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Die schöne Weyde an der Spree


Stadtteil: Köpenick
Bereich: Oberschöneweide
Stadtplanaufruf: Berlin, Wilhelminenhofstraße
Datum: 29.Juni 2009

Der brandenburgische Kurfürst Joachim II. bewunderte 1598 bei einer Reise zwischen Berlin und Köpenick die "Schöne Weyde" an der Spree. Später konnte man hier im „Quappenkrug“ einkehren. Das Anwesen entwickelte sich zum Landgut, zu einem kleinen Schloss und zu einem Ausflugslokal. Der Schlossherr nannte es nach seiner Frau "Wilhelminenhof". Ein Ausflugslokal "Sadowa“ eröffnete östlich vom Gut und gab dem Bahnhof Wuhlheide vorübergehend seinen Namen.

Die Spree teilte Schöneweide in zwei Gemeinden ("Ober..." und "Nieder..."), die zu unterschiedlichen Ämtern gehörten. Die Wasserverbindung führte dazu, dass sich Industrie geballt am Platz des ehemaligen Wilhelminenhofs niederließ. Heute erinnert nur noch der Straßenname an das nicht mehr vorhandene Gut und Schloss. Die AEG errichtete hier eine Akkumulatorenfabrik, ein Elektrizitätswerk und ein Kabelwerk ("Oberspree"). Insgesamt 17 Fabriken hatten eine Schienenverbindung nach Niederschöneweide-Johannisthal, darunter die "Neue Automobilgesellschaft" von 1901, deren Fabrikgebäude mit dem markanten Turm von Peter Behrens entworfen wurde. Obwohl Oberschöneweide im 2.Weltkrieg mit einem dichten Bombenteppich belegt wurde, ist das Ensemble der Fabrikbauten weitgehend erhalten geblieben. Dazu gehört auch das in Form einer Welle an ein Kraftwerk angeschmiegte Umspannwerk von Hans Heinrich Müller.

Am Ende der Wilhelminenhofstraße lädt das Kranhauscafe zu einem Besuch ein. Ein Hamburger hat den in den 1960er Jahren für Ladearbeiten an der Spree gebauten Kran - der auf einem Gebäudekubus steht - restauriert und das Gebäude in ein Cafe umgewandelt. Im Sommer kann man am Strand der Spree unter Palmen vom Liegestuhl aus den vorbeifahrenden Schiffen zusehen.

Die nördlich angrenzende Wohnbebauung wurde für die Arbeiter und Angestellten der Fabriken hergestellt. Der Straßenname "Ostendstraße" verweist auf den gescheiterten Versuch, hier an der Spree ein östliches Gegenstück zum feinen Westend zu entwickeln. Es musste scheitern, weil keine Bahnstrecke in annehmbarer Entfernung verlief, ohne Bahnanbindung ließ sich aber in der Zeit vor dem automobilen Massenverkehr kein Terrain entwickeln.

Der "Marktplatz" von Oberschöneweide ist kein alter Dorfanger, sondern ein um 1900 für die wachsende Landgemeinde angelegtes Ortszentrum. Die Griechische Allee hieß damals Rathausstraße, aber nur ein Postamt, die Kita und zwei Kirchen stehen hier, ein Rathaus ist nie verwirklicht worden. Zu DDR-Zeiten übernahm eine "Hausfrauenbrigade" den HO-Selbstbedienungsladen am Platz und kämpfte um den Titel "Brigade der sozialistischen Arbeit".

Die Kita aus den 1950er Jahren ist poppig modernisiert worden, der Fußboden in rosa harmoniert mit dem farbigen Vorplatz. Die Außenanlage mit Sichtbeton gefällt nicht allen, das sei für die Kinder wie Spielen in der Unterführung, lautet ein Kommentar). Andere finden es weniger kritisch ("sind nicht alle menschen aus watte, und schon gar nicht kinder").

Die evangelische Christuskirche in der Firlstraße wurde eingeweiht durch Kaiserin Auguste Viktoria, von den Berlinern auch liebevoll "Kirchenjuste" genannt. Ihr Mann, Kaiser Wilhelm II, war einverstanden mit den Aktivitäten seiner Frau: "Die hält es nämlich mit den drei K: Küche, Kinder, Kirche." Schon mehrfach waren wir bei unseren Spaziergängen auf Kirchen aufmerksam geworden, deren Bau von der Kirchenjuste gefördert worden war (1). Die Kirche hat eine hervorragende Akustik und wurde deshalb zeitweise ausschließlich für Tonaufnahmen genutzt, was ihr den Namen "Schallplattenkirche" eintrug.

Gegenüber der Kirche steht das Gemeindehaus, ein "kraftvoller Bau, der mit seinen verfremdeten gotischen Pfeiler- und Bogenmotiven deutliche Anklänge an den Expressionismus zeigt" (so steht, es in der Denkmalschutzbegründung).

Was uns aktuell fehlt, ist ein schönes Lokal, wo wir unseren nach dem Rundgang ganz beträchtlichen Hunger stillen können. Der Italiener an der Edisonstraße/An der Wuhlheide hat dicht gemacht, so fahren wir zum Hackeschen Markt und essen dort, wo Frau Merkel, Herr Seehofer und Herr Beckstein an der Wand hängen im Weihenstephaner bayerisch statt schöneweyderisch.

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(1) Der Evangelische Kirchenbauverein zählt beispielhaft die Kircheneinweihungen 1890 und 1891 auf: "Als Schirmherrin des Kirchenbau–Vereins nahm sie an den meisten Grundsteinlegungen und Einweihungen der neuen Kirchen teil: am 4. Mai 1890 war der Baubeginn der Erlöserkirche in Rummelsburg, am 20. Mai 1890 wurde der Grundstein zur Gethsemanekirche auf dem Prenzlauer Berg gelegt, am z. Juni 1890 zur Himmelfahrtkirche in Wedding, am 5. Juni zur Emmauskirche in Kreuzberg, am 11. Juni zur Gnadenkirche im Invalidenpark, am 22. März 1891 zur Kaiser–Wilhelm–Gedächtnis–Kirche am Tauentzien, am 18. April 1891 zur Lutherkirche in Schöneberg, am 15. Juni desselben Jahres zur Segenskirche in Reinickendorf, oder am 22. Oktober zur Kirche Zum Guten Hirten in Friedenau."

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Ein Besuch in Niederschöneweide: Volkseigenes Bier


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