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Landschaftlich schönster Ort in der Umgebung


Stadtteil: Hermsdorf
Bereich: Waldseeviertel
Stadtplanaufruf: Berlin, Backnanger Straße
Datum: 27. August 2025
Bericht Nr.:867

In leichtem Bogen schwingt sich der Hermsdorfer Damm vom S-Bahnhof Hermsdorf zum Waldsee. Sein Beginn liegt weiter südlich in Waidmannslust an der Autobahn A 111, erst nördlich des Tegeler Fließes gehört er zu Hermsdorf. Obwohl es sich um eine Durchgangsstraße mit übergeordneter Bedeutung handelt, ist der motorisierte Verkehr wenig störend, weil er nur zwei Fahrstreifen von je 3 Meter zur Verfügung hat. Das Ortsbild wird geprägt durch einige Vororthäuser und -villen der Gründungszeit ab 1897, ergänzt um eine zweite Bauphase nach 1930 und die uneinheitliche Nachkriegsbebauung.

Freundliche Landhauskolonie
Einen ruhigen, fast beschaulichen Weg entlang des Hermsdorfer Damms und seiner Seitenstraßen haben wir vor uns. Es ist eine "freundliche Landhauskolonie, die ruhigen Seitenstraßen strahlen bürgerliche Behaglichkeit aus". Zweimal sind wir Radfahrern - einem Postboten und einem Anlieger - im Weg, als wir vor interessanten Häusern stehen bleiben. Beide sprechen uns freundlich an, wie normal das hier ist.

Gartenstadt und Waldkolonie Hermsdorf-West
Am Waldsee hatte die Boden-Aktiengesellschaft aus Berlin eine Filiale für die Vermarktung der "Gartenstadt und Waldkolonie Hermsdorf-West" eröffnet, „einem der landschaftlich schönsten Orte in der näheren Umgebung Berlins“. In einer Karte hatte sie für das "Waldseeidyll" (Waldseeviertel) alle Parzellen eingetragen, die sie seit den 1890er Jahren als Einzelgrundstücke und ganze Blocks veräußern wollte. Der Hermsdorfer Damm hieß damals (Neue) Bismarckstraße.


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Die Boden AG warb mit dem "landschaftlich schönster Punkt in der näheren Umgebung Berlins inmitten meilenweiter Waldungen und gesunder ozonreicher Luft". Begünstigt wurde ihre Tätigkeit durch den 1877 eingerichteten Bahnhof (Haltepunkt) an der Nordbahn, der zu einem Zustrom von Berlinern führte.

Der Ausflugsort lockte mit Etablissements wie "Bellevue", "St. Hubertus", "Kaiserhof", "Schützenhaus", "Paradiesgarten", "Lindengarten" und "Waldschlösschen" zum Schwoof und Tanz. Es gab einen künstlichen Wasserfall und eine Grotte, und von einem Aussichtsturm wurde "Die Post im Walde" trompetet. Und wie in anderen Ausflugsorten wurden dann auch Berliner dort sesshaft. Für 20 Pfennig kam man in gut 10 Minuten mit der Bahn zum Stettiner Bahnhof (heute Nordbahnhof) in Mitte. Innerhalb kurzer Zeit verdoppelte sich die Einwohnerzahl auf 6.000 Bewohner.

Gartenstadt?
Der Waldsee wurde ausgebaggert und in eine Parkanlage mit erlesenem Baumbestand eingebettet. Für Ruderboote gab es Stege. Eine Trinkhalle mit Märchenbildern wurde errichtet (die heute nicht mehr vorhandene Waldseehalle). Im Gegensatz zu anderen Terraingesellschaften in den Berliner Vororten verzichtete sie auf Vorgaben für die Bauherren und auf die Vermarktung eigener Bauten, so dass kein einheitliches Bild der Siedlung entstand. Geplant waren Häuser mit Gärten. Mit einer Gartenstadt nach dem sozialreformerischer Ansatz des Engländers Ebenezer Howard (genossenschaftliches Eigentum) hatte die Hermsdorfer Planung nichts zu tun, es ging um den volkstümlichen Begriff der Gartenstadt. Das Bezirksamt schrieb in einer Chronik, das Dorf sei 1914 "zur Gartenstadt herangewachsen".

Kolonie der Deutschen Volksbaugesellschaft
Im Waldseeviertel, dessen Grundstücke von der Boden-Aktiengesellschaft vermarktet wurden, errichtete die "Deutsche Volksbaugesellschaft" ab 1900 eine Kolonie von bescheidenen Wohnhäusern entlang der Backnanger Straße. Die Volksbaugesellschaft wurde 1890 von dem "Fürstenkonzern" - einer Gruppe preußischer Adeliger - ins Leben gerufen, um ärmeren Schichten der Bevölkerung preiswertes Wohnen auf dem Lande zu ermöglichen. Der Generalfeldmarschall Helmuth Graf von Moltke gehörte zu den Gründern, die Backnanger Straße war bis 1962 nach ihm benannt. Auch mit der Benennung der Moltkestraße in Lichterfelde wurde er geehrt, auch dort baute die Volksbaugesellschaft. In meinem Hermsdorf-Bericht von 2014 habe ich mich ausführlich mit dem Fürstenkonzern und seinen Bauten beschäftigt.

Weitere Bauten
Wie an einer Perlenkette aufgereiht liegen die uns interessierenden Bauten entlang des Hermsdorfer Damms. An der Ecke Falkentaler Steig ist ein Restaurant mit Tanzlokal aus dem Jahr 1897 erhalten geblieben, das zu den Etablissements des Ausflugsortes gehörte.

Schulen, Villen, Pavillon
Der Schulkomplex an der Fellbacher Straße wurde 1926 erbaut. Sein Vorgänger war das "Pädagogium" eine Straße weiter, das einem belgischen Schloss nachempfunden war. Im Stil der Reformarchitektur der 1920er Jahre erbaut ist der von Läden genutzte Pavillon mit Flachdach auf Höhe der Drewitzer Straße, dessen Mittelteil um eine Etage erhöht ist.


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Die Villa am Falkentaler Steig 16 ist mit der Geschichte der Judenverfolgung im Dritten Reich verknüpft. Sie war seit 1926 Jüdisches Waisenhaus, dann Jüdisches Kinderheim und schließlich Synagoge. 1942/43 nutzten die Nazis sie als Sammelstelle, um Juden in Vernichtungslager zu deportieren.

Ungewöhnliches Baumaterial für Wohnhäuser
In Wohnsiedlungen verbergen sich manchmal Häuser, die der Optik der umgebenden Bauten angepasst sind, aber aus ungewöhnlichem Material hergestellt wurden. Diese Häuser wurden industriell gefertigt und nach Katalog verkauft, es waren "Fertighäuser". Anders als bei der Siedlung mit industriell gefertigten Häusern in der Splanemannstraße, die der Berliner Stadtbaurat Martin Wagner in den 1920er Jahren errichtete - bei der Betonplatten erst auf der Baustelle zusammengefügt wurden (erste Plattensiedlung) - kommen diese Häuser bezugsfertig aus der Fabrik.

Kupferhäuser
In Berlin stehen mehrere Kupferhäuser, deren Fassade und Dach vollständig aus Kupfer bestehen, innen sind sie mit "Wohnmetall" verkleidet (Platten aus geprägtem Stahlblech). In Deutschland wurden fast 100 Kupferhäuser errichtet. Davon sind 20 Häuser erhalten, allein acht in Berlin. Beim heutigen Spaziergang geht es aber um einen anderen Baustoff:

Typen-Holzhaus
Im Einzugsgebiet des Hermsdorfer Damms findet sich an der Heidenheimer Ecke Schramberger Straße ein Typen-Holzhaus der Dresdner Werke Höntsch. In Sachsen waren deren Fertighäuser verbreitet, in Dresden-Stetzsch gibt es eine ganze Holzhaussiedlung Höntsch, deren Bewohner heute noch mehrheitlich dem ursprünglichen Siedlerverein angehören.


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Nun ist Holz heute kein ungewöhnlicher Baustoff mehr, wir haben beim Flanieren Bauten aus Holz in mehreren Bezirken erkundet. Erstaunlich ist, dass in den 1920er Jahren die Holzhäuser industriell gefertigt wurden und dass ein Produkt der Werke Höntsch als einzelner Bau den Weg nach Berlin gefunden hat. Hervorgehoben an einer Straßenecke, gibt es seine Materialität nur schwerlich preis.

Kirche Maria Gnaden
Jenseits der Bahn ist die katholische Kirche an der Ecke Olafstraße ein Blickpunkt. Der Kirchenbau Maria Gnaden wirkt sehr modern, wurde aber schon 1933 erbaut vom Stadtbaurat Josef Bischof. Ein rechteckiger weißgeputzter Baukörper mit einem niedrigen schwarzen Dach, seitlich ist ein runder Turm angebaut. Auf dem mächtigen Turmstumpf strebt die Turmspitze als schlankes, sich verjüngendes Kegeldach in den Himmel.


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Bevorzugte Lage am Weg zum Waldsee
Auf dem weiteren Weg zum Waldsee ändert sich der Charakter der Bebauung, weg von den Vororthäusern und -villen, hin zu repräsentativen Villen, meist im Englischen Landhausstil. Die Lage in Wassernähe macht sich hier bemerkbar. Der Architekt Heinrich Straumer entwarf zahlreiche Wohnhäuser für das gehobene Bürgertum in Berlin (und den Berliner Funkturm). Im Waldseeviertel hat er zwei Villen in dem von ihm favorisierten Landhausstil erbaut.

Erich Kästner
In der Parkstraße westlich des Waldsees wohnte vier Jahre lang der Schriftsteller Erich Kästner bei seiner Geliebten Friedel Siebert, mit der er ein Kind hatte. In der Stadt gab es noch eine Freundin, Luiselotte, die sich Hoffnung machte, ihn eines Tages zu heiraten. Sein geheimes Doppelleben blieb natürlich nicht auf Dauer verborgen. Die Gedenktafel an der Grundstücksmauer gibt das nicht preis. Lesen kann man dort nur die Tatsache, dass er in den 1960er Jahren dort lebte.


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Hermsdorf ist ein Ort mit interessanter Geschichte. Es gab eine Ziegelei, eine Solquelle, ein Kurbad, ein Waldsanatorium, ein Seebad und das Seeschloss. Unsere Berichte über frühere Erkundungen links und rechts der Bahn finden Sie hier:
Hermsdorf
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Unsere Route:
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Liebenswert, erotisch und subversiv