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Sowjetsoldat wird zum Kühemelken abgestellt


Stadtteil: Lichtenberg
Bereich: Lindenhof
Stadtplanaufruf: Berlin, Gotlindestraße
Datum: 21. September 2020
Bericht Nr.:712

Auf manchen Berliner Straßenschildern sind Erläuterungen zu den Namen aufgesteckt. Eine freundliche Handreichung, die wir andererseits öfter vermissen. Dann müssen wir auf den Straßenführer Kaupert im Internet zurückgreifen, der den Erfahrungsschatz des Luisenstädtische Bildungsvereins präsentiert. Kriemhild - so lesen wir in der Kriemhildstraße - "Gestalt aus dem Nibelungenlied, rächt den Tod Siegfrieds". Das ist Allgemeinwissen: Die beiden sind sich begegnet, waren ein Paar, und so laufen die Siegfriedstraße und die Kriemhildstraße parallel. Die Hagenstraße drängt sich zwischen beide, und auch das entspricht der Nibelungensage, war Hagen doch der Mörder Siegfrieds.

Zwangs-Erziehungsanstalt Lindenhof
Die Kriemhildstraße führt auf den Lindenhof zu, der als Zwangs-Erziehungsanstalt für verwahrloste und kriminell gewordene Jungen gebaut worden ist. Man kann sich vorstellen, dass diese "Erziehung" eine Mischung von Zwangsbeschäftigung und Strafvollzug war, dass militärischer Drill vorherrschte. Dass man sie damit zu "tätigen und nützlichen Mitgliedern der bürgerlichen Gesellschaft" machen konnte, war später zu Recht bezweifelt worden und führte dazu, dass die preußische Zucht und Ordnung durch humanistisch geprägte Pädagogik abgelöst wurde.

Der Berliner Stadtbaurat Hermann Blankenstein hatte das Ensemble des Erziehungsheims 1894 als gelbe Ziegelbauten mit zurückhaltenden roten Schmuckelementen errichtet. Sein typisches Erkennungszeichen, ein Medaillon mit dem Berliner Bären, fehlt hier, weil Lichtenberg zu diesem Zeitpunkt kein Teil Berlins war, sondern eine selbstständige Gemeinde, die erst 1920 nach Groß-Berlin eingemeindet wurde.


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Die beiden Erziehungshäuser und die Turnhalle hat Blankenstein im Zentrum der Anlage U-förmig um einen Innenhof gruppiert. Außerdem baute er ein Direktorenwohnhaus, zwei Beamtenwohnhäuser und ein Wirtschaftsgebäude.

Die städtische Klinik Lichtenberg, das Oskar-Ziethen-Krankenhaus, verlagerte 1941 ihre Kinderklinik in die Lindenhof-Gebäude, nachdem die Erziehungsanstalt nach Ludwigsfelde vor den Toren der Stadt verlegt worden war. Nach Einmarsch der Roten Armee sorgte die sowjetische Besatzungsmacht dafür, dass das Kinderkrankenhaus seine lebenswichtige Arbeit fortsetzen konnte. Die Versorgung mit Lebensmitteln haben die Sowjets organisiert und einen Kuhstall mit drei Kühen eingerichtet für die Milchversorgung der Kinder. Es soll sogar ein Rotarmist zum Melken der Kühe abkommandiert worden sein.

Bis zu den 1980er Jahren entwickelte sich der Lindenhof zur größten Kinderklinik Ost-Berlins. Nach der Wende wurde das Kinderkrankenhaus wieder mit dem Oskar-Ziethen-Krankenhaus fusioniert und in dessen Standort an der Fanningerstraße zurückverlegt. Mit dem Verkauf des Geländes an eine städtische Wohnungsbaugesellschaft wurde die Möglichkeit geschaffen, dort ein neues Wohnviertel zu errichten. Im Wohnquartier Lindenhof entstanden mehrgeschossige Wohnbaublocks und Einfamilien-Reihenhäuser, in den alten Bauten wurden Eigentumswohnungen eingerichtet. Da es nur Anliegerverkehr gibt, herrscht dort eine für die Großstadt ungewöhnliche Ruhe. Die neuen Wohnbaublocks sind von Grün umgeben, das aber nicht für die Wohnungen erschlossen wurde, sondern nur als "Abstandsgrün" fungiert. Die düsteren dunkelgrauen Fassaden der Neubauten sind ein echter Missgriff.

Krankenhaus Oskar Ziethen
Die Gemeinde Lichtenberg war um 1900 darauf bedacht, die Stadtrechte zu erlangen. Im Jahr 1907 war es soweit, gleichzeitig wurde Oskar Ziethen zum Bürgermeister gewählt. Da war es naheliegend, das Allgemeinkrankenhaus - das die städtische Ausstattung wie Rathaus, Polizei und Amtsgericht komplettierte - nach dem Bürgermeister zu benennen. Der Stadtbaurat Johannes Uhlig - der in Lichtenberg auch mehrere Schulen gebaut hat - entschied sich für eine Pavillonbauweise. Inzwischen wird das Krankenhaus von der drittgrößten private Klinikgruppe Deutschlands betrieben, die in dem heute so beliebten verqueren Deutsch wirbt: "Wir leben Krankenhaus".

Innerhalb des Krankenhaus-Geländes von der Frankfurter Allee bis zur Fanningerstraße steigt das Gelände bei einer Länge von 280 Metern um 12 Meter an. Wir sind hier am Nordhang des von der Eiszeit geschaffenen Urstromtals mit der Spree im Tal zwischen den Höhenzügen des Teltow und des Barnim. In Kaulsdorf ist dieser Höhensprung - dort mit 15 Metern - im freien Feld als "Berliner Balkon" zu begehen, in der dicht bebauten Stadt ist der Höhenunterschied wie hier meist nur als abschüssiges Gelände merkbar.

Industriebahn Lichtenberg
Auf unserem weiteren Rundgang treffen wir auf zwei Verkehrsflächen, den Straßenbahn-Betriebshof Lichtenberg und die ehemalige Industriebahn Lichtenberg. Von der Gotlindestraße führt ein 14 Meter breiter und 460 Meter langer Geländestreifen in den Landschaftspark Herzberge. Spätestens wenn man das Stellwerksgebäude auf der grünen Wiese sieht, wird klar: das war ein Bahngelände.


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Der "Rangierbahnhof Rittergut Lichtenberg" - auch "Industrieumschlagbahnhof Roeder (IUB)" genannt - begann 1892 mit einem Anschlussgleis für das Krankenhaus (damals Städtische Irrenanstalt) Herzberge. Sechs Jahre später wurde begonnen, weitere Anschlussgleise für die Industriebetriebe in Lichtenberg zu verlegen, es entstand die "Anschlussbahn Lichtenberg", die auch mit der Industriebahn Tegel-Friedrichsfelde verbunden war. Alle Bahnstränge trafen sich mit bis zu 12 Gleisen parallel auf dem Geländestreifen, der heute zum Landschaftspark Herzberge gehört. Der ehemalige Rangierbahnhof wurde 1997 stillgelegt und 2011 abgerissen. Östlich des Geländestreifens sind daraus Weiden im Landschaftspark geworden, der Streifen selbst wurde auch als Naturlehrpfad hergerichtet.

Wellpappenfabrik Fedor Schoen
An einem Abzweig der Industriebahn, der quer über die Siegfriedstraße führt, ist die Laderampe der Wellpappenfabrik Schoen stehen geblieben. Vollgestellt mit Gerümpel, aber als Bauwerk klar zu erkennen. Feodor Schoen hatte 1892 in Köln das erste deutsche Wellpappenwerk gegründet und weitere Wellpappenfabriken u.a. in Stuttgart, Berlin, Neuss und Dresden aufgebaut. Gewelltes Papier zum Stabilisieren und zum Verpacken zu verwenden, war 1856 von zwei Briten erfunden worden, die Weiterentwicklung wurde 1871 in New York patentiert. Als das Patent abgelaufen war, nutzte Fedor Schoen die Chance und ließ für seine Fabrik die erste Wellpappmaschine in Kontinentaleuropa bauen.

Bei der Herstellung wird eine von der Rolle ablaufende Papierbahn befeuchtet, erwärmt, durch zahnradähnlich ineinandergreifenden Walzen in Wellenform geprägte und mit einem Deckblatt "verpappt" (verklebt). Das leichte Material aus Zellstoff ergibt heute "für jeden Zweck die perfekte Welle".

BVG Straßenbahn-Betriebshof
Von der Siegfriedstraße biegen Straßenbahngleise zum BVG-Betriebshof ein und vervielfachen sich dort zu mehreren Gleisbündeln, die zur Einfahrt in die Hallen und zum Abstellen der Fahrzeuge dienen. Es gibt hier viele Superlative: Der Betriebshof war bei seiner Eröffnung der größte Straßenbahnbetriebshof der Welt, die Elektrische verfügt über eines der ältesten und größten Straßenbahnnetze der Welt.


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Auf der Schienenlänge von 200 Kilometern gibt es 800 Haltestellen, insgesamt haben die 22 Linien eine Netzlänge von 300 Kilometern (viele Schienen werden von mehreren Linien befahren). Dadurch, dass die Straßenbahn in West-Berlin 1967 eingestellt wurde, fährt die Straßenbahn fast nur in den ehemaligen Ostbezirken. Zögerlich reichen manche Linien in den ehemaligen Westen hinein.

Der Betriebshof in Lichtenberg bildet die Straßenbahnfahrer an einem Fahrsimulator aus. Ungewöhnliche Anforderungen wurden an die Fahrer gestellt bei der Tram-Europameisterschaft, die ebenfalls der Betriebshof in Lichtenberg ausgerichtet hat. Disziplinen wie Zielbremsung, exaktes Fahren und Halten, aber auch Tram-Bowling gehören dazu, bei dem ein mit Luft gefüllten Ball angekickt wird, um so viele Kegel wie möglich abräumen. "Das geht eigentlich total gegen meinen Instinkt", sagte eine Fahrerin, "normalerweise muss ich sofort bremsen, wenn mir jemand oder etwas in die Schienen gerät." Aber für den Spaß wird hier mal gegen den Strich gebürstet.

Die Berliner Straßenbahn GmbH hat sich bei den meisten Betriebshöfen auch um die Unterbringung ihrer Mitarbeiter gekümmert, schon aus Eigennutz, damit alle pünktlich zum Dienst erschienen. So wurde auch hier eine Wohnanlage in der Nähe des Betriebshofs gebaut auf dem Straßenkarree an der Siegfriedstraße südlich der Rüdigerstraße. Gegenüber an der Siegfriedstraße war die gerade entstandene Gemeinde Groß-Berlin 1922 ebenfalls als Bauherr für eine Wohnanlage tätig, die einen Straßenblock an der Wotanstraße umfasst.

Oberleitungsbusse
In beiden Stadthälften fuhren in der Nachkriegszeit einzelne Oberleitungsbusse (O-Busse). Sie waren "spurgebunden, aber nicht spurgeführt", waren wegen der Speisung durch Oberleitungen an bestimmte Straßen gebunden, ohne ein eigenes Gleisbett zu haben. In meiner Fahrschulzeit holte sich ein Fahrlehrer immer mit der Binsenwahrheit Lacher, dass O-Busse nicht in Nebenstraßen ausweichen können. In West-Berlin wurden die Oberleitungsbusse 1965 eingestellt, in Ost-Berlin fuhren sie bis 1973. In der Osthälfte der Stadt waren diese Busse im Straßenbahn-Betriebshof Lichtenberg stationiert.

Begonnen hatte die Entwicklung der Oberleitungsfahrzeuge mit einer Teststrecke auf dem Kurfürstendamm. Ab 1882 unternahm Siemens auf einer 540 m langen Versuchsstrecke in Halensee Versuche mit einem Fahrzeug, dessen Bauform die Herkunft von der Kutsche nicht verleugnen konnte, man nannte es "Electromote". Betrieben wurde es mit Strom aus einer Oberleitung, deshalb wird es auch als erster "Oberleitungsbus" bezeichnet.

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Fortsetzen können Sie den Stadtrundgang:
in Herzberge und dem Industrieviertel: Butterersatz für die Soldaten
> Im Ortszentrum im ehemaligen Rittergut: Rittergut Lichtenberg
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Unsere Route:
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