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Medizinische Forschung im Landschaftspark


Stadtteil: Mitte
Bereich: Friedrich-Wilhelm-Stadt, Campus Nord der Humboldt-Uni
Stadtplanaufruf: Berlin, Philippstraße
Datum: 25. April 2022
Bericht Nr.:771

Südlich der Hannoverschen Straße schlängelt sich die Südpanke auf ihren letzten Metern Richtung Spree durch das Gelände der ehemaligen Königlichen Tierarzneischule. Dort erstreckte sich vorher der Gräflich-Reußsche Garten, er soll einer der schönsten von Berlin gewesen sein, "beinahe mit der Pracht von Sanssouci. Spaliere von Pfirsichbäumen säumten die Alleen, die Nebenwege waren mit Lavendel umrahmt. Sandsteintreppen führten zum Ufer der Panke hinunter, vorbei an Grotten und wasserspeienden Figuren".

Vom prächtigen Garten zum Forschungsstandort
Kurfürst Friedrich Wilhelm II. kaufte 1787 das Areal, um dort Forschungs-, Unterrichts- und Stallgebäude für die Tiermedizin einrichten zu lassen. Es ging dabei um die Pferdegesundheit, für die Kriegsführung waren Pferde unentbehrlich, sie wurden für die Kavallerie und als Zugtiere gebraucht. Trotz der neuen Gebäude blieb der Charakter des Gartens weitgehend erhalten. Fünfzig Jahre später wurde er zu einem Landschaftspark umgestaltet, als die Tierarzneischule ein neues Lehrgebäude erhielt. Das Gebäude mit drei Flügeln steht auf der östlichen Seite der Luisenstraße, westlich der Straße befinden sich die Bauten der Charité. Die Panke ist kein reißender Fluss mehr, teilweise verläuft sie unterirdisch ("verrohrt"), im ehemaligen Gartengelände ist ein Graben für sie angelegt, hoch dort kommt kaum noch Wasser an.

Tieranatomisches Theater
Mittelpunkt der Anlage ist das Tieranatomische Theater, auch "Trichinentempel" genannt, ein quadratischer Bau mit runder Kuppel. Der Hörsaal ist wie ein Amphitheater aufgebaut. Die Studenten mussten sich durch einen schmalen Hintereingang in den Hörsaal drängen, der Professor kam vorn durch das breite Hauptportal in den Raum. In der Mitte des Raums stand ein Seziertisch für die Präparate, die "aus der Versenkung auftauchten", sie wurden aus dem Untergeschoss mit einem Fahrstuhl in den Hörsaal gebracht. Welch eine Inszenierung!


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Anatomie: Der Tod hilft den Lebenden
Im Laufe der Jahre wurden weitere Klinik-, Forschungs- und Wirtschaftsbauten ergänzt. Und es kamen Bauten der Friedrich-Wilhelm-Universität hinzu, die Verbindung ergab sich über die Medizin. Es entstanden zwei Anatomische Institute, Medizinische Pferdeklinik und Chirurgische Pferdeklinik, Kliniken für kleine und für große Haustiere, Pathologie, Hygienisches Institut, Chemisch-Physiologisches Institut, 1. Chemisches Institut.

Über dem Eingang zum säulenbestandenen Anatomiegebäude verweist ein Spruch darauf, wie hilfreich die Untersuchung von Verstorbenen für das Verständnis des menschlichen Körpers ist: "Hic locus est ubi mors gaudet succurrere vitae." ("Hier ist der Ort, an dem der Tod sich freut, dem Leben zu helfen"). Mit medizinischen Präparaten, die aus den Verstorbenen gewonnen wurden, dienten die Toten den Lebenden, wobei es um die naturgetreue Darstellung krankhafter Veränderungen ging. Die sensationshaschende Ausstellung präparierter Toter als "Plastination" ist ein Phänomen unserer Zeit geworden.


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Campus Nord der Humboldt-Universität
Um 1900 war die Bauphase der Tierarzneischule beendet. Die Zusammenarbeit mit der Friedrich-Wilhelm-Universität verstärkte sich. Heute gehört der Bereich zum Campus Nord der Humboldt-Universität. Die Bauten der ehemaligen Tierarzneischule bekamen nach und nach eine neue Bestimmung. Im Gebäuderiegel an der Hannoverschen Straße öffnen sich im Erdgeschoss markante Spitzbogen in serieller Folge. In dem Gebäude war die Chirurgische Pferdeklinik mit Ställen, Hörsaal und Speicher untergebracht. Heute sind dort die Sportwissenschaftler der Humboldt-Uni tätig. Das Hauptgebäude an der Luisenstraße wurde zur Humboldt Graduate School, der "Ideenschmiede für das Nachwuchsgeschehen in der Humboldt Universität". Von dörflichem Ambiente über Backsteinarchitektur, Schinkel‘sche Klassik und historisierende Bauten bietet der Campus eine architektonische Fülle, der sich jetzt ein hochmoderner Neubau angeschlossen hat.

Die "Grüne Amöbe"
Vor wenigen Jahren ist die "Grüne Amöbe" an der Philippstraße hinzugekommen, ein Bau für die Molekular- und Zellbiologen. Das Gebäude mit grüner Metallfassade ist aus recyceltem Beton errichtet, im Untergeschoss arbeiten riesigen Kühlanlagen. Das Treppenhaus mit einem Kunstwerk über die gesamten drei Etagen hat ein spezielles Lichtkonzept, die Farbe ändert sich bei wechselnden Temperaturen. Der Neubau ist nach Rhoda Erdmann benannt, einer deutschen Zellforscherin.


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Sie hatte Zoologie, Botanik, Physik und Mathematik studiert und die experimentelle Zellbiologie mitbegründet, ein Thema auch in der Krebsforschung. Sie arbeitete anfangs am Robert-Koch-Institut. Bei einem Forschungsaufenthalt in den USA an der Yale-University während des Ersten Weltkriegs wurde sie als "feindliche Ausländerin" verhaftet mit dem Vorwurf, mit ihrer Forschung zur Geflügelpest Nahrungsgrundlagen der USA zu vernichten. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland forschte und unterrichtete sie an der Charité. 1933 wurde sie denunziert, sie hätte Juden bei der Emigration geholfen, und durfte nicht mehr unterrichten.

Lebenswissenschaften
Die Lebenswissenschaften ("Life Sciences") nehmen einen großen Bereich im Campus Nord ein. Ausgehend von der Biologie werden verwandte Bereiche aus der Medizin, Chemie, Physik zu den Biowissenschaften gezählt. Das Dekanat sitzt in der ehemaligen "Landwirtschaftlichen Hochschule" an der Invalidenstraße neben dem Naturkundemuseum. Als Vorlesungsgebäude dient ein Plattenbau an der Invaliden- Ecke Chausseestraße. In die Edison-Höfe ein paar Schritte weiter östlich an der Invalidenstraße ist ein weiteres Fachgebiet der Humboldt-Uni gezogen, die "Asien/Afrikastudien". Am Institut für Asien- und Afrikawissenschaften arbeiten mehrere Disziplinen daran, „Gesellschaft/Transformation“, „Kultur/Identität“ und „Sprache/Kommunikation“ aus asiatischer und afrikanischer Perspektive zu verstehen.

Forschungsverbund zur Altertumswissenschaft
Zwischen Hessischer Straße und Chausseestraße - damals vor den Toren der Stadt - gab es eine Ansammlung von Friedhöfen bis hinauf zur Invalidenstraße. Davon sind der Dorotheenstädtische und der Französisch Reformierte Friedhof erhalten geblieben. Der Domfriedhof direkt vor dem Oranienburger Tor wurde 1834 zur Liesenstraße verlegt, auf dem ehemaligen Friedhofsgelände stehen heute die Bauten der Katholischen Bischofskonferenz. Der ehemalige Friedhof der Charité weiter nördlich wurde ab den 1880er Jahren mit Institutsgebäuden der Friedrich-Wilhelm-Universität bebaut.

Zu den Institutsgebäuden gehörte der Bau Hannoversche Straße 6 mit einem flachen Mittelbau und mächtigen Seitengebäuden für die Gerichtsmedizin und das Königliche Leichenschauhaus (im Mittelbau). Die Humboldt-Universität richtete dort 2006 zusammen mit anderen Institutionen einen Forschungsverbund zur Altertumswissenschaft ein, den "Exzellenzcluster Topoi", der bis 2019 existierte. Weiter nördlich schließen sich die Gebäude der Mensa und der Bibliothek für den Campus Nord an.


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Erbaut wurde das heutige Bibliotheksgebäude 1900 an der Hesseschen Straße für das 1. Chemische Institut der Friedrich-Wilhelm-Universität mit großem Hörsaal und Experimentier- und Arbeitsräumen. Ab 1905 war Walther Nernst dort Ordinarius, dessen Grab wir letzte Woche auf einem Friedhof an der Hermannstraße verortet hatten. Historische Bedeutung bekam das Gebäude, weil dort Forscher/innen arbeiteten, deren Forschung die Weltgeschichte verändert hat: Lise Meitner und Otto Hahn. Lise Meitner, die als Frau bis 1909 vom akademischen Betrieb ausgeschlossen war, hörte dort trotzdem Vorlesungen von Max Planck und forschte in dessen Labor zusammen mit Otto Hahn.

Bei ihren Forschungen zur Radioaktivität entdeckten sie mehrere radioaktive Elemente und konnten den radioaktiven Rückstoß beim Zerfall eines Atoms nachweisen. 1912 setzten sie - inzwischen wissenschaftlich geehrt und anerkannt - ihre Forschungen am Kaiser-Wilhelm-Institut in Dahlem fort. 1938 entdeckte Otto Hahn gemeinsam mit Fritz Straßmann einen Prozess, dem Lise Meitner den Namen "Kernspaltung" gab. Auf einem banalen Arbeitstisch mit ein paar Röhren und Schaltern - so wird die Versuchsanordnung bebildert - begann das Atomzeitalter, Kernkraftwerke und Atombomben sind aus ihrer Entdeckung hervorgegangen. Ist das in unserer Zeit die unbehagliche, ja unheimliche Rettung aus der Energiekrise oder Vorschub für eine Kriegsdrohung? Mit beiden Folgen der Entdeckung sind wir aktuell konfrontiert.
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Unsere Route:
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Für eine gleichberechtigte Gesellschaft
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