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Ein Freund, ein guter Freund


Stadtteil: Zehlendorf
Bereich: Steinstücken, Kohlhasenbrück
Stadtplanaufruf: Berlin, Neue Kreisstraße
Datum: 30. März 2022
Bericht Nr.: 767

Den Ortsteil Steinstücken erreicht man, von Wannsee kommend, indem man Stolpe und Kohlhasenbrück durchquert. Der Straßenverlauf stimmt mit immer wieder neuem Herumkurven von einer Ecke zur nächsten auf den Grenzverlauf zwischen Berlin-Wannsee und Potsdam-Babelsberg ein. Nur auf der Landkarte kann man nach dem Mauerfall noch nachvollziehen, ob man sich noch im Stadtgebiet oder im umgebenden Bundesland befindet, die Grenze geistert hin und her mit immer neuen Zacken und Winkeln.

Aus der Mitte des Griebnitzsees schwingt sich die Grenze im rechten Winkel mit einer Spitze an die Neue Kreisstraße heran, weicht von ihr wieder zurück, um sie schließlich zu schneiden. Die Bahnanlagen überwindet sie mit mehreren zinnenartigen Vor- und Rücksprüngen, zuckt noch einmal am Königsweg, um dann nach Albrechts-Teerofen entlang des Teltowkanals eine Landzunge auszubilden, die sich weit in Stahnsdorf hineinbohrt. Durch einen Gebietsaustausch wurde 1971 die Enklave Steinstücken an Berlin angeschlossen: Die Grenze an der Bernhard-Beyer-Straße wurde geöffnet, an beiden Seiten der einen Kilometer langen Straße nach Steinstücken eine Mauer hochgezogen.


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Kontrollunkt Dreilinden
Die mäandernden Grenzverläufe haben zu manchen ungewöhnlichen Begebenheiten geführt. Durch Albrechts-Teerofen führte die erste Autobahn im Berliner Raum, der 1940 fertiggestellte Avus-Verbinder. Während der Teilung Berlins war das die Transitstrecke von West-Berlin in die Bundesrepublik. Auf der Autobahn fuhr man von Berlin-Zehlendorf aus erst mehrere Kilometer unkontrolliert durch die DDR, bevor man den westlichen Kontrollpunkt Dreilinden erreichte und danach wieder in die DDR kam. Der West-Kontrollunkt Dreilinden lag am Ende der schmalen Gebietszunge von Albrechts-Teerofen, die an drei Seiten von der DDR umgeben war. Der DDR-Kontrollpunkt "Nowawes" befand sich weiter südlich. 1969 verlegte die DDR die Autobahn in östlicher Richtung, so dass sie nur durch ihr Gebiet führte.

Dreilinden verlor die Anbindung, wurde funktionslos. Berlin baute eine neue Kontrollstelle an der Avus direkt an der Stadtgrenze, die DDR eine neue Kontrollstelle Drewitz. Die Markierungen des alten Kontrollpunkts Dreilinden verwittern seitdem auf der Fahrbahn. Das durch den Wald führende, stillgelegte Autobahn-Teilstück ist als Ausgleichsmaßnahme an die Natur zurückgegeben worden, nachdem es eine Zeit lang für Filmaufnahmen begehrt war.



Neue Kreisstraße
Die Neue Kreisstraße, die über die Stadtgrenze nach Potsdam hineinführt, erhält für uns heute eine doppelte Bedeutung: Wir fahren einmal im Kreis. Wegen der Entfernungen zwischen unseren Zielen Kohlhasenbrück und Steinstücken sind wir heute ausnahmsweise mit dem Auto unterwegs. Das Navi hat uns nicht gut geführt, wir sind in Steinstücken angekommen, ohne an der Kreisstraße anzuhalten. Eine Schleife durch Babelsberg bringt uns zur Kreisstraße zurück.

Doppelhaus Nather
An der Neuen Kreisstraße hat der Architekt Heinz Nather in Sichtweite der Mauer 1964 ein Doppelhaus errichtet, ein außergewöhnliches Künstlerhaus mit großflächigen Wandfeldern und Fensteröffnungen. In der Höhe gestaffelt mit zwei oder drei Geschossen, sind die Haushälften gegeneinander abgesetzt. Durch die Stahlskelett-Bauweise sind fast stützenfreie Räume mit offenem Grundriss entstanden.


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Der Architekt Heinz Nather hat zusammen mit Klaus Kirsten "unkonventionelle Einfamilienhäuser und baukünstlerisch herausragende Fabrikationsgebäude" entworfen. Dazu gehören der Industriebau für Rotaprint in Wedding und ein Einfamilienhaus im Rahmen der Interbau 1957: Das Haus Blumenthal, ein "lichtes, luftiges, durchlässiges Haus mit integrierter Arztpraxis" aus Klinker und Sichtbeton.

Landgut Eule

Der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. begeisterte sich für die Jagd. In dem Waldgebiet, das sich vom Süden Berlins bis nach Potsdam erstreckt, ließ er 1725 die Parforceheide herrichten, um dort Hetzjagden (Parforcejagden) zu veranstalten. Das Jagdgebiet lag südlich des heutigen Teltowkanals. Der Kanal war ab 1900 gebaut worden, er bezog die Bäke mit ein, die von Steglitz bis zum Griebnitzsee als wasserreicher Bach in einem sumpfigen Tal floss. Einen passierbaren Übergang im ausgedehnten Bäke-Sumpfgebiet gab es seit 1470 nahe der heutigen Bäkestraße von Kohlhasenbrück. In der Nähe ließ der Soldatenkönig ein Forstgut errichten für die Wildwärter, die gleichzeitig als Zaunwärter das eingezäunte Jagdrevier zu beaufsichtigen hatten.

Im Laufe der Jahrhunderte wurde das Forstgut als "Landgut Eule" an Kolonisten vergeben, an Sommergäste vermietet, für Sprengstoffexperimente genutzt, und für Metallforschung, für Blitzversuche. Auf der schmalen Gebietszunge nach Albrechts-Teerofen ging die Grenze mitten durch das Gut. Die Potsdamer Gebäudeteile wurden 1945 gesprengt, das Haus auf Berliner Territorium wurde als Wohnhaus ausgebaut. Heute werden dort Veranstaltungen organisiert ("Wir mögen Privatpartys, Lautstärke ist kein Thema") und man kann Ferienwohnungen mieten. Das Landgut liegt "in der Botanik", wie der Berliner sagen würde, Shuttleservice zum S-Bahnhof mit Floß oder Auto wird angeboten.

Wannseebahn und der Wetzlarer Bahn
Nördlich von Steinstücken teilen sich die bis dahin parallel verlaufenden Bahnkörper der Wannseebahn und der Wetzlarer Bahn. Die Wannseebahn fährt über Steglitz und Zehlendorf nach Potsdam. Auf einem Teil dieser Strecke verkehrten auch die Bankierszüge, die die Villenvororte mit dem Stadtgebiet verbanden. Die Wetzlarer Bahn wurde als Kanonenbahn von Berlin bis zur französischen Grenze eingerichtet, das Militär hatte im deutsch-französischen Krieg die strategische Bedeutung der Eisenbahn entdeckt und erfolgreich für Truppentransporte eingesetzt. Heute sind auf dieser Trasse, die Steinstücken durchquert, der ICE, Regionalzüge nach Dessau und die ODEG nach Jüterbog über Michendorf unterwegs.

Stammbahn
Zwei weitere Bahnstrecken in der Umgebung sind stillgelegt, aber nicht aus dem öffentlichen Bewusstsein entschwunden. Die erste Eisenbahn in Preußen fuhr 1838 von Berlin nach Potsdam. Diese Stammbahn wurde 1980 eingestellt, nachdem in der geteilten Stadt zuvor nur noch einzelne Abschnitte in Betrieb waren. Gleisanlagen, die erhalten blieben, sind überwuchert, andere Bahnanlagen verfallen. Auf unserem Rundgang gehen wir in der Machnower Straße unter einer Brücke der Stammbahn hindurch. Gleisanlagen sind dort oben nicht mehr vorhanden, aber ein "Jahresstein" im Durchgang erinnert an die Stammbahn, wenn man den Text unter den Beschmierungen entziffert hat. Die Bahnlinie führte von dort zum Bahnhof Griebnitzsee nördlich von Steinstücken.

Friedhofsbahn
In Wannsee bog eine Bahnlinie nach Stahnsdorf ab, sie überquerte östlich von Albrechts-Teerofen den Teltowkanal und endete am Südwestkirchhof Stahnsdorf. Als in der Stadt die verfügbaren Begräbnisplätze knapp wurden, ließ der evangelische Berliner Stadtsynodalverband 1909 in Stahnsdorf Deutschlands zweitgrößten Friedhof anlegen. Mit der neuen Bahnlinie wurde 1913 dieser Friedhof an das Berliner Bahnnetz angebunden ("Friedhofsbahn"). Genutzt wurde die Bahn für die Friedhofsbesucher und für die Leichentransporte. Vorher mussten die Verstorbenen mit Kutschen nach Stahnsdorf transportiert werden. Jetzt richtete man für den Bahntransport im Güterbahnhof Halensee eine "Leichenabfertigungshalle" ein. In der Nachkriegszeit lag Stahnsdorf in der DDR, 1953 stellte die Reichsbahn den Betrieb ein, nachdem West-Berliner nicht mehr in die DDR einreisen durften. Gleise und Bahnanlagen sind danach zum größten Teil abgebaut worden.

Steinstücken
Auch Steinstücken hatte eine absurde Grenzsituation. Es gehörte zum Dorf Stolpe in West-Berlin, war aber räumlich nicht mit ihm verbunden. Steinstücken lag als Exklave in der DDR und war nur über eine von der DDR kontrollierte Straße erreichbar. Mit Strom und Wasser wurde es aus der DDR versorgt. 1951 marschierte die DDR-Volkspolizei ein, aber die entschiedene Reaktion der amerikanischen Besatzungsmacht verhinderte die Übernahme. Das wiederholte sich nach dem Mauerbau 1961, aber der energische Zugriff des ehemaligen amerikanischen Stadtkommandanten und seinerzeitigen Sonderbotschafters der USA Lucius D. Clay rettete Steinstücken ein weiteres Mal. Er stationierte drei amerikanische Soldaten dort und flog die Flüchtlinge aus, die wegen des Mauerbaus Schutz in Steinstücken gesucht hatten. An den damals eingerichteten Hubschrauberlandeplatz erinnert ein Denkmal aus zwei Rotorblättern.

Der Luftraum über der Eisenbahn
Ab 1961 kontrollierte die DDR-Volkspolizei den Zugang nach Steinstücken. Nur wer mindestens einen zweiten Wohnsitz dort hatte, wurde durchgelassen. Als Konsequenz meldeten sich beispielsweise bei einem Bewohner mehr als 30 Freunde und Verwandte mit Zweitwohnsitz an. Erst der Gebietsaustausch 1971 brachte den ungehinderten Zugang für alle. Allerdings musste für die Brücke über die Wetzlarer Bahn - die Steinstücken im Einschnitt durchfährt und zur DDR gehörte - eine Sonderregelung gefunden werden. So begann Berlin erst von der Brücke aufwärts, unter der Brücke war DDR.

Ein Freund, ein guter Freund
Die Filmmelodie haben wir im Ohr: "Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Beste, was es gibt auf der Welt". Gedreht wurde der Musical-Film "Die Drei von der Tankstelle" u.a. mit Heinz Rühmann und Willy Fritsch in einem Landhaus in Steinstücken, das Erich Mendelsohn 1928 für den Sozialmediziner Curt Bejach gebaut hat. Bejach hatte als Stadtarzt in Kreuzberg das kommunale Gesundheitswesen zehn Jahre lang entscheidend geprägt, bis die Nazis ihn vertrieben und umbrachten.

Das Haus steht im hinteren Teil eines tiefen Grundstücks, es ist ein Gesamtkunstwerk: Eine Pergola verbindet Haus und Grundstücksmauer. Alle Hausflächen und alle Mauerteile sind horizontal gegliedert mit Bändern aus drei Lagen Backstein, denen stets eine zurückspringende, hell verputzte Lage folgt. Das Haus mit rechteckiger Grundfläche ist sowohl in der Längsrichtung als auch in der Querrichtung symmetrisch. Auch die von Mendelsohn entworfenen Einrichtungsgegenstände und Schrankwände berücksichtigen diese Grundrissplanung.


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Lehm-Pisé-Bauten
Ein Landarbeiter hat 1834 die Kolonie Steinstücken zu einem Wohngebiet ausgebaut. Wie ein Terrainentwickler agierte Carl Gottfried Schmidt durch Parzellierung, Bebauung und Verkauf der Häuser - nur im Kleinen. Es waren karge Wohnhäuschen mit kleinen Ställen und Scheunen und etwas Gartenland zur Selbstversorgung, die er ausschließlich an minderbemittelte Arbeiterfamilien verkaufte. Er baute mit Lehm, eine Lehmgrube befand sich in der unmittelbaren Nachbarschaft. Mit der Lehm-Pisé-Technik erzeugte er Stampflehm, der erdfeuchte Lehm wurde durch Stampfen verdichtet.

Die Lehmkaten waren mit Stroh gedeckt und enthielten Stube und Küche. Er selbst wohnte in einer solchen Kate am Johannes-Niemeyer-Weg 16, dort liegen die sechs von Schmidt erworbenen Parzellen nebeneinander. Weitere Katen sind dort erhalten geblieben und als Baudenkmale geschützt. Eine Lehmscheune steht in der Straße Malergarten, sie ist am Verfallen.


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Nachdem wir zu Anfang an der Kreisstraße im Kreis gefahren waren, nehmen wir bei der Rückfahrt den direkten Weg und legen in Wannsee bei Mutter Fourage einen Zwischenstopp ein, um das Flanieren nun schon traditionsgemäß mit Kaffee und Kuchen abzuschließen.
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Unsere Route:
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Wandervögel und Luftfahrtpioniere
Ein Villenviertel wandelt sich