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Stadtteil: Pankow Bereich: Wilhelmsruh Stadtplanaufruf: Berlin, Garibaldistraße Datum: 26. September 2011
Auf dem Stadtplan hat Berlin vier "Enden", im Westen, Süden, Osten und Norden. Wir haben Westend erforscht, kennen die Villenkolonie Südende, sind in Oberschöneweide auf das Ostende gestoßen, alles interessante, lebendige Orte. Heute begegnet uns endlich mit der Nordendstraße die obere Kante in Pankow, und die Enttäuschung ist riesig. Einen knappen Kilometer ist sie lang, ihr Name verweist auf eine ehemalige Kolonie des Dorfes Rosenthal, die durch Gärtnereien und Landhäuser geprägt war. Heute sind hier überwiegend Kleingartenkolonien an der weitgehend unbefestigten Nordendstraße, erst am östlichen Ende tauchen Wohnhäuser auf. Hier residiert auch die Botschaft von Kasachstan in einem repräsentativen Gebäude, das den Botschafter vielleicht etwas über den behelfsmäßigen Charakter der Straße hinwegtrösten wird.
Unser Ausgangspunkt war heute das Werksgelände von Bergmann-Borsig, das zu DDR-Zeiten direkt an der Grenze von Pankow nach Reinickendorf lag. Die Grundstücksgrenze war an zwei Seiten Teil des Mauerverlaufs, das Fabrikgelände konnte nur mit Sonderausweisen betreten werden, und das bei knapp viertausend Mitarbeitern.
1906 siedelten sich die Bergmann Electricitätswerke hier an, als am Standort Wedding keine Erweiterungsmöglichkeit mehr bestand. Berliner Industriebetriebe haben in zwei Phasen Randwanderungen ins Umland vorgenommen. Zuerst die seit den 1820er Jahren vor dem Oranienburger Tor angesiedelten Eisengießereien und Maschinenbaubetriebe, die in den 1870er Jahren nach Moabit (Borsig, AEG) und Wedding (Schwartzkopff) zogen. In der zweiten Phase in den 1890er Jahren wurden Standorte im Umland entlang der Bahnstrecken gewählt oder Bahnanschlüsse selbst finanziert. In Reinickendorf entstand Borsigwalde, in Charlottenburg-Nord Siemensstadt, in Niederschönhausen baute die AEG ihre Fabriken.
Die historischen Bergmann-Borsig-Werke hatten ein Metallwerk, ein Kabelwerk und ein Werk für Dampfturbinen. Im Ersten Weltkrieg wurden genau wie später im Zweiten Rüstungsgüter produziert. In der DDR wurde das Werk zum bedeutendsten Großbetrieb des Ost-Berliner Maschinenbaus, Kraftwerksanlagen, Energiemaschinen und Dampferzeuger wurden hier hergestellt. Nach der Wende hat der internationale Elektrotechnik-Konzern ABB (Schweden/Schweiz) das Werk erworben und nach sieben Jahren still gelegt. Heute bietet das Gelände als "Pankow-Park" Gewerbeflächen "mit historischem Charme" an.
Das Richtung Osten angrenzende Wohngebiet war früher sumpfig, der Tempelgraben und zwei Seen haben die Zeit überdauert. Der Garibalditeich versteckt seinen Zugang hinter einem Kinderspielplatz, hat man ihn einmal aufgespürt, dann öffnet sich unerwartet eine innerstädtische Idylle. Dieser "Ententeich" - wie er auch genannt wird - ist von Häusern umgeben. In der Bezirksverordnetenversammlung wurde darum gerungen, einen weiteren Zugang von der Goethestraße zu öffnen. Unmittelbar am See befand sich früher eine "Volksbadeanstalt" mit Reinigungsbädern, in den Wohnungen gab es damals noch keine Badezimmer. Auch wenn sie direkt am See lag, wird sie das Baden wohl nur in den Räumen und nicht im Freien möglich gemacht haben.
Am anderen Ende der Garibaldistraße liegt der Wilhelsmruher See, der durch Torfstechen im Sumpfgebiet entstanden ist. Zu der Zeit, als es noch keine elektrischen Eisschränke gab, wurden hier im Winter Eisblöcke für die Kühlung von Lebensmitteln gewonnen. Auch als Badesee war der Wilhelsmruher See geeignet. Heute sind ist er nur noch als Rückzugsmöglichkeit zum Ausruhen und Spielen geeignet und zu schmutzig, um auch nur seine Füße im Wasser baumeln zu lassen. Die "Jungen Tauchpioniere" aus Lichtenberg haben den Boden des Sees vor drei Jahren gereinigt, dabei förderten sie laut rbb-Abendschau unter anderem 15 Fahrräder an die Oberfläche. Die Berliner Wasserschutzpolizei fühlt sich für den See (und den Teich) verantwortlich, mit dem Polizeiboot kann sie hier aber nicht fahren, dazu ist er zu klein.
Unser weiterer Weg führte uns wie schon eingangs geschildert durch die Nordendstraße. Von dort lotste mein Smartphone uns zu einem Italiener im angrenzenden Ortsteil Rosenthal, wo wir angemessen versorgt wurden. Vor der Smartphone-Ära wäre man in so einer einsamen Gegend eher einem Fuchs als einem Lokal begegnet. Heute informieren wir uns, in welcher Richtung und wie weit entfernt welches Lokal zu finden ist und können auf dessen Homepage noch die Speisekarte ansehen und telefonisch nachfragen, ob heute gerade Ruhetag ist, bevor wir loslaufen. ---------------------------------------------- Die anderen drei Enden Berlins in unseren Berichten Westend: Dreifache Luise Südende: Schneller als Ruhm schwinden die Börsenkurse Ostende: Die schöne Weyde an der Spree
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