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Ein Strommast auf dem Schulhof


Ortsteile: Pankow und Prenzlauer Berg
Bereich: Pankow-Süd
Stadtplanaufruf: Berlin, Wisbyer Straße
Datum: 15. Januar 2018
Bericht Nr.:612

Wenn im Umspannwerk Lunder Straße in Pankow ein Trafo gestört ist, dann gehen in Prenzlauer Berg, Pankow, Weißensee und Heinersdorf die Lichter aus. Ampelanlagen funktionieren nicht mehr, im Ring-Center bleiben die Rolltreppen stehen und es wird duster.

Umspannwerk Lunder Straße
Wie kann es sein, dass eine kleine Station zur Umverteilung von Strom eine solche Wirkung hat? Der Strom wird in zwei Stufen von Hochspannung (380.000 Volt) über Niederspannung (110.000 Volt) auf unseren Haushaltsstrom von 230 Volt "umgespannt". Diese Aufgabe wird von Umspannwerken übernommen. Kraftwerke wie Reuter (Ruhleben) oder Klingenberg (Lichtenberg) erzeugen den Strom und leiten ihn über Hochspannungsleitungen zu den Verteilerstationen, an die das Niederspannungs-Netz mit mehr als 80 Stationen angeschlossen ist.

In diesem Netz geht zwischen Malchow und der Jägerstraße in Mitte an dem knatschbunten Umspannwerk Lunder Straße kein Weg vorbei. Und es gibt eine Besonderheit: Während in der Innenstadt Erdkabel verlegt sind, wird in der Lunder Straße der Strom über oberirdische Freileitungen an den Stadtrand weiter geleitet. Das ist so ähnlich wie bei der U-Bahn, die ab und zu ihren Tunnel verlässt und zur Hochbahn wird, weil man dadurch billiger bauen konnte und kein Protest von wohlhabenden Bürgern zu befürchten war (Beispiel Magistratsschirm an der Schönhauser Allee).

Von den 24.000 km innerstädtischen Niederspannungskabeln werden 700 km über Freileitungen geführt, diese Strommasten stehen alle im ehemaligen Ostteil der Stadt. Es handelt sich offensichtlich um einen Modernisierungsstau der Ostberliner Strombetriebe. Wir wissen aus der aktuellen Diskussion über die erforderlichen Stromtrassen von Nord- nach Süddeutschland, dass Erdkabel erheblich teurer sind als Freileitungen. Vattenfall als heutiger Berliner Stromanbieter will keine neuen Freileitungen bauen und die vorhandenen bei Umbauten reduzieren.

Der erste Strommast des Umspannwerks Lunder Straße steht auf dem Schulhof der Trelleborg-Schule. Angesichts der Diskussion über Elektrosmog hat die Stadtentwicklungsbehörde die elektromagnetische Feldstärke auch an diesem Standort gemessen und 1998 dokumentiert. Die Veröffentlichung im Umweltatlas dient nur der Information, Handlungsempfehlungen werden dort nicht gegeben.


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Das Umspannwerk Lunder Straße ist "Sternpunktbildner", das kann man auf einem Schild am Gebäude lesen. Wenn Stromleitungen beispielsweise durch Baumwurzeln beschädigt werden, entsteht ein "Erdschluss", der zu Stromausfällen führen kann. Durch die Sternpunktbehandlung der Transformatoren - insbesondere Erdung - sollen Fehlerströme unterbunden werden. Die Form eines "Sterns" wird dabei durch die Stromphasen gebildet, die um den stromlosen Sternpunkt - den Nullleiter - angeordnet sind. Im Juni 2009 mussten für Bauarbeiten an den Trafos 11.000 Kunden Stromunterbrechungen hinnehmen. Trotzdem kam es 2013 wieder zu einem großflächigen Stromausfall.

Weißbierbrauerei Willner
LOST - verloren -, steht als Schriftzug über den verlassenen Gebäuden der Weißbierbrauerei Willner an der Berliner Straße Ecke Eschengraben. Nicolas Berggruen, der Sohn des Kunstmäzens Heinz Berggruen, hatte das ehemalige Brauereigelände gekauft und mit seiner Vermietung "zur neue Kulturbrauerei" gemacht. Jedenfalls feierte eine Zeitung ihn im Überschwang mit dieser Auszeichnung, bis die Ernüchterung kam.


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Berggruen verstand sich nur als "Zwischennutzer" und verkaufte das Anwesen an eine unbekannte, gerade erst gegründete Immobilienfirma, Geld für die Sanierung wollte er nicht investieren. Ex und hopp wie bei Karstadt, wo Berggruen als Retter gefeiert wurde, bis er sich zurückzog, ohne den Kaufhausbetrieb mit Finanzmitteln unterstützt zu haben.

Das war für diese Immobilie nicht die erste negative Erfahrung nach der Wende. Oetker hatte mit seiner Brau und Brunnen-Gruppe 1990 die bis dahin vom VEB Getränkekombinat betriebene Brauerei gekauft, um sie noch im gleichen Jahr einzustellen. Das war das Ende der 1883 von Bierverleger Emil Willner gegründeten Weißbierbrauerei. Im Laufe der Unternehmensgeschichte war eine eigene Mälzerei aufgebaut worden, später wurde die Weißbierproduktion zugunsten des Pilsners eingestellt und 1935 eine Insolvenz überwunden.

Willner hatte in sein Brauereigelände das Steuerhaus (Zollhaus) einbezogen, das hier an der südlichen Grenze von Pankow Abgaben erhob für die aus Berlin eingeführten "geschlachteten und gemahlenen Waren", eine Mahl- und Schlachtsteuer. Das Gebäude ist heute noch erhalten. Ein weiteres Steuerhaus überlebte in Reinickendorf an der Residenzstraße, auch dort wurde Mahl- und Schlachtsteuer erhoben. Damit schützten die Städte einheimische Betriebe vor Billigimporten aus Berlin. Der Zusammenschluss zu Groß-Berlin lag damals noch in weiter Ferne

Bevor das Zollhaus hier stand, wohnte an der Berliner Straße auf diesem Grundstück ein Kaufmann in seiner Villa. Als Ruheständler genoss er das Privileg, die Sommermonate auf einem Anwesen in Italien zu verbringen. Der Schock muss unbeschreiblich gewesen, sein, als er eines Tages bei seiner Rückkehr statt seiner Villa ein abgeräumtes Grundstück vorfand. Ist die "Legende vom gestohlenen Haus" wahr oder nur schön ausgedacht? Angeblich war während seiner Abwesenheit ein Fuhrwerk vorgefahren, auf dem Möbel und Hausrat aus der Villa aufgeladen wurden. Verwunderte Nachbarn erhielten die Auskunft, der Kaufmann wolle in Italien bleiben und habe sein Haus "auf Abriss" verkauft. Der Abbruch soll dann auch realisiert worden sein, beginnend am nächsten Tag wurde die Villa Stein für Stein abgetragen.

Während der temporären Nutzung als "Kulturbrauerei" hat die Berlin Beer Academy einen Weißbiergipfel veranstaltet, auf dem Biermanufakturen Berliner Weiße anboten. Inzwischen hat das perfekten Sommerbier mit drei Prozent Alkohol den Status eines regionalen kulturellen Erbes bekommen. Die Slow Food Stiftung für Biodiversität hat das Weißbier in die "Arche des Geschmacks" aufgenommen. Es sei "für die deutsche Hauptstadt und das Berliner Milieu ein identitätsstiftendes Bier".

Vor zwei Jahren wurde in der "Kulturbrauerei" Tattoo als Design vorgestellt. In der jährlich stattfindenden "GAT - Ausstellung der tätowierbaren Künste" zeigten Tätowierer/innen in großformatigen Bildern, dass man den Körper mit mehr als Seemannsbräuten und "Arschgeweihen" verzieren kann. Für die Ausstellung arbeiten alle Teilnehmer an einem gemeinsamen Thema, diesmal waren es die achtziger Jahre.

Wisbyer Straße
Die Wisbyer Straße - unser heutiges Flanierziel - gehört zu einem Straßenring, der die Stadt umspannt. Westlich setzt er sich mit der Bornholmer Straße und Osloer Straße fort, östlich mit der Ostseestraße und Michelangelostraße. Der Autobahnring A 100, der die Berliner Mitte nahe der Ringbahn umschließt, zeichnet diese Figur im Stadtgrundriss nach, wurde aber im Norden und Osten nicht vollendet.

Die Wisbyer Straße bildet die Grenze zwischen Prenzlauer Berg (südlich) und dem Ortsteil Pankow (nördlich). Die Bebauung des Prenzelbergs begann direkt vor der Stadtmauer (Akzisemauer) – deren Verlauf durch die Torstraße markiert wird - und setzte sich dann immer weiter nach Norden fort. Mit der fortschreitenden Industrialisierung wuchs die Stadt in enormem Tempo.

Um 1910 war hier die Besiedlung im Wesentlichen abgeschlossen. Überbevölkerte Arbeiterquartiere waren entstanden, die "Mietskasernen". Entlang der Schönhauser Allee bestimmen auch heute noch - im Luftbild sichtbar - ehemalige Mietskasernen das Bild mit Hinterhäusern, die die Innenhöfe eingrenzen.


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Weiter östlich auf der Höhe Talstraße und Varnhagenstraße blieb allerdings Platz für Neues. Hier stehen mehrere Wohnanlagen mit grünem Innenhof, die überwiegend erst um 1930 erbaut wurden. Zu dem Bauensemble bis zur Talstraße, das der Architekt Paul Mebes 1910 für den Beamten-Wohnungsverein entworfen hat, gehörte ein Heim für Lehrerinnen. Die Häuserzeilen mit sparsamem Terrakotta-Dekor führen in geschwungenem Verlauf von der Straße weg zu einem großen Innenhof mit Spielplatz.

Auf der Südseite, also im Prenzlauer Berg, waren es Baugesellschaften wie DeGeWo, Gagfah und Roland, die um 1930 an mehreren Querstraßen Wohnanlagen mit grünem Innenhof errichteten. Eine davon wurde ebenfalls von Paul Mebes entworfen. Auch die "Berliner Wohn- und Zweckbau GmbH" hat südlich der Wisbyer Straße eine Wohnanlage gebaut. Von ihr sehen wir bei dem weiteren Rundgang an der Elsa-Brändström-Straße Ecke Trelleborger Straße ein weiteres Bauensemble.

Brachial-Entmieter
In dem Wohnhaus Wisbyer Str.6 hat vor mehreren Jahren ein "Immobilienverwerter" die Mieter mit üblen Methoden zum Auszug gedrängt, damit er die luxusmodernisierten Wohnungen profitabler an zahlungskräftige Kundschaft verkaufen konnte. Es war nicht das erste Objekt dieses "Brachial-Entmieters" in Berlin. Der von rbb und Arte koproduzierte Fernsehfilm “Betongold” dokumentiert die Vorgehensweise des auch hier "Brachial-Entmieter" genannten Investors. Der Beitrag wurde mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Auch mit Milieuschutzzonen kann das Bezirksamt solche Auswüchse in von Gentrifizierung bedrohten Gebieten letztlich nicht verhindern. Heute prangt ganz harmlos ein blankpoliertes Klingeltableau mit vielen Namen am Hauseingang der Wisbyer Str.6, der Immobilienverwerter hat sein Ziel erreicht.

Paul-Gerhardt-Kirche, Evangelische Hoffnungskirche
So frustrierend können wir unseren Bericht nicht enden lassen, deshalb wenden wir uns zum Schluss der Paul-Gerhardt-Kirche zu, die in der Wisbyer Straße in die Häuserzeile integriert ist. Das ist ungewöhnlich für eine evangelische Kirche, meist sind sie freistehend, aber die Synodalen wollten Geld sparen. Immerhin heben die beiden 40 Meter hohen Kirchtürme das Gotteshaus im Stadtbild heraus. Im März 1910 erfolgte die Einweihung. Das Kronprinzenpaar gab sich die Ehre, während sonst meist die Kaiserin ("Kirchenjuste") als Förderin des evangelischen Kirchenbaus an Einweihungen teilnahm.

Die Evangelische Hoffnungskirche an der Elsa-Brändström- Ecke Trelleborger Straße ist freistehend errichtet worden. Das Dach ist wie bei einer Pagode geformt. Über dem westlichen Hauptportal stehen Sandstein-Skulpturen. Der Kirchturm lehnt sich in seiner Gestaltung an die Garnisonkirche in Potsdam an.

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... ACHTUNG, es folgen ZWEI Bildergalerien ...
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... und hier sind weitere Bilder ...
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Unsere Route:
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