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Hier haben Türme keine Zukunft


Stadtteil: Pankow
Bereich: Rosenthal
Stadtplanaufruf: Berlin, Bratvogelweg
Datum: 27. Februar 2012

Eine Fürstenhochzeit auf dem Dorf: 1698 hat ein Hohenzollernprinz seine Prinzessin in Rosenthal zur Frau genommen, und noch heute wird - nach einer unbestätigten Quelle - der "Einzug des Königlichen Paares in Rosenthal" beim jährlichen Erntedankfest nachgespielt. "Von der Edelfrau bis zur Magd, vom Kutscher bis zum Bauern kann jeder beim historischen Zug mitmachen" - die Regenbogenpresse lässt grüßen.

Heute ist das Dorf Rosenthal ein Ortsteil von Pankow, es liegt östlich angrenzend an das Märkische Viertel (das auf ehemaligen Rosenthaler Feldern erbaut wurde). Rosenthal war bald nach seiner Gründung um 1230 ein Adelssitz der Familie von Krummensee. Unsere Vorstellung von brandenburgischen Adelssitzen ist geprägt von Gutshöfen und Herrenhäusern des preußischen Landadels aus dem 18. und 19. Jahrhundert, mit dem Mittelalter ist das natürlich nicht zu vergleichen. Die Adligen in Rosenthal hatten einen Wohnturm, das war ein auf kleiner Grundfläche (wahrscheinlich 5 x 5 Meter) in die Höhe gebauten Wohnhaus, kein Wehrturm. Auf dem Feldsteinsockel waren die Etagen mit Fachwerk aufgebaut.

Später wurde Rosenthal zum Rittergut, gegenüber der Dorfkirche wurde ein Gutshof angelegt. Die Hohenzollern besaßen das Dorf und Gut mehrfach und verkauften es wieder. Kurfürst Joachim II. brachte seine Geliebte Anna von Sydow hier unter und der erste König in Preußen Friedrich I. ließ hier (noch als Kurfürst) 1694 ein kleines Lustschloss und einen Park anlegen. So musste nach 400 Jahren der mittelalterliche Wohnturm einem Schloss weichen, in dem dann die Prinzenhochzeit zelebriert wurde. Aber schon dreißig Jahre später verfiel das Schloss und verschwand schließlich ganz. Ende des 19.Jahrhunderts wurden im nördlichen Rosenthal Rieselfelder und im Ortsteil Nordend Friedhöfe für Berliner Kirchengemeinden angelegt, die hochherrschaftlichen Zeiten waren endgültig vorbei.

Archäologische Ausgrabungen nach der Wende haben mittelalterliche Funde ans Tageslicht gebracht, Fundamentreste des Wohnturms und des Schlosses, Keramik, Gefäße und Holzdielen, die eine Datierung auf das Jahr1230 zuließen. Das Alter von Bauholz lässt sich anhand der Jahresringe bestimmen, die aufgrund der Temperatur, Wassermenge und anderer Klimaeinflüsse für jedes Jahr eine unterschiedliche charakteristische Dicke aufweisen, gute Wachstumsbedingungen erzeugen breitere Jahresringe. In Datenbanken hat die Wissenschaft - nach Regionen mit unterschiedlichen Klimabedingungen getrennt - die regionale Abfolge der Baumringmuster gesammelt, die Dendrochronologie ("Baum-Zeit-Lehre") greift hierauf zur Altersbestimmung zurück.

Die Rosenthaler Kirche war 1230 als Dorfkirche aus Feldsteinen errichtet worden. Im Zusammenhang mit dem Bau des Schlosses wurden um 1700 ein Dachturm und ein halbrunder Altarraum angebaut, der preußische König wurde Kirchenpatron. 200 Jahre später wurde ein neues Querschiff und der mächtige Westturm errichtet, der Boom der Gründerjahre ab 1871 hatte die Kirche reicht gemacht.

Die Ortsteile Wilhelmsruh und Nordend gehörten damals zu Rosenthal. Um 1900 wurde die „Colonie Wilhelmsruh“ als Villenvorort entwickelt, diese und andere Landverkäufe machten Rosenthal zu einer der reichsten Landgemeinden Preußens. Die Baukosten des "Landhauses Rosenthal" als Schule wurden größtenteils aus der Kirchenkasse bezahlt, und für den Altar der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Charlottenburg gab Rosenthal sogar eine Spende von 30.000 Mark.

Bei der Besiedlung des Berliner Raumes im 13.Jahrhundert war Rosenthal mit 72 Hufen (72 Bauernhöfen) die zweitgrößte Ansiedlung. Heute ist Rosenthal ein sehr lang gestrecktes Angerdorf, mehr als 40 Häuser und Ensembles aus diesem Bereich stehen unter Denkmalschutz. Das von einem Jugendprojekt genutzte "Landhaus Rosenthal" war einmal Schule, dann Amtshaus (Rathaus). Natürlich gab es am Dorfanger ein Kriegerdenkmal und sogar eine Bismarckstatue, beide sind nicht mehr vorhanden. Neben dem Landhaus stand ein Wasserturm, der durch den Anschluss ans Wasserwerk überflüssig wurde, in den 1950er Jahren hat man ihn gesprengt. Türme haben eben in Rosenthal keine Zukunft - nicht der Wohnturm der Adligen, nicht der Wasserturm und auch nicht die Wachtürme an der Mauer.

Während der DDR-Zeit war Rosenthal ein unauffälliges Dorf am Rande der Stadt. Wie überall im Land hatte man die ehemaligen Großbauern in die LPG gezwungen, zur „Ernteschlacht auf den Feldern der LPG”. An voll beladenen Erntewagen soll schon mal die Losung „ohne Gott und Sonnenschein fahren wir die Ernte ein” gestanden haben, so mächtig war die LPG, dass sie sogar dem Wetter trotzen konnte. Aus dem Landhaus war das Haus der Pioniere geworden. Der "Rosenthaler Herbst" - wie das Erntedankfest bis heute heißt - ist in den 1970er Jahren wieder ins Leben gerufen worden, wie in alten Tagen fuhr ein blumengeschmückter Ziegenwagen mit.

Wurstmacherweg und Bratvogelweg weisen nicht auf das Fleischerhandwerk hin, sondern auf die Namen alt eingesessener Rosenthaler Familien. Hier beginnt die Siedlung "Eigene Scholle", deren Häuser sich einer Zuordnung zu Stil oder Epoche verweigern, zu unbestimmt sind Sachliches, Farbe, Säulen und andere Elemente miteinander verknüpft, keine Neue Sachlichkeit, kein Bruno Taut, keine Postmoderne. Zurück zum Gutshof an der Dorfaue, er ist durch ein gesichtsloses Neubauprojekt der Gewobag heftig verdichtet worden. Das alte Gutshaus wurde eng umbaut, seine Sanierung und Belebung aber offensichtlich total vergessen, es dämmert vor sich hin. Rosenthal hat keinen S-Bahn- oder U-Bahnanschluss, lediglich Bus und Tram verbinden mit Zentren in Pankow, Märkischem Viertel und der Innenstadt. Erstaunlich, dass trotzdem ein so wenig attraktives Bauprojekt in minderer Lage vermarktet werden konnte.

Das Dorf Rosenthal und die Großsiedlung Märkisches Viertel stehen als total verschiedene Welten in Sichtweite zueinander, nur von den Schienen der Heidekrautbahn unterbrochen, die hier früher die beiden Stadthälften auf Abstand hielt. Es gibt noch den Wendekreis des West-Berliner Busses vor der Mauer am Wilhelmsruher Damm. Parallel zu den Gleisen der Heidekrautbahn verlief die Mauer, das alte Bahnhofsgebäude an der Uhlandstraße war im Weg und wurde gesprengt. Am Wilhelmsruher Damm ist ein ironisches (West-)Denkmal aus Mauerzeiten erhalten geblieben: Ein vier Meter hoher Metallvogel blickt über die Mauer und schaut der DDR-Volkspolizei auf die Finger (die ihrerseits das Märkische Viertel streng beobachtete).

Es bietet sich für uns an, in der nächsten Woche den Spaziergang auf der "anderen Seite" im Märkischen Viertel fortzusetzen (siehe Hoffnungsschimmer für die Städtebauer).
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wo uns Friedrich I., König in Preußen, in Berlin schon begegnet ist: Friedrich I., König IN Preußen


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