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Liebenswert, erotisch und subversiv


Stadtteil: Reinickendorf
Bereich: Wilhelm Hallen
Stadtplanaufruf: Berlin, Kopenhagener Straße
Datum: 7. September 2024
Bericht Nr.:846

Jedes Jahr im September feiert der Denkmalschutz traditionsgemäß landesweit die unter Schutz gestellten Zeugnisse der Vergangenheit unter einem besonderen Thema. Der Flaneur, der gerade über seinen 845. Stadtrundgang berichtet hat, findet dort nur noch selten unbekannte Ziele. So wurde heute für uns aus der Kombination Baudenkmal und Kunstgalerie ein individuelles Denkmalziel.

Dieses Zusammenspiel ist nicht ungewöhnlich, hier nur drei Beispiele: Der Hamburger Bahnhof als staatliche Galerie der Gegenwartskunst, das Ephraim-Palais, das vom Stadtmuseum bespielt wird oder die St. Agnes-Kirche, die eindrucksvoll für eine private Galerie umgestaltet wurde.

Art Weekend
Weitab von der Innenstadt ist ein neues Quartier in den Wilhelm Hallen in Wilhelmsruh entstanden. Es bietet Raum für Kunstfestivals, aber auch für andere Ausstellungen, Events, Messen oder Kongresse. Seit 2021 findet hier jährlich im September das Kunstfestival Art Weekend einen passenden Rahmen: In den alten Industriehallen steht mit 9.000 qm fast so viel Ausstellungsfläche wie im Hamburger Bahnhof zur Verfügung. In den monumentalen Hallen zeigen 20 Galerien, mehrere Sammlungen und Institutionen wie die Berlinische Galerie die Werke von 50 nationalen und internationale Künstlerinnen und Künstlern, eine beeindruckende Auswahl.

An der Straße deutet nur eine schmale Neorenaissance-Villa auf den Industriekomplex hin, der sich im Hintergrund auftut. Man sollte sich von der kitschigen Dame ohne Unterleib - einem über dem Eingang schwebenden Ballon - nicht verschrecken lassen, ihr ist das Motto der Ausstellung auf den Leib geschrieben: "Yes to all". Von Backsteinbauten der Fabrik flankiert, schreitet man zwischen den alten Werkhallen auf Halle C zu, über der eine weitere überdimensionale Dame um unsere Aufmerksamkeit wirbt. Hierzu später mehr.


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Die vielen Kunstwerke werden auf dem ausgedehnten Gelände hervorragend präsentiert. Mehrere Künstlerateliers und Hallen mit Gemeinschaftsausstellungen bieten den nötigen Raum und Platz. Die Hallen werden so zurückhaltend mit den Kunstinstallationen bespielt, dass sowohl die Hallen als auch die Kunstwerke ihren Reiz und ihre volle Größe entfalten können. Es ist aussichtslos, im Rahmen dieses Berichts die Kunstwerke im Einzelnen zu würdigen, wir beschränken uns auf zwei Künstler und verweisen auf unsere Bildergalerie.

Vergrabene Baumwoll-Leinwand
Eine ungewöhnliche Technik fesselt unsere Aufmerksamkeit: Die Künstlerin Vero Ryan bemalt Leinwände aus Baumwolle mit Acrylfarben, vergräbt sie dann für zwei bis drei Monate im Erdreich und näht die oxidierten Werke anschließend auf einen Trägerstoff. Im Raum aufgehängt, beginnen die oxidierten Farben von innen zu leuchten.


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Serielle "Field-Pulsation"
Peter Rohr, ein mit 24 Jahren gestorbener Künstler, wird zu seinem 80. Geburtstag mit der Ausstellung serieller "Field-Pulsation" geehrt. Typische Beispiele seiner Arbeitsweise sind: Ein Bild oder Objekt wird akribisch wiederholt, durch die serielle Aneinanderreihung entsteht ein neues Bild. Die Wiederholung „vergrößert“ die Eigenschaften des ursprünglichen Objekts. Eine nicht mehr auszumachende Zahl von Wiederholungen führt zu einem neuen, gerasterten Gesamtbild. Aus seinen "Filmmontagen" stammen die vier Positionen von zwei Körpern, die sich gemeinsam überschlagen.


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Bildgießereien
Wie sind bei unseren Stadtrundgängen auf mehrere Standorte von Bildgießereien gestoßen. Die Königliche Eisengießerei in der Invalidenstraße war die älteste, gefolgt von den Eisengießereien Borsig, Egells, Pflug, Wöhlert, Schwartzkopff an der Chausseestraße ("Feuerland"). Zwei Bildgießereidynastien gibt es, die innerhalb der Familie weitervererbt wurden: Die Gladenbecks in Friedrichshagen, und die Bronzegießerei Noack am Spreeufer, die wir bei einer Führung erkunden konnten. Jetzt kommt das ehemalige Fabrikgelände der Eisengießerei Carl Schoening in den Blick, auf deren Gelände nach 2014 die Wilhelm Hallen entstanden sind.

Eisengießerei Carl Schoening
Die langgestreckten Fabrikgebäude entlang der Kopenhagener Straße werden durch einen ungewöhnlichen Bau unterbrochen, das Direktionsgebäude der Eisengießerei Carl Schoening im Neorenaissance-Stil: Ein weiß eingefasster Backsteinbau mit Schmuckgiebeln nach zwei Seiten. Dahinter breiten sich auf 20.000 qm Grundfläche die Fabrikbauten aus: Eisengießereihalle, Maschinenhaus, Versand- und Werkstattgebäude, Gusslager und Schleiferei.

Das alles wurde um 1900 von einem Maurermeister entworfen, der offensichtlich in einer Baugewerkschule ausgebildet worden war. Die Hallenseiten sind aus roten Ziegeln aufgemauert und enthalten nur sparsames Ziegeldekor. Die flachen Werkshallen werden indirekt beleuchtet durch Sheddächer (Sägezahndächer unterschiedlicher Neigungswinkel mit Oberlichtern in der einen Schräge).


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Winkelhoff Gießereiprodukte
Albert Winkelhoff, der ehemalige Betriebsleiter, übernahm die Gießerei 1987. Sein Spezialgebiet war die denkmalgerechte Restaurierung von Metallerzeugnissen, sein Unternehmen "Winkelhoff Gießereiprodukte" wurde ein gefragter Restaurator bedeutender Denkmäler (z.B. Kreuzberg-Denkmal, Lessingbrücke, Straßenpumpen). 2014 musste er seinen Betrieb aus finanziellen Gründen schließen. Die Werkhallen sind im Original erhalten und blieben unberührt, bis sie behutsam restauriert und überarbeitet wurden für einen Neustart als "Wilhelm Hallen".

Wilhelmshallen
Der sperrige Name "Wilhelm Hallen" wurde gewählt, um sich von den "Wilhelmshallen" zu unterscheiden. Am Bahnhof Zoo, dort wo heute das Kino Zoo-Palast steht, waren 1906 die Ausstellungshallen mit diesem Namen erbaut worden. Eine der letzten Ausstellungen war 1912 „Die Frau in Haus und Beruf“, kurz darauf wurden die Hallen zum "Ufa-Palast am Zoo“ umgebaut. Das bei einem Bombenangriff beschädigte Gebäude wurde 1955 abgerissen.

Frauen in all ihrer Macht
Vom Eingang/Ausgang sehen wir in das Ausstellungsgelände der Wilhelm Hallen zurück. Ein Gemälde von Dorothy Iannone über der größten Halle zeigt eine überlebensgroße Frau in ihrer Nacktheit: "Frauen in all ihrer Macht: liebenswert, erotisch und subversiv". In einer Ausstellung in Antwerpen gab sie ihrem Werk den Titel "Liebe ist ewig, nicht wahr?“


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Ein Wasserlauf - mal ein Rinnsal - mal ein Bach