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Herrn Lachmanns homerisches Lachen


Stadtteil: Kreuzberg
Bereich: Friedhöfe Bergmannstraße, zweiter Teil
Stadtplanaufruf: Berlin, Südstern
Datum: 5. Januar 2022
Bericht Nr.:759

Über Namen macht man keine Scherze, Journalisten halten sich daran: "no name jokes". Wenn aber der Name den Menschen zutreffend beschreibt, dann sagt man beifällig "nomen est omen", der Name passt zu diesem Menschen. Hierzu zwei Beispiele von unserem heutigen Rundgang auf den Friedhöfen an der Bergmannstraße. Karl Konrad Friedrich Wilhelm Lachmann (* 1793) war Philologie-Professor, Zeitgenosse und Freund der Gebrüder Grimm. Er erforschte antike römische und mittelalterliche Texte. Lachmann war ein Mensch des feinen Humors, "ein witziger Einfall während seiner Vorlesungen konnte ihn selbst am meisten erfreuen und sein unauslöschliches, homerisches Gelächter hervorrufen“ - er trug seinen Namen zu Recht.

Ein Gewinner
Wenn der Inhaber eines Bankgeschäfts Gewinner heißt, wird man zustimmend nicken und sich sagen: stimmt, das habe ich schon immer geahnt. Arthur Philipp Friedrich Wilhelm Gwinner (Eigenname ohne "e") lernte das Bankfach, sammelte internationale Bank-Erfahrungen bei Auslandsaufenthalten, heiratete die Tochter eines Bankers, übernahm ein Berliner Bankhaus und wechselte nach sechs Jahren zur Deutschen Bank, deren Chef er wurde mit dem Ruf eines "Diplomaten". Von dem ausscheidenden Kollegen Georg von Siemens übernahm er das Auslandsgeschäft, finanzierte insbesondere Eisenbahnprojekte wie die Bagdadbahn.

Im Havelland kaufte er einen Gutshof mit Schloss, er soll "keinen lieberen Aufenthalt genossen haben" als auf seinem Gut. Noch nach dem Tod blieb er Gewinner, wer hat schon zwei Grabstellen? Beerdigt wurde er in seinem Gut, das monumentale Erbbegräbnis aus Muschelkalk auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof blieb unbelegt.

Dreifaltigkeitsfriedhof
Der Dreifaltigkeitsfriedhof II ist die älteste der vier Begräbnisstätten an der Bergmannstraße. Er wurde auf einem ehemaligen Weinberg angelegt und liegt am Hang des im südlichen Berlin verlaufendes Teltow-Höhenzuges. Zwischen Bergmannstraße (40 Meter) und Jüterboger Straße (47 Meter) steigt das Friedhofsgelände um sieben Meter an. Auf diesem "Friedhof der Berliner Gelehrtenrepublik" findet man alte Erbbegräbnisse und prunkvolle Mausoleen.

Adolph von Menzel
Hat man eben noch die verschleierten Karyatiden (weibliche Figuren mit langem Gewand) bewundert, die mit Leichtigkeit den wuchtigen Dreiecksgiebel des Grabmals Gwinner tragen, so steht man urplötzlich vor dem gestrengen Blick des Malers Adolph von Menzel. Reinhold Begas hatte die "krass naturalistische Bronzebüste" geschaffen, für Menzel monumentales Wandgrabmal wurde sie nachgegossen. Menzels Staatsbegräbnis wurde 1905 aufwendig inszeniert, mit Aufbahrung im Alten Museum und kaiserlichem Geleit zum Begräbnisplatz.


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Dem Maler Adolph von Menzel war das heroische, majestätische fern, er malte realistisch. Ohne Pathos zeigte er das gesellschaftliche, bürgerliche und großbürgerliche Leben und schuf eine ganze Serie von Bildern über Friedrich den Großen. Menzels stellte in seinem großformatigen Industriegemälde "Das Eisenwalzwerk", den Produktionsprozess selbst in den Mittelpunkt, der Betrachter bekommt einen Eindruck von Hektik, schwerer Arbeit und Erschöpfung.

Martin Gropius
Der Architekt Martin Gropius - der Großonkel des Bauhaus-Gründers Walter Gropius - ist in Berlin nicht nur durch das Museum Martin-Gropius-Bau bekannt, sondern auch durch Bauten wie das Schloss Biesdorf und das Krankenhaus im Friedrichshain. Auf ganz Deutschland (beispielsweise Greifswald, Eberswalde, Koblenz, Leipzig, Kiel) und sogar das estländische Tallinn erstreckte sich die Entwurfstätigkeit des Direktors der Königlichen Kunst- und Gewerbeschule und Leiters aller preußischen Kunstschulen. Seine Grabanlage in Form einer vierseitigen Pergola auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof hat Gropius selbst entworfen. Das an die linke Seite angebaute Mausoleum gehört nicht zu seinem Begräbnisplatz, es stört die graziöse Wirkung des Entwurfs, engt ihn ein.

Nachtigall, ick hör dir trapsen
In seinem selbst verlegten Friedhofsführer zu mehr als fünftausend Berliner Grabstätten macht Willi Wohlberedt auf zwei eingeebnete Gräber aufmerksam, diese auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof Bestatteten waren technische Tüftler. Der Physiker Robert Lüdtge ließ 1878 sein Mikrophon patentieren, das auch produziert und in Haussprechanlagen eingesetzt wurde. Als nach seinem frühen Tod mit 35 Jahren das Patent ablief, entwickelte der Konstrukteur David Edward Hughes ein Kohlemikrofon, das nach dem gleichen Prinzip arbeitete. Es soll so empfindlich gewesen sein, "dass es das Laufen einer Fliege hörbar machen konnte" - Nachtigall, ick hör dir trapsen, würde der Berliner sagen. Robert Lüdtge geriet durch diese Weiterentwicklung seiner Erfindung in Vergessenheit, auch das Grab existiert nicht mehr.

Die künstliche Hand
Caroline Eichler war Instrumentenmacherin und Feinmechanikerin. 1832 konstruierte sie eine Beinprothese mit Kniegelenk, die patentiert wurde. Mit dem von ihr erfundenen Mechanismus konnte sich das Knie beim Gehen beugen. Federn brachten das Bein beim Anheben wieder in die gestreckte Ausgangslage, ohne dass eine passive Unterstützung ("an einem Faden ziehen") notwendig war. Es war das erste Mal, dass eine Frau in Preußen ein Patent erhielt. Mit einer im Selbstverlag herausgegebenen Publikation warb sie für ihre Erfindung, die von zahlreichen Ärzten empfohlen wurde. Auch Johann Friedrich Dieffenbach, Direktor der Charité-Chirurgie, lobte die Konstruktion und setzte die Eichlersche Prothese erfolgreich ein (sein Grab auf dem Friedrichwerderschen Friedhof blieb erhalten, ihr Grab nicht).

Vier Jahre später folgte das nächste preußische Patent. Eichler hatte eine künstliche Hand entwickelt, die rein mit menschlichem Impuls funktionierte. Um sie zu öffnen und zu schließen, brauchte sie keine Unterstützung der gesunden Hand. Götz von Berlichingens "Eiserne Hand" hatte schon vorher den Hofzahnarzt und Hobby-Mechanikus Pierre Baillif auf die Idee gebracht, eine Handprothese zu entwickeln, die allerdings passive Hilfe zum Schließen brauchte. Er verstand sich nicht nur auf Zahn-Brücken, sondern hatte auch eine Brückenbau-Aktiengesellschaft gegründet, um eine Brücke über die Spree nach Moabit zu bauen.

Caroline Eichler war mit einem Feinmechaniker verheiratet, doch es nahm kein gutes Ende mit den beiden. Sie ließ sich von ihm scheiden. Er wollte immer wieder Geld von ihr erpressen, bei einem solchen Streit erstach er sie in ihrer Wohnung "mit einer angespitzten Feile", einem Feinmechanikerwerkzeug, das früher beide beruflich verband.

Kirchhof der Friedrichwerderschen Kirche
Dem Dreifaltigkeitsfriedhof benachbart ist der Kirchhof der Friedrichwerderschen Kirche. Das Begräbnisfeld dieser Kirche ist ein Ersatz für einen 'Kirchhof' im eigentlichen Wortsinn: Bestattungen fanden direkt angrenzend an einen Kirchenbau statt, bis wegen Überfüllung und aus hygienischen Gründen die Bestattungsplätze vor die Tore der Stadt verlegt wurden, es begann die Randwanderung der Friedhöfe. Die Friedrichswerdersche Gemeinde hatte an der von Karl Friedrich Schinkel angelegten neugotischen Kirche keinen Platz für einen Kirchhof und legte deshalb nach anderen Zwischenlösungen ihren Friedhof 1844 an der Bergmannstraße an. Das Gelände hatte sie von einem Fuhrunternehmer und einem Schlächter erworben. Er ist der schmalste der vier Friedhöfe an der Bergmannstraße und durch eine Querverbindung mit den beiden benachbarten Gemeindefriedhöfen verbunden.

Jerusalems- und Neuen Kirchengemeinde
Weitere kunsthistorische Schätze weist der Friedhof der Jerusalems- und Neuen Kirchengemeinde auf. Eine Besonderheit sind die Erbbegräbnisse, die typischerweise innen an der Friedhofsmauer angeordnet sind, hier sind sie zusätzlich in doppelter Reihung zu finden. Zwei Erbbegräbnisse wurden von dem Architekten Bruno Schmitz gestaltet, der vor allem als Architekt von großen nationalen Monumenten im Kaiserreich bekannt war.

Architekt Bruno Schmitz
Bruno Schmitz war einer der erfolgsreichsten Denkmal- und Monumentalarchitekten der Wilhelminischen Zeit. Er hat das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig entworfen, das Deutsche Eck in Koblenz, das Kaiserdenkmal der Porta Westfalica, das Kyffhäuserdenkmal, sogar ein neoklassizistisches Kriegerdenkmal in Indianapolis (USA). Sein Wunsch, seine Asche möge im Rhein verstreut werden, erfüllte sich nicht. Kaiser Wilhelm ließ ihn im Kyffhäuser-Denkmal beisetzen, die Urne wurde in einer steinernen Umhüllung beigesetzt.

Für die DDR war das Kyffhäuserdenkmal ein "Mahnmal reaktionärer Gesinnung", sie ersetzte die Urne durch einen Blumentopf in der steinernen Umhüllung. Die Nachfahren von Schmitz kauften dem DDR-Devisenbeschaffer Schalck-Golodkowski und seinem Koko-Imperium die Urne ab, der Öffentlichkeit blieb das verborgen. Die Asche des Architekten Bruno Schmitz wurde dann in Düsseldorf beigesetzt. Das kam seinem Wunsch am nächsten, er fand nicht im Rhein, aber am Rhein seine letzte Ruhe.

Auf dem Friedhof der Jerusalems- und Neuen Kirche findet sich inmitten des von Bruno Schmitz entworfenen Grabdenkmals Wolf eine von einem Bildhauer geschaffene mächtige Sitzskulptur. Eine himmlische Gestalt, ein Greis mit Flügeln und einem langen Bart, das Kinn ist durch die Last der Jahre zum Körper geneigt. Es ist Chronos, in der griechischen Mythologie der Vater von Zeus, Personifikation der ablaufenden Zeit und damit auch der ablaufenden Lebenszeit.


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Max Krause
Dass man mit der Herstellung von Briefpapier und einer zündenden Idee seiner Vermarktung so reich werden konnte! Max Krause verpackte feines Briefpapier und Briefumschläge in Schachteln zu kleinen Portionen. Bald ließ er Briefumschläge, Post- und Tischkarten und Luxuspapiere maschinell fertigen. Die Werbung "Schreibste mir, schreibste ihr, schreibste auf MK-Papier" war schlicht gereimt, erwies sich aber als wirkungsvoll, er hatte er den Zeitgeist getroffen. Max Krause lebte in eine Villa auf dem Fichtenberg, dem "Aristokratenhügel“ unter Repräsentanten von Geist, Wissenschaft und Wirtschaft.

In diesem Kreis des gehobenen Bürgertums wurde Krause auch zur letzten Ruhe gebettet. Das von Bruno Schmitz entworfene Grabdenkmal ist ein Kleinod des Jugendstils. Der Figurenschmuck wurde von demselben Bildhauer gestaltet, mit dem Schmitz schon beim Völkerschlachtdenkmal zusammengearbeitet hatte. Das Zugangsbauwerk aus hellgrauem Muschelkalkstein mit einer bronzebeschlagenen Holztür wird von zwei Wächtern eingerahmt. Figuren voller Körperlichkeit erzeugten bei Zeitgenossen "ergriffenes Schauern". Das Bauwerk wird von mächtigen Kalksteinblöcken und Ruhebänken flankiert.


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In großen Lettern zeigen die Kalksteinumrandungen einen Leitspruch, der angesichts des prunkvollen Grabdenkmals demutsvoll daherkommt:

VIELES GEWOLLT - WENIGES GETHAN / OFTMALS GEFEHLT AUF MEINER BAHN

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Den Alten Luisenstädtischen Friedhof, den vierten der Friedhöfe an der Bergmannstraße, können Sie hier mit uns besuchen:
Die Hoffnung auf Auferstehung
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Unsere Route:
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Die Hoffnung auf Auferstehung
Die Schlucht am langen Weinberg