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Bilder von Mondlandschaften und faulen Fischen


Stadtteil: Pankow
Bereich: Schönholz
Stadtplanaufruf: Berlin, Homeyerstraße
Datum: 13. April 2022
Bericht Nr.:769

In den 1950er Jahren errichtete die DDR drei Siedlungen für die "schaffenden Intelligenz", um im Kampf der Systeme Ost-West Intellektuelle für ihren Staat zu gewinnen. Im Westen nennt man sie "Intellektuelle", im Osten war das die "Intelligenz". Damit hoben sich die Kulturschaffenden und Wissenschaftler im Osten vom "dekadenten" Westen ab. Ganz überzeugend ist die sprachliche Abgrenzung nicht, denn Intelligenz - egal in welchem Maße - ist angeboren, während Intellekt - Verstand - erst erworben wird. Sollten im sozialistischen Staate der Arbeiter und Bauern alle gleich sein, so wurde hier eine dritte Gruppe hervorgehoben, die gleicher war als die anderen.

Erich-Weinert-Siedlung
Am Rand der Schönholzer Heide entstand für die "Intelligenz" die Erich-Weinert-Siedlung. Dort waren keine avantgardistischen Wohn- und Lebensexperimente geplant. Es ging lediglich darum, für die weltanschaulich verbundenen Bewohnerschaft angenehme Wohnbedingungen zu schaffen. Es ist heute eine unscheinbar normale Einfamilienhaus-Siedlung, deren Besonderheit ist, dass die DDR-Intelligenz als erste Bewohner hier eingezogen waren. Es war keine homogene Gruppe, und mit manchem tat sich die DDR schwer mit ihren Bestrebungen, sich vom "westlich-dekadenten Kunstbetrieb" abzusetzen.


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Werke von Pablo Picasso seien "Wirklichkeitsfälschung", schrieb 1949 der zuständige sowjetische Kulturoffizier. "Wir brauchen weder Bilder von Mondlandschaften noch von faulen Fischen", setzte Walter Ulbricht nach. Angesagt war sozialistischer Realismus bis in den letzten Pinselstrich, eine Formalismusdebatte war entstanden. Deswegen kamen der DDR Künstler wie Gerhard Richter oder Georg Baselitz abhanden.

Und es erwischte auch den in der Siedlung lebenden Maler Max Lingner, der auf einem Wandbild einen Traktor leicht abstrahiert dargestellt hatte, eben nicht so, wie dieser Traktor wirklich aussieht. Lingners monumentales Wandbild "Aufbau der Republik" - auf Meißener Porzellan gemalt - ist noch heute im Finanzministerium (damals Haus der Ministerien) zu sehen, aber nicht in seiner Ursprungsfassung. Max Lingner musste damals das, was mit leichter Hand gemalt war - auch den Traktor - überarbeiten, "realistisch" gestalten.

Auch der Siedlungsnachbar Theo Balden, Bildhauer, Mitarbeiter der Satirezeitschrift "Ulenspiegel" und Dozent an der Kunsthochschule Weißensee, fiel wegen des Formalismus-Dogmas in Ungnade und musste die Hochschule verlassen. Einem anderen Maler aus der Siedlung, Fritz Duda, wurde eine Jahrzehnte zurückliegende zeitweilige Mitgliedschaft in einer Abspaltung der Kommunistischen Partei (KPO) zum Verhängnis. Obwohl er mit mehreren Initiativen am Wiederaufbau Berlins teilgenommen hatte und die frühere Mitgliedschaft in der KPO bekannt war, wurde er durch Verkaufsverbote und Entzug der Rente bestraft, lebte aber weiter in der Siedlung.

Dort wohnte auch der Historiker Heinz Kamnitzer, er leitete als Hochschullehrer das Institut für die Geschichte des deutschen Volkes an der Humboldt-Uni. In einer wissenschaftlichen Buchveröffentlichung hatte er große Teile aus dem Werk eines NS-belasteten Agrarhistorikers von 1926 verwendet, ohne Quellenangabe, ein Plagiat. Ob er dachte, in das Werk eines Nazianhängers schaut in der DDR keiner mehr rein? Es gab noch kein VroniPlag ("Mit Leidenschaft für die Wissenschaft"), trotzdem war es aufgefallen und damit war er an der Uni nicht mehr tragbar, er wurde entlassen.

Gefeiert wurde „Intelligenz“ wie der Schriftsteller Arnold Zweig, dessen Bücher die Nazis bei öffentlichen Bücherverbrennungen ins Feuer warfen. Er kam 1948 aus dem Exil nach Ost-Berlin zurück. 1950 wurde er Präsident der Akademie der Künste der DDR. Zweig wohnte in der Homeyerstraße, angrenzend an die Erich-Weinert-Siedlung. In dem Haus ist jetzt das Arnold-Zweig-Archiv untergebracht. Eine Straße in der Siedlung ist nach seiner Ehefrau, der Malerin Beatrice Zweig benannt.


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Im Umkreis der Siedlung lebten der Schauspieler Ernst Busch und der Musiker Hans Eisler. Mit beiden arbeitete Erich Weinert schon seit 1930 zusammen. Die Siedlung wurde 1953 nach seinem Tod nach Erich Weinert benannt. Auch eine Gedenktafel an der Heinrich-Mann-Straße erinnert an ihn: "In dieser Siedlung wohnte und arbeitete der Dichter und Revolutionär in seinen letzten Jahren". Verabschieden wir uns von der Siedlung mit seinen Worten:
___Den Gedanken Licht
___den Herzen Feuer
___den Fäusten Kraft

Volkspark Schönholzer Heide
Der Volkspark Schönholzer Heide liegt - durch die Panke getrennt - nördlich des Bürgerparks. Der Park wurde zu einem beliebten Ausflugsziel der Berliner, als an der Nordbahn 1877 der Bahnhof Schönholz eingerichtet wurde. Aus einem alten Gutshaus wurde eine Gaststätte mit großem Saalbau. Als der Luna-Park am Halensee von den Nazis geschlossen wurde, eröffnete bald der Vergnügungspark Traumland in der Heide westlich der Einmündung der Heinrich-Mann-Straße in die Hermann-Hesse-Straße.

Die Besucher konnten sich erfreuen an der 18 Meter große Himalaya-Bahn und an Riesenrad, Wasserrutsche, Tanzpavillons und Varieté. In der "Traumstadt Liliput" wurden wie damals üblich kleinwüchsige Menschen zur Schau gestellt. An die Trinkgelage in der Bayernhalle erinnert eine im Museum Pankow ausgestellte Bierzähluhr, mit der Stammgäste ihre Bierkrüge selbst zählen konnten. Bis zu 12 Biere wurden durch das Drehen der leicht überstehenden, geriffelten Innenscheibe gezählt. Der Gast konnte nur vorwärts drehen, versteht sich.

Während des Zweiten Weltkriegs wurde in dem ehemaligen Vergnügungspark ein Zwangsarbeiterlager ("Luna-Lager") eingerichtet. Zu den Luftschutzanlagen, die Hitler ab 1940 ausbauen ließ, um die Zivilbevölkerung vor Luftangriffen zu schützen, gehörte der "Luna-Bunker“ im ehemaligen "Traumland"-Gelände. Ende des Krieges entstand im Park ein Begräbnisplatz für die Kriegs- und Bombenopfer mit 350 Gräbern, der Friedhof Pankow VI, der inzwischen aufgelassen ist.

Auf dem Vergnügungspark-Gelände lagerte die sowjetische Besatzungsmacht von 1945 bis 1947 demontierte Fabrikausrüstungen, die sie als Reparationsleistungen nach Russland schaffte. Während in den Westzonen bald nach Kriegsende der Wiederaufbau gefördert wurde, hat die sowjetische Besatzungsmacht bis 1952 etwa 3.400 Betriebe demontiert, rund 30 Prozent der industriellen Kapazität von 1944. Damit sollten wirtschaftlichen Verluste der Sowjetunion kompensiert werden, gleichzeitig wurde Ostdeutschland von den Sowjets abhängig und konnte erst später als der Westen die Kriegsfolgen überwinden. Interessant wären Untersuchungen, inwieweit die demontierten Anlagen bei den Russen wieder in Betrieb genommen werden konnten, oder ob das entsprechende Know-How fehlte.

Ballhaus Pankow
Zu den Vergnügungsorten der Berliner gehörte auch das Ballhaus Pankow im Innenhof der Grabbeallee Ecke Tschaikowskistraße. Ein 10 Meter hoher Ballsaal wird von pittoresken einstöckigen Fachwerkriegeln umschlossen. Der Saal mit seiner Deckenbemalung, mit Stuck und Parkett war und ist eine Sehenswürdigkeit. Von 1880 bis 1933 war das Tanzetablissement in Betrieb. In der Nachkriegszeit schmiedete man dort Stahlhelme zu Kochtöpfen um. Zur Zeit der Wende war das Haus heruntergekommen, mit hohen öffentlichen Mitteln wurde das Baudenkmal wiederhergestellt, aber nur noch fallweise vermietet.


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An der Bebauung der Tschaikowskistraße nördlich des Ballhauses kann man die Entwicklung des Ortsteils an den Häusern ablesen, die ab 1890 gebaut wurden. Auf landhausmäßige Bebauung - einzelnstehende Häuser mit ausgebautem Dachgeschoss und Vorgarten - folgen mehrgeschossige vorstädtische Mietwohnungsbauten.

Haus Horridoh
Bei Treibjagden feuern Jäger die Meute mit dem Ausruf "horrido" an. Wenn eine Villa Haus Horridoh heißt (in der alten Schreibweise mit abschließendem "h") und zwei Hirschköpfe an der Front präsentiert, muss man über das Hobby (oder den Beruf) seines Erbauers nicht lange rätseln. Von der Grabbeallee aus sieht man zwischen zwei haushohen, dickbäuchigen Lebensbäumen die Treppe zum Hausentrée mit Säulen und Rundbögen.


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Die Villa Horridoh wurde 1875 errichtet, sie ist von der Straße zurückgesetzt und leider in keinem guten Zustand, offensichtlich unbewohnt, der Putz bröckelt sichtbar.

Pankower Botschaftsviertel

Bis 1972 hatten nur die mit der DDR verbrüderten Staaten Botschaften in Ost-Berlin, die westdeutsche "Hallstein-Doktrin" verhinderte, dass andere Staaten gleichzeitig mit beiden Deutschlands konsularische Beziehungen haben konnten. Das änderte sich 1972 mit dem Grundlagenvertrag, jetzt stampfte die DDR serienweise Botschaftsgebäude aus dem Boden. Mehr als 120 entstanden in Pankow, davon allein 46 vom Typ "Pankow" im Nordischen Viertel nördlich der Bornholmer Straße. Es sind identische, dreigeschossige, von Gärten umgebene Plattenbauten gleichen Zuschnitts, seriell nebeneinander aufgereiht.

Auf unserem Weg von der Tschaikowskistraße zur Grabbeallee begegnen uns mehrere Typenbauten "IHB-III (Ingenieur-Hochbau-Berlin III)", von denen insgesamt nur sieben Exemplare in drei Versionen errichtet wurden. Hierzu wurden Stahlbeton-Raster, 7,20 m lang und 3,30 m tief, vor Ort installiert und mit weißen Betonplatten mit Carrara-Anstrich ausgekleidet. Immer zwei Elemente wurden zu einer Einheit verbunden. Trennwände und Mosaikelemente hatte die Keramikerin Hedwig Bollhagen gestaltet.


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Die dreistöckigen Gebäude wurden willkürlich vergeben, die größte Botschaft in der Grabbeallee mit 4 Einheiten und einem Tennisplatz erhielt Australien, ohne dass das seiner Bedeutung für die DDR entsprach. Für den Irak wurde in einem 5.000 qm großen Park an der Tschaikowskistraße ein Gebäude mit 3 Einheiten bereitgestellt. Angrenzend stehen um einen Platz noch drei weitere Typenbauten mit jeweils einer Einheit.

Die dortige irakische Botschaft ist mit der Aura eines verlassenen Ortes umgeben. Dort übt immer noch der Irak formal das Hausrecht aus, nutzt das Gebäude aber nicht mehr. In der "Geisterbotschaft" wurden einst "Attentate geplant und Sprengstoff versteckt", kann man lesen. Hatte Saddam Hussein, als er noch im Irak herrschte, atomare, biologische und chemische Waffen? Die USA hatten das damals als Kriegsgrund vorgeschoben, das flog später auf. Trotzdem schrieb der "Spiegel" noch 2010, dass die DDR dabei geholfen habe, ABC-Waffen in der Nähe von Bagdad zu testen.

Tatsache ist andererseits, dass die West-Berliner Polizei 1980 zwei aus Ost-Berlin einreisende irakische "Diplomaten" wegen eines im Westen geplanten Sprengstoffanschlags verhaftet hat. Und nach der Wende wurde über ein Lager mit Waffen und Sprengstoff berichtet und über "Terrorkommandos", die sich dort formierten.

Doppelt vorhandene Botschaften im ehemaligen Ost-Berlin wurden nach der Wende nicht mehr gebraucht und geschlossen. Trotzdem wollte der Irak das Gebäude als Außenstelle weiter benutzen, doch darüber ist buchstäblich Gras gewachsen. Vandalismus hat ein Übriges dazu getan, um den Ort unbenutzbar zu machen. So sind auch für "Lost-Places"-Fotografen und andere unerwünschte Besucher keine Schätze und Geheimnisse mehr zu bergen.
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Unsere Route:
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Überflüssige Rathäuser
Glockengeläut in der Eigentumswohnung