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Medizinprofessoren im Wettstreit


Stadtteile: Moabit, Wedding
Bereich: Nordufer, Friedrich-Krause-Ufer
Stadtplanaufruf: Berlin, Ellen-Epstein-Straße
Datum: 17. Mai 2021
Bericht Nr.:735

Eine bemerkenswerte Mixtur von Gesundheitsvorsorge- und Industriebauten bekommen wir auf unserem heutigen Spaziergang zu sehen, bei dem wir den Spandauer Schiffahrtskanal überqueren und damit von Wedding nach Moabit kommen. Zur Gesundheitsvorsorge erbauten ab 1897 zeitgleich der preußische Staat das Institut für Infektionskrankheiten und die Stadt Berlin das benachbarte Rudolf-Virchow-Krankenhaus. Zur Industriegeschichte gehören der Güterbahnhof Moabit und das Kraftwerk Moabit.

RKI - Robert-Koch-Institut
Seit einem Jahr werden täglich in allen Medien die Pandemiewerte gemeldet, die das RKI als seriöse wissenschaftliche Quelle ermittelt hat. Die Abkürzung ist uns präsent, sie steht für das "Königlich Preußische Institut für Infektionskrankheiten", das seit 99 Jahren den Namen von Robert Koch führt und von ihm geleitet wurde. Eine Cholera-Epidemie in Hamburg hatte Robert Koch unter anderem mit einem totalen Lockdown bekämpft - Abriegelung des Hafens, Schulschließungen, Einstellung des Verkehrs - es ist alles schon einmal dagewesen.

Der Arzt Robert Koch begründete die medizinische Mikrobiologie. Für seine Forschungen, vor allem zur Tuberkulose, bekam er den Nobelpreis. Doch seine Heilmittel und Therapien brachten ihn – teilweise erst nachträglich - ins Zwielicht. Wer sein Tuberkulin bekam, wurde oft fürchterlich krank, manche erholten sich wieder, andere starben. Seine spätere zweite Ehefrau hatte er geimpft und ihr gesagt, dass sie "möglicherweise recht krank werden könne, sterben würde sie voraussichtlich(!) nicht“. Tatsächlich erkrankte sie schwer. Das dunkelste Kapitel seiner Laufbahn - so schreibt es das RKI selbst - waren Menschenversuche in Afrika, um die Schlafkrankheit zu besiegen. Die deutsche Kolonialmacht brauchte die Afrikaner als gesunde Arbeitskräfte und entsandte ihn nach Ostafrika. Viele der mit einer arsenhaltigen Arznei Behandelten erblindeten oder starben, trotzdem erhöhte er noch die Dosis.

Im Dritten Reich wurde der Propagandafilm "Robert Koch - Bekämpfer des Todes" gedreht mit Emil Jannings in der Hauptrolle. Der Film wurde mit allen Filmpreisen ausgezeichnet als staatspolitisch, künstlerisch, kulturell und volkstümlich wertvoll. Er transportiert die nationalsozialistische Ideologie, Erfolge könnten nur über Opfer erzielt werden. Auch andere nutzten seinen Namen: Nach Robert Koch wurden ein Gletscher, ein Asteroid und ein Mondkrater benannt. Schon zu Lebzeiten war Robert Koch sich seiner Wirkung bewusst und so setzte er sich ein Denkmal, indem er ein Mausoleum im Robert-Koch-Institut als letzten Ruheplatz forderte und auch bekam. Zwar gibt es seit dem Preußischen Allgemeinen Landrecht eine Friedhofspflicht, trotzdem musste nicht dieser Teil des Instituts zum Friedhof erklärt werden: Robert Koch war eingeäschert worden, das Gesetz kannte und regelte damals keine Feuerbestattung.

Eine Duplizität: Am Kanal gegenüber liegt das Friedrich-Krause-Ufer, benannt nach dem Berliner Stadtbaurat, der den Westhafen erbaut hat. In der Verlängerung der Uferstraße, der Westhafenstraße, ist in einer Mauer die Urne mit der Asche von Friedrich Krause eingefügt worden. Noch eine Randnotiz: Für die plastinierten Leichen, die in den „Körperwelten“ zur Schau gestellt werden, besteht keine Bestattungspflicht, urteilte ein Gericht.

Rudolf-Virchow-Krankenhaus
Das Rudolf-Virchow-Krankenhaus wurde zeitgleich mit dem Robert-Koch-Institut in dessen unmittelbarer Nähe am Spandauer Schiffahrtskanal erbaut. Rudolf Virchow war Schüler von Koch, doch als Medizin-Professoren wurden sie zu fachlichen Gegenspielern. Virchow hatte bestritten, dass Tbc Bazillen sind, nannte die Theorie abwertend "Bazillenzirkus", bis Koch seine Theorie mithilfe der Mikrobiologie bewies. Als Koch das Heilmittel Tuberkulin entwickelt hatte, war Virchow obenauf, er konnte beweisen, dass das Mittel nicht nur unwirksam war, sondern Krankheitsverläufe sogar verschlimmerte.

Der Berliner Stadtbaurat Ludwig Hoffmann erbaute das Rudolf-Virchow-Krankenhaus als "Gartenstadt für Kranke" mit 57 freistehenden Gebäuden (Pavillons). 1906 mit 2.000 Betten eröffnet, galt es als das modernste Krankenhaus Europas. Für die Arbeiterschar der großen Weddinger Industriebetriebe wie Schering, AEG und Osram diente es als kommunales Versorgungskrankenhaus, das auch die Volkskrankheiten Tuberkulose, Alkoholismus und Syphilis behandelte, die in der Arbeiterbevölkerung besonders verbreiteten waren. Als Wirtschaftsgebäude waren ein Elektrizitätswerk, ein Wasserwerk und eine Wäscherei eingerichtet worden.

Wohnanlage Amrumer/Limburger Straße
Ende der 1920er Jahre entstand an der Limburger Ecke Amrumer Straße eine Wohnanlage von "beachtenswerter künstlerischer Vielfalt". Albert Gessner verwirklichte bei seinen Bauten die Idee, den Wohnungsbau "nach künstlerischen Grundsätzen" auszurichten. Auch hier zeichnet sich sein Wohnblock dadurch aus, dass er um einen nicht bebauten Innenhof gruppiert ist.

Die Loggien mit Rundbögen in den Straßenfassaden sind mit violetten Klinkern verkleidet und teilweise als Mittelrisalite aus der Fassadenfront vorgezogen. Wie ein Turm wirken die Eckbauten, die sich durch ihr Volumen und die Höhe von den übrigen Baukörpern abheben. Unter einem weit überstehenden Dach weisen sie ein zusätzliches Geschoss auf.


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Auer-Gesellschaft, Architekt Egon Eiermann
Der Architekt Egon Eiermann erbaute 1938 für die Auer-Gesellschaft einen modernen viergeschossigen Fabrikbau mit Laboratorien, Verwaltungsräume und Produktionsflächen. Die Auer-Gesellschaft produzierte zunächst Glühstrümpfe für die Gasbeleuchtung ("Auerstrumpf"). Später ließ sie sich die Metallfadenlampe patentieren und gründete mit Siemens und AEG zusammen den Glühlampenhersteller Osram.

Der Fabrikbau passt nicht in die Ideologie der nationalsozialistischen "Baugesinnung", moderne Architektur und Neues Bauen waren verfemt. Erstaunlicherweise konnten Industriearchitekten trotzdem weitgehend ideologiefrei bauen. Egon Eiermann wurde wegen kriegswichtiger Produktion vom Kriegsdienst freigestellt. Er errichtete unter anderem die Total-Werke im thüringischen Apolda (Feuerlöscher, Flammenwerfer, Granaten) und die Märkischen Metallbauwerke in Oranienburg. Sein winkelförmiger, kubischer Bau mit Flachdach am Friedrich-Krause-Ufer stand nur deshalb unter Abrissvorbehalt, weil Albert Speer im Rahmen seiner "Germania"-Planungen im Südosten Moabits einen Nordbahnhof nahe der „Großen Halle des Volkes“ errichten wollte. Heute befindet sich die Ausländerbehörde in dem ehemaligen Fabrikbau.

Landesamt für Einwanderung
Willkommen, Bienvenu, Welcome - nein, wir sind hier nicht beim Titelsong des Musicals "Cabaret", sondern beim "Landesamt für Einwanderung". Ein Wandbild "Willkommen in Berlin" begrüßt (verspottet?) die hier in langer Schlange anstehenden Ausländer. Ändert sich die Realität, wenn man etwas umbenennt? Das ist die unbeirrbare Hoffnung der Politik. Aus dem Lehrling wurde der Azubi (Auszubildende), aus dem Arbeitsamt die Arbeitsagentur, der Ort der Irrenanstalt Dalldorf wurde in Wittenau umbenannt, wird aber weiter mit Nervenleiden assoziiert ("Bonnies Ranch"). Und jetzt auch dies: Aus der ins Gerede gekommenen Ausländerbehörde wurde im letzten Jahr das "Landesamt für Einwanderung". Sprachlich ein Willkommensamt, was aber sofort durch die Behördengliederung widerlegt ist. Erst die dritte Abteilung im Organigramm beschäftigt sich mit Einwanderung. Die erste Abteilung bearbeitet Asylangelegenheiten, weitere Abteilungen sind für Abschiebung ("Rückführung") und Prozesse zuständig. Ich spreche hier nicht über die Asylpolitik, sondern nur über ein neues Beispiel sprachlicher Vernebelung, zusätzlich aufgeladen mit einem geschmacklosen Wandbild.

Heizkraftwerk Moabit
Am Friedrich-Krause-Ufer beherrscht das Kraftwerk Moabit die Skyline östlich der Puttlitzstraße. Der älteste Teil mit dem Türmchen an der Maschinenhalle, diese mit riesigem Rundbogenfenster, wurde 1900 von den Berliner Strombetrieben (damals noch BEW) in Betrieb genommen. "Das Kraftwerk dokumentiert die wechselvolle Geschichte der Stromversorgung in Berlin" schreibt das Denkmalamt.


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Vielfach wurde modernisiert und umgebaut, heute sind nur noch einige der historischen Gebäude erhalten. Zur Anlage gehören ein Umspannwerk und ein moderner Heizblock.

Güterbahnhof

In der Nachkriegszeit hat die Ellen-Epstein-Straße den ehemaligen Güterbahnhof Moabit unter sich begraben. Auch Verkaufshallen eines Baumarkts und eines Discounters wurden auf dem ehemaligen Bahngelände errichtet. Dadurch sind die Spuren weitgehend beseitigt worden, die an die Transporte jüdischer Mitbürger in die Konzentrationslager mit Güterwagen seit 1942 erinnerten. Moabit war der größte der drei Deportationsbahnhöfe Berlins neben dem Bahnhof Grunewald und dem Anhalter Bahnhof.

Vor vier Jahren wurde ein Gedenkort auf einer verbliebenen Grünfläche zwischen den Verkaufshallen eingeweiht. Mit den eng gepflanzten Kiefern ist er ein lebendes, wachsendes Mahnmal. Dazu gehört ein verbliebener Rest des Deportationsgleises und der gepflasterte Zuweg von der Quitzowstraße aus.

U-Bahnhof Birkenstraße
Gefühlt eine Ewigkeit zieht sich der Umbau des U-Bahnhofs Birkenstraße hin, der begonnen wurde, um einen zusätzlichen Ausgang zu schaffen und einen Fahrstuhl einzubauen. Die BVG nimmt sich die "künstlerische" Freiheit, den Bahnhof in neuem "Design" zu präsentieren. Beide Begriffe stehen hier bewusst in Anführungszeichen, am Bahnhof Walter-Schreiber-Platz kann man beispielhaft sehen, dass die frühere Gestaltung nicht mehr zählt und eine phantasielose Hülle angeboten wird. Dort wird der Bahnhofsname in einzelne Großbuchstaben zerlegt auf riesigen Feldern die Wände entlang angezeigt. Wahrscheinlich damit man so schnell wie möglich Reißaus nimmt und den Bahnhof verlässt.

Und so kann es sein, dass man die Wände des U-Bahnhofs Birkenstraße in ihrer heutigen Gestalt als vollendet wähnt, das Zahlenspiel auf nackten Steinen ist schon lange alltäglicher Anblick. Aber nein, die Bahnsteigwände sollen grau gefliest werden, dazwischen womöglich Bilder von einem Birkenwald. Soll das ein Bahnhof im Heimatstil werden?


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Wissenschaftler/innen - zu denen auch die ehemalige Vorsitzende des Denkmalbeirats gehört - haben gegen die Umgestaltungen von 11 Bahnhöfen protestiert, weil ohne Not das historisch gewachsene Bild unwiederbringlich zerstört wird. Das beirrt die BVG überhaupt nicht. Dabei steht nicht einmal ein Gesamtkonzept hinter der "Modernisierung", die Bahnhöfe werden einfach beliebig verändert. Vorbei sind die Zeiten, als Stadtarchitekten wie Alfred Grenander, Rainer G. Rümmler und Bruno Grimmek einer U-Bahnlinie ein Profil gaben, sie mit einheitlicher Gestaltung vorzeigbar und wiedererkennbar geformt haben.
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Unsere Route:
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Enttrümmern und einen Baum pflanzen
Es wird zuviel Wirklichkeit gezeigt