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Zerlegt - versetzt - wieder aufgebaut


Stadtteil: Mitte
Bereich: Fischerinsel
Stadtplanaufruf: Berlin, Märkisches Ufer
Datum: 22. März 2010

Was ist an Berlins alten Bauten original, was steht noch am historischen Platz? Bei einem Rundgang zu den historischen Palais' in Berlins alter Mitte hatte ich schon einmal etwas erschreckt festgestellt, dass dort fast ausschließlich Nachbauten unter Verwendung von Teilen der Ruinen stehen, die im Innern oft auch noch von vornherein auf eine neue Nutzung ausgerichtet wurden. Und dass ein in nummerierte Einzelteile zerlegtes Haus schon mal 50 Jahre später in der Nähe wieder aufgebaut wurde. Auch andere Bauwerke wie z.B. Kolonnaden sind durch die Stadt gewandert oder nach Kriegzerstörung wieder aufgebaut worden.

So passt die Geschichte von Berlins ältester Straße und ihrer Umgebung voll ins Bild. Die Breite Straße auf der Fischerinsel zwischen Mühlendamm und Schloßplatz war Berlins breiteste Straße, sie erschloss den Zugang zum Cöllner Fischmarkt. Aufgewertet durch den Bau des Stadtschlosses, wurde sie zur vornehmsten Straße der Residenz, höhere Hofbeamte errichteten hier ihre Wohnhäuser. Der DDR reichte die Breite nicht, die Flanke zum neues Staatsratsgebäude wurde aufgebrochen und verbreitert, ein historisches Wohnhaus dafür zerlegt und an die Spree versetzt.

Das Ribbeckhaus an der Breiten Straße auf der Fischerinsel ist Berlins ältestes Wohnhaus, es entstand 1624 aus der Zusammenlegung zweier Häuser und wurde selbst gute 30 Jahre später mit dem benachbarten Marstall (kurfürstlichen Pferdestall für 300 Pferde, Kutschen und Schlitten) verbunden. Anfang des 19.Jahrhunderts wurde ein drittes Geschoss aufgesetzt, die vier Ziergiebel, die den Renaissancecharakter des Hauses bestimmen, kamen aber wieder aufs Dach, der König hatte es so gewünscht. Beim Wiederaufbau nach Kriegszerstörung ließ die DDR "dekorative Zutaten" der Fassade weg, aber dieses Haus blieb - wenn auch über die Jahrhunderte vielfach verändert - an seinem ursprünglichen Platz stehen. Das Rundbogenportal mit den Wappen der Ribbecks, von zwei Engeln flankiert, ist eine Kopie, das Original soll aber noch erhalten sein.

Schlechter erging es dem Ermelerhaus, einem stattlichen Bürgerpalais von 1770 auf der gegenüber liegenden Seite der Breiten Straße, das der Verbreiterung im Wege stand. Waren zunächst noch am alten Standort die starken Kriegsbeschädigungen beseitigt worden, dann zerlegte man es und baute 1969 es am Märkischen Ufer auf einem hinzugefügten Sockelgeschoss mit Freitreppe neu auf. Das spätbarocke, vergoldete Treppengeländer und die Deckengemälde sind erhalten geblieben, ein Deckenausschnitt mit Goldeinfassung ist von der Straße aus sichtbar. Das nach ihm benannte Haus kaufte der Tabakfabrikant Ermeler 1824 von dem Tabakfabrikanten von Neumann, zusätzlich erwarb er dessen Fabrikanlagen. Es ist interessant, dass man in Berlins Industriegeschichte öfter auf die Zigarettenfabrikation stößt.

In der Breiten Straße steht links neben dem Ribbeckhaus samt altem Marstall als Eckgebäude der neobarocke Neue Marstall, der nach Kriegbeschädigungen einen "reduzierten Wiederaufbau" erfuhr, Figurenschmuck und Fassadendekorationen wurden teilweise weggelassen. Dafür wurden 1988 Reliefs zur Novemberrevolution 1918 angebracht, auf einer Darstellung schwebt Karl Liebknecht wie ein Engel über den revolutionären Massen und ruft die Sozialistische Republik aus. Heute wird der Bau von der Musikhochschule "Hanns Eisler" genutzt .

Auf der rechten Seite des Ribbeck-Hauses schließt sich der 1966 errichtete Erweiterungsbau der Berliner Stadtbibliothek an, die auch den Alten Marstall und das Ribbeckhaus belegt. Vorbei sind die Zeiten, als die Buchausleihe in der Sattelkammer des fast vollständig kriegszerstörten Alten Marstallgebäudes erfolgte. Die Fassade des Neubaus ist mit dem "A- Teppich" des Metallbildhauers Fritz Kühn geschmückt, er verwandelte Stahlblech in "Schriftstücke", 117 Mal schmiedete er den Buchstaben A in Stahl.

Unser abschließendes Flaniermahl nehmen wir am Hackeschen Markt im S-Bahn-Viadukt bei Lemkes Spezialitätenbrauerei ein, das wir gern als Ziel nehmen. Rustikales Essen, gutes Bier, flotte Bedienung. Heute sollen wir bei einer internen Befragung schriftliches feed-back geben, wir geben gute Noten.

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Im Text erwähnt wurden folgende Berichte:
> Wieder aufgebaute Palais in Mitte: Spiritus is ooch Nahrung
> Wandernde und wieder aufgebaute Kolonnaden: Kolonnaden
> Metallbildhauer Fritz Kühn: In Natureinsamkeit bei brausender Weltstadt
> Zigarettenfabrikation: Zigarettenfabriken
> Denkmale für Karl Liebknecht: Zum Denkmal bitte klingeln


Kein Spital an keinem Platz
Erfolgslose Buddelei