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Die Schlucht am langen Weinberg


Stadtteil: Kreuzberg
Bereich: Chamissokiez, Bergmannkiez
Stadtplanaufruf: Berlin, Nostitzstraße
Datum: 19. Januar 2022
Bericht Nr.:760

Von der Straße 'Am Tempelhofer Berg' führt unser heutiger Stadtspaziergang über die Nostitzstraße nach Norden bis zur Gneisenaustraße. Der Tempelhofer Berg liegt am Hang des Teltow-Höhenzuges, der in Kreuzberg beginnt und sich Richtung Tempelhof fortsetzt. Die Hänge am Tempelhofer Berg und der Kreuzberg selbst sind früher als Weinberge genutzt worden. Bis 1837 hieß die Bergmannstraße Weinbergsweg. Nach einer amtlichen Statistik von 1861 wurde die Bergmannstraße auch "langer Weinberg" genannt, der Kreuzberg trug den Namen "runder Weinberg".

Wein und Bier
Nach dem Wein kam das Bier. Wie am Prenzlauer Berg haben sich auch in Kreuzberg Brauereien an den Hanglagen angesiedelt, weil sie dort ihre Kühl- und Lagerkeller am besten im Untergrund anlegen konnten. In Kreuzberg produzierten vier Brauereien, die Tivoli-Brauerei im Viktoria-Quartier, die Bockbierbrauerei in der Fidicinstraße, und auf unserem heutigen Weg am Tempelhofer Berg zwei Brauereien: in Nr. 6 die Berliner Bierbrauerei AG, auf dem Nachbargrundstück 7 die Brauerei Habel.


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Dusterer Keller
Zwischen Nostitzstraße und Tempelhofer Berg hatte die Eiszeit eine Senke hinterlassen, eine “Schlucht“, die erst bei der Besiedlung des Quartiers 1875 zum großen Teil zugeschüttet wurde. Bis dahin war sie als "dusterer Keller" bekannt und verschrien. Die Straßenverläufe im Stadtplan geben einen Hinweis, wo der Einschnitt verlief.

Anders als die Bergmannstraße und die Fidicinstraße geht die parallel verlaufende Arndtstraße nicht bis zur Straße 'Am Tempelhofer Berg‘ durch, sondern endet vor diesen Bereich. Dort ist zwischen den beiden Brauereigrundstücken ein Teil der Senke erhalten geblieben.

Der Neubaublock zwischen den Brauereien steht mit seiner Sohle eine Etage tiefer als das Straßenniveau, das komplette Erdgeschoss schaut auf die umgebende Böschung hoch. Im amtlichen Kartenmaterial des Geoportals ist der Absatz zwischen der Senke und der Fläche des benachbarten Brauereigrundstücks markiert.


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Der dustere Keller hat eine lange Geschichte. Eine Anekdote vermeldet, dass sich dorthin 1740 ein Einsiedler zurückgezogen hatte, sozusagen der "Urvaters aller Kreuzberger Aussteiger". Eines Tages soll dort der König mit Gefolge vorgeritten sein, um ihn zur Rede zu stellen. Der Einsiedler verwirrte den Herrscher so sehr mit christlichen Sprüchen, dass dieser ihm anerkennend eine Silbermünze hinwarf. Doch der Einsiedler soll das Geschenk abgelehnt haben mit den Worten "Die Münze ist mir zu groß, ich nehme nur Kupfer".

Ein Weinausschank der Bergmanns "in der Schlucht am Tempelhofer Berg" wurde 1810 eröffnet. Dort traf sich ein Dichterstammtisch, und Turnvater Friedrich Ludwig Jahn gründete dort mit anderen einen Geheimbund gegen die Franzosen ("Deutscher Bund"). Fünfzig Jahre später soll dort eine Chemiefabrik errichtet worden sein. Und natürlich ist - wie sollte es bei einem dusteren Keller anders sein - von lichtscheuen Elementen die Rede, die dort ihr Unwesen trieben.

Bebauung des Quartiers
Die Bauten in der Nostitzstraße und Arndtstraße sind durch einen krassen Gegensatz von äußerer Erscheinung und innerem Ausbau gekennzeichnet. Es sind durchgehend fünfgeschossige Mietshäuser als Blockrandbebauung, die von Maurer- und Zimmermeistern errichtet wurden, welche nach einer Ausbildung an Baugewerkschulen architektenähnliche Tätigkeiten ausführen konnten. Hinter den Fassaden mit historisierendem Baudekor haben nur die Wohnungen im ersten und manchmal zweiten Obergeschoss einen bürgerlichen Standard.

Im Übrigen finden sich kleine Wohnungen mit niedrigem Ausstattungsstandard, nur aus Stube, Kammer und Küche bestehend, teilweise ohne Wohnungsabschluss und mit unbelichteten Kammern. Die Grundstücke sind dicht belegt mit Seiten- und Quergebäuden, die den Begriff Mietskasernen verdienen. Es war spekulativer Wohnungsbau mit größtmöglicher Ausnutzung des Baugrunds.

Mehrere Straßenfassaden sind mit einem vorspringenden Bauteil - Risalit - gestaltet, manche mit einem dreieckigen Giebelfeld -Tympanon -. An den Blockenden sind die Gebäudeecken oft abgeschrägt und durch eine turmartige Erhöhung der Fassade hervorgehoben. Einzelne Bauten fallen durch besondere Bauweise aus dem Gros der innerhalb von zehn Jahren hochgezogenen Mietshäuser heraus.


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Doppelhäuser, die spiegelsymmetrisch zueinander erbaut worden sind, waren günstiger zu errichten - ein Plan, zwei Häuser. Dabei konnten es auch zwei verschiedene Bauherren sein, die die Pläne austauschten. Andererseits findet man innerhalb der Mietshausreihen ausnahmsweise auch Bauten, die einem Stadtpalais ähneln. Einem mit 10 Fensterachsen außergewöhnlich breiten Mietshaus in der Nostitzstraße, mit vierachsigem Mittelrisalit und Tympanongiebel geschmückt, wird die gestalterische Verwandtschaft zu einem zerstörten Blücher-Palais zugeschrieben.

In der Arndtstraße wurde ein Bau als "weißes Schloss" bekannt: Ein reich geschmücktes Mietshaus mit prunkvollem Eingangsportal. Eine männliche und eine weibliche Gestalt - Atlanten und Karyatiden - tragen die Last der Portalsumrandung mit dem in der Mitte nicht geschlossenen Giebel - Sprenggiebel -. In der Mitte über dem Portal findet sich ein überdachtes und mit einem Zierrahmen - Kartusche - überkröntes ovales Fenster - Ochsenauge -. (Der Architekt hat uns eine kleine Lektion in Ornamentierung hinterlassen).


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Den quadratischen Innenhof begrenzt ein Fabrikgebäude mit gelb und rot gestreiftem Sichtmauerwerk. Eine Pianoforte- und Flügelfabrik nutzte diesen Gewerbebau.

Bürstenmacher
Uropa, Opa und Vater waren Bürstenmacher, da konnte Volker Schröder nicht anders, als diese Tradition wenigstens nebenberuflich fortzuführen. Der Laden in der Heimstraße ist bloß Show, die Produkte kann man nur auf dem Wochenmarkt kaufen, wo man Schröder beim Bürstenmachen zuschauen kann. Hinter der schamhaften Umschreibung einer Zeitung aus Nürtingen, bei ihm könne man Produkte kaufen, die man nicht überall bekommt, verbirgt sich die patentierte und ärztlich empfohlene Analbürste.

Kein Ersatz für Klopapier, sondern ein Hilfsmittel für alle Gesundheitsapostel, die gern ihren Körper mit der Bürste massieren. Nach dem Duschen anzuwenden, mit einer keilförmigen Bürste für unzugängliche Stellen. Außerdem stellt Schröder auch Kratzbürsten, Stubenbesen und Spinnenfeger her, nur über die Analbürste wird im Internet - genierlich aber ausgiebig - berichtet. Seit in "der Höhe des Löwen" ein Startup die Happy-Po-Dusche vorgestellt hat, hat man sich an Gerätschaften für diese Stelle des Körpers gewöhnt.

Flaniermahl
Wenn es so richtig kalt ist, dann kann schon mal ein Heißhunger auf Tortenstücke aus einer meisterhaften Konditorei aufkommen, so wie sie meine Lebensgefährtin, Ehefrau und Flaneurin in Tegel in der Breiten Straße in ewiger Erinnerung behalten wird. Da kommt uns “Frau Behrens“ in der Bergmannstraße gerade recht, ein Café mit Plüsch und Lüstern und Tortenstücken, die so groß geschnitten werden, dass ich zwei Tage lang etwas davon habe, fürs einpacken lassen muss man sich nicht schämen.
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Unsere Route:
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Herrn Lachmanns homerisches Lachen
Ein Friedhof wird zur Klimaoase