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Aus wilden Schwänen werden schöne Prinzen


Stadtteil: Mitte
Bereich: Festival of Lights
Stadtplanaufruf: Berlin, Bebelplatz
Datum: 6. September 2021
Bericht Nr.:746

Den Parthenon-Tempel in Athen kennen wir, wie er in weißem Marmor erstrahlt, der typischen Farbe eines Tempels - oder? Auch wenn sich die Erkenntnis nur mühsam durchsetzt: Das Bild der marmorweißen Antike stimmt nicht, die Tempel - auch der auf der Akropolis - waren ursprünglich farbig, manchmal quietschbunt. Das diskutiert man seit zwei Jahrhunderten, aber offensichtlich weicht es so sehr vom verinnerlichten Wunschbild ab, dass sich diese Einsicht im allgemeinen Bewusstsein nicht verankern konnte. Als letzte Bestätigung hat vor ein paar Jahren ein Wissenschaftler die Farbe "Ägyptisch Blau" an einer Giebelverzierung des Parthenon-Tempels nachgewiesen. Tempel waren bemalt, es gab satte Rot- und Blautöne, auch auf den Reliefs und Giebelfiguren.

Waren auch gotische Kathedralen polychrom? Als man die Portale der Kathedrale von Amiens restaurierte, hat man Farben wie Rot, Blau, Grün entdeckt und das zum Anlass für eine Lichtinstallation genommen: Bei Dunkelheit werden die Originalfarben auf die Statuen projiziert. Durch eine lichtdurchlässige Leinwand angestrahlt, werden die realen Statuen in ihrer ursprünglichen Farbigkeit gezeigt, genauso die Nischen und Aufbauten. Welch eine Überraschung. Mit fast kindlichem Staunen sieht man, wie ein monochromer Koloss sich in ein filigranes Kunstwerk verwandelt.


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Dieses Staunen will auch das Festival of Lights aus uns herauskitzeln, es malt Bauwerke mit dem Projektor an. Doch nicht, um sie in ihren historischen Zustand zurückzuversetzen. Vielmehr wird mit der Lichtshow ein Bauwerk geschickt verfremdet oder zur Projektionsfläche von Phantasien und Visionen gemacht. Es ist eine eigene Kunstgattung, keine archäologische Rekonstruktion. Das Thema in diesem Jahr ist "Creating Tomorrow": Wie soll unsere Zukunft aussehen? Eine Frage, die in den aktuellen Wahlkampfwochen von Politikern dauernd beschworen wird, doch meist fehlen die Visionen dazu, wo es hingehen soll und wie man dort hinkommt und die Menschen mitnimmt.

Das Festival bemüht sich, in ihrer App alle Beschreibungen zu den Foto- oder Videoprojektionen auf den Gebäuden verbal mit "Zukunft" zu verbinden, was nicht immer gelingt. Das sagt nichts über die Projektionen selbst aus, sondern nur über die Qualität der Texte. Vor Jahren hatte ich mich gefragt, ob es noch eine Steigerung des Festivals gäbe, und deshalb mehrere Jahre Pause gemacht.

Jetzt bin ich begeistert über die Videoshows, die eine komplette Choreografie mit perfekter Musikbegleitung bieten. Häuser altern und werden wieder jung, Gebäudekanten brechen plötzlich auseinander, Fenster bewegen sich aus dem Gebäude heraus, mal steht man vor einem Wasserfall, dann schwimmt ein Hai vorbei. Man ist mittendrin in einem Ritt durch Jahreszeiten und Epochen.


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Auf unserem Rundgang vom Dom zum Potsdamer Platz ist die Rundum-Illumination am Bebelplatz ein besonderes Highlight. Staatsoper, Hedwigs-Kathedrale und Kommode mit ihren projizierten Standbildern bilden den Rahmen für eine rasante Videoshow auf der breiten Fassade des Hotels de Rome. Dazu gehören Tierwelten, Regenwälder, Wasserfälle, Unterwasserwelten. Die Humboldt-Uni gegenüber zeigt im Standbild Interaktionen zwischen Wissenschaft, Gesellschaft und Kultur, die sich nicht auf einen Blick erschließen, sondern mit forschendem Hinschauen ergründet werden wollen.

Zu längerem Verweilen hat uns das Konzerthaus am Gendarmenmarkt angereizt. "Das große Geschenk der Musik, Spektakel aus Licht und Klang" ist eine eindrucksvolle Inszenierung mit perfekt synchronen Bildfolgen, Farben und Klängen. Von der Oper bis zu elektronischer Musik mit wechselnden Farbstimmungen der Fassade von klassisch bis pink. Vom Grammophon über die Musikkassette bis zu professionellen Studioanlagen, deren Regler auf die Säulen projiziert werden, es wird kaum etwas ausgelassen und alles in flottem Tempo projiziert.


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Das Bodemuseum auf der Museumsinsel und die Botschaft Kanadas am Leipziger Platz zeigen bewegte Architekturinszenierungen. Am Potsdamer und Marlene-Dietrich-Platz stehen Erde und Mond als Objekte. Unspektakulär, so wie wir sie von unzähligen Abbildungen kennen. Den Bezug zum Thema "Creating Tomorrow" versucht der Veranstalter verbal herzustellen: Installation "Erde" als unübersehbares Mahnmal für unerlässliches Um- und Neudenken - Feuerball "Mond", sichtbares Zeichen für die intensive Beschäftigung mit der eigenen Zukunft und der künftiger Generationen. Jetzt wissen wir, warum sie dort stehen.

Auf dem künstlich angelegten See am Potsdamer Platz schwimmen künstliche Schwäne in synchroner Bewegung. Der Piano-See ehrt den Architekten Renzo Piano, der den Masterplan für den Potsdamer Platz entworfen hat. Dort hinter dem Stage-Theater wachsen aus dem Wasser vier mit rostiger Patina überzogene Stahlträger empor. Sie bilden mit weiteren Elementen einen Knoten, aus dessen Zentrum Blitze in den Himmel zucken. Der Metallbildhauer Mark di Suvero hat mit dieser Skulptur den Gelehrten Galileo Galilei geehrt, dessen Forschungen zur Schwerkraft und zur Bewegung von Himmelskörpern zu einem revolutionären Weltbild führten. Dies passt zu dem Motto des diesjährigen Festivals "Creating Tomorrow".

Die Schwäne bewegen sich zu kontemplativer Musik, Bilder und Töne verschmelzen zu einem Ganzen. Hier könnte man den Namen "Piano-See" auch auf die leisen Töne der Musik beziehen. In der App wird beschrieben, dass mit dieser Installation "Die wilden Schwäne" aus Hans Christian Andersens Märchen lebendig werden. In dem Märchen verbirgt sich Elisa hinter einem Busch und sieht, wie elf wilde Schwäne sich in elf schöne Prinzen verwandeln. Solches ist uns nicht widerfahren, vielleicht wird diese Sequenz nach dem Slogan "Creating Tomorrow" erst in der Zukunft angefügt.

Unserer Freude über neue Bilder, Proportionen und Töne in der abendlichen Stadt hat das keinen Abbruch getan.

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Frühere Festival-of-Lights-Beiträge:
Festival Of Lights
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... ACHTUNG, es folgen ZWEI Bildergalerien ...
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... Gendarmenmarkt, Schauspielhaus ...
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Bewegung unter der Straße
Gemeinsam auf die Ewigkeit warten