach haben sich die Fonds aufgelöst, die Investoren wurden direkt Eigentümer der Wohnungen, durch Rechtsnachfolge ohne Verkäufe, also wieder kein Vorkaufsrecht der Mieter. Das erinnert an die Rechtskonstruktionen, mit denen die Stadt um Millionen Grundwerbsteuer gebracht wird, die eigentlich bei Eigentumswechseln zu zahlen sind.

Beim Wohnungsbau sind die grünen Blockinnenbereiche natürlich im Blickfeld, ob man durch Nachverdichtung zusätzlichen Wohnraum schaffen kann. Der Bezirk Pankow hat sich bei einem anderen Projekt für die Erhaltung der grünen Höfe eingesetzt und dafür den "Klimanotstand" verkündet: "Für eine Anpassung der Stadt an den Klimawandel sollen die bestehenden mit Bäumen und Sträuchern stark begrünten Blockinnenbereiche zum großen Teil geschützt und dauerhaft erhalten werden". Gegen eine "behutsame, mit dem gesamten Umfeld verträgliche Nachverdichtung" wehrt man sich aber nicht. Das ist das große Berliner Thema, ob und wie Neubauten auf Bestandsflächen gegen Widerstände durchgesetzt werden können.

Bedürfnisanstalt wird Kieztreff
Die Toilettenhäuschen, die früher oft in Parks zu finden waren, sind meist durch moderne Toilettenanlagen in der Nähe - "Design trifft Bedürfnis" - überflüssig geworden. Die alten Bauten bieten sich zur Nachnutzung als Eisdiele oder Café an mit begrenztem, aber gemütlichen Raum, auch wenn das zunächst ein irrwitziger Gedanke zu sein schien.

Am Perelsplatz in Friedenau wurde eine gastronomische Nutzung realisiert, und auch am Humannplatz ist das Häuschen behutsam unter Begleitung des Denkmalschutzes in ein Café verwandelt worden. Das Pissoir wurde durch einen Wintergarten für die Gäste ersetzt, es gibt eine Miniküche und ein WC nur für das Personal. Diese Verwandlung regt zu Wortspielen an: "Heute tritt dort niemand mehr aus, sondern ein". Oder: "Es sorgt für die Aufnahme von Speis und Trank, nicht mehr für die Entsorgung".

Öffentliche Toiletten
Jeder muss mal - so einfach lässt sich "ein wichtiger Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge" auf den Punkt bringen, für den der Senat ein "Toilettenkonzept" beschlossen hat. Man will "allen Menschen in Berlin, die auf öffentliche Toiletten angewiesen sind, Aufenthalt und Fortbewegung im öffentlichen Raum ermöglichen". Dafür werden "die verschiedenen Nutzergruppen der öffentlichen Toiletten definiert, ihre Bedürfnisse, Verhaltensmuster und Anforderungen".

259 öffentliche Toiletten gibt es in Berlin, sie wurden amtlich durchgezählt und mit einer Identifikationsnummer versehen: "FID – feature identification number". Die räumliche Verteilung auf die Bezirke schwankt, Mitte und Charlottenburg-Wilmersdorf haben je rund 40 Toiletten, Lichtenberg nur 9. Wie oft eine Toilette benutzt wird, hängt auch vom Standort ab, aber das erklärt dieses Missverhältnis nicht. Die Bahn und die BVG drücken sich weitgehend davor, ihren Passagieren die notwendige Möglichkeit zur "Entsorgung" zu verschaffen. Angedachte Kooperationen im Stadtgebiet mit Supermärkten, Hotels, Restaurants gibt es noch kaum, da "muss" man selbst die Initiative ergreifen, wenn‘s drückt.

Das Senatskonzept spricht auch Themen an wie Vandalismus, Angstfreiheit der Nutzer, Umweltschutz und Wasserverbrauch, "Personen mit besonderen Bedürfnissen", "Geschlechtergerechtigkeit" (?), "Nutzungskonflikte" (?). Die Auffindbarkeit der Toiletten ist nicht mehr ganz so wichtig, seit es Apps gibt, die weiterhelfen.

Kunstwerke
Wird nach Öl gebohrt am Humannplatz? Eine Pyramide, die aus quadratischer Grundfläche mit Stahlstreben in 12 Meter Höhe spitz zuläuft, nährt diese Vermutung. Aber es handelt sich um ein Kunstwerk, dass das Grünflächenamt Pankow 1996 aufstellen ließ. Roland Luchmann, einer der Pyramiden-Erschaffer, kann auch plastische Figuren formen: Sein "Alter Dessauer", Erfinder des militärischen Gleichschritts, steht in einer Gruppe von sechs preußischen Generälen am Zietenplatz.

Der bronzene Bär von Birgit Horota vor dem Spielplatz sieht auf Bildern mächtiger aus, als er tatsächlich ist. Er ist "unterlebensgroß, aber naturnah formuliert". Das "Amt für Umwelt und Natur" des Bezirksamts hat ihn im letzten Jahr wieder aufstellen lassen, angesichts eines Diebstahlversuchs war er vorher für sieben Jahre im Depot verschwunden.

Gehwegvorstreckung
Die Unfälle, bei denen Radfahrer schwer verletzt oder getötet werden, werden zögerlich auch von den Verkehrsverwaltungen zur Kenntnis genommen. Doch welche Konzepte helfen, dass Autofahrer und Radfahrer einander sehen können? Eine bauliche Veränderung, die gerade an der Erich-Weinert-Straße umgesetzt wird, ist die "Gehwegvorstreckung". Dabei sollen Engpässe beide Verkehrsteilnehmer näher ins Blickfeld rücken. Wie eine Nase ragt ein Stück Bürgersteig in die Straße hinein und verengt die Fahrspur.


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"Die Bauarbeiter sind noch nicht weg, schon steht der erste Falschparker auf der Gehwegvorstreckung", wird getwittert, so ist der Effekt im Nu dahin. Dagegen helfen Poller, die das Parken verhindern. Aber noch besser sind Fahrradbügel, schlägt der ADFC vor, die daran angeschlossenen Fahrräder seien kaum ein Sichthindernis.

Humannplatz

Dem Ingenieur Carl Humann, dem Namensgeber des Platzes, verdankt Berlin den Pergamon-Altar, der in einem eigenen Museum auf der Museumsinsel ausgestellt wird. Wegen einer Tuberkulose-Erkrankung suchte er als 22-jähriger einen Ort mit einem zuträglichen Klima und landete im Osmanischen Reich im Mittelmeerraum. Er realisierte zunächst zusammen mit seinem Bruder Straßenbauprojekte, beschäftigte sich mit Archäologie und leitete schließlich die Grabungskampagnen in Bergama (Pergamon).

Die Fundstücke des Pergamon-Altars standen gemäß einer Übereinkunft mit dem Osmanischen Reich der deutschen Seite zu, was durch die aktuelle Provenienz-Forschung kritisch hinterfragt wird. Humann wurde in seiner Heimat vielfach geehrt, er wurde Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilungsdirektor der königlichen Museen in Berlin und erhielt Forschungsaufträge von der Berliner Akademie der Wissenschaften und Grabungsaufträge von der Deutschen Orient-Gesellschaft. Er blieb in Smyrna (Izmir) wohnen, wo er auch starb. Seine letzte Ruhe fand er auf dem Burgberg von Pergamon.

Tretminen-Ferraris
In der Kuglerstraße flitzt plötzlich auf dem Bürgersteig ein skurriles Gefährt an uns vorbei. Es sieht aus wie ein Smart, der die Türen verloren hat. Ein langer hellbrauner Rüssel ist mit einem Huckepack-Aufbau des Fahrzeugs verbunden. Der Fahrer saugt mit diesem Gefährt die Hundekacke vom Bürgersteig. "Tretminen-Ferrari" heißt dieses Gefährt im Jargon der Straßenreiniger. 50 Tonnen Hundekot pro Tag hinterlassen die hunderttausend Berliner Hunde auf den Straßen, ein Teil davon bleibt einfach liegen.


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Mit netten Hinweisen, mit Tüten-Automaten und mit Bußgeldern ist der Mentalität mancher Hundebesitzer nicht beizukommen, da muss die Straßenreinigung eben selbst Rüssel anlegen. Die Fahrzeuge - umgerüstete Renault Twizy - haben einen Elektroantrieb. Es sind rollenden Reinigungskräfte, emissionsfrei - und geruchslos, anders als die eingesaugten Hinterlassenschaften.

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Unsere Flanierberichte zu den angrenzenden Quartieren im Prenzlauer Berg finden Sie hier:
> Humannplatz bis Helmholtzplatz: Sommer vorm Balkon
> Nördlich der Wisbyer Straße: Ein Strommast auf dem Schulhof
> Südlich der Ringbahn, Prenzlauer Allee: Abgebrannte Windmühlen und ...
> Südlich der Ringbahn, Helmholtzviertel: Aufenthaltsort für Automobile
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Unsere Route:
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Der Stadtraum innerhalb der Ringbahn
Der erfolgreiche Weg des Holzes im Städtebau