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Wagenrennen im Stadtgrundriss


Stadtteil: Zehlendorf
Bereich: Zwischen Wannseebahn und Potsdamer Chaussee
Stadtplanaufruf: Berlin, Beuckestraße
Datum: 11. Februar 2019
Bericht Nr.: 646

Am Teltower Damm - der Zehlendorfer Magistrale - beginnt unser heutiger Spaziergang sehr dörflich an einem einstöckigen Wohnhaus von 1800. Direkt gegenüber am ehemaligen Gartenlokal Fürstenhof wird es städtischer. An der nächsten Ecke stehen wir dem Kaiserlichen Postamt gegenüber, einem die Ecke umfassenden preußischen Gründerzeitbau. Nur ein paar Schritte für drei Epochen, und dann sind wir in einem Villenviertel zwischen Wannseebahn und Potsdamer Chaussee, das ab 1880 entstand.

Hippodrom
Wer den Film "Ben Hur" gesehen hat, kennt das Hippodrom, in dem die antiken Wagenrennen ausgetragen wurden. In einem Oval - eigentlich einem rechteckiges Feld mit abgerundeten Ecken - fuhren die römischen Streitwagen. In diesem Monumentalfilm ging es um einen mörderischen Zweikampf der Wagenlenker. Doch schon der römische Gelehrte Plinius der Ältere berichtet davon, dass das Hippodrom auch als Schmuckform in der Gartenkunst verwendet wurde. Von Konstantinopel im oströmischen Reich wird von einem Hippodrom berichtet, das "der merkwürdigste aller öffentlichen Plätze" sei. Es war von mehreren Palästen und einer Moschee umgeben. Auf ihm standen ein ägyptischer Obelisk und eine Schlangensäule.

Bei unserem Rundgang heute begegnet uns das Hippodrom als Figur im Stadtgrundriss, so wie schon einmal in der Villenkolonie Wannsee. Das zwischen Wannseebahn und Potsdamer Chaussee angelegte Villenviertel hat als Mittelpunkt zwei Parallelstraßen, die an ihren Enden mit halbkreisförmige Abschlusses zueinander finden und an ein antikes Hippodrom erinnern. Mehrere unterschiedliche Wohnhaustypen - von der herrschaftlichen Villa bis zum Mietshaus im Villenstil - sind nacheinander im Laufe verschiedener Bauphasen hier errichtet worden. Trotz ihrer unterschiedlichen Ausprägungen werden sie wegen ihrer "städtebaulichen Geschlossenheit" als denkmalwertes Ensemble angesehen.

Der Architekt Robert Kleinau hat ab 1897 sechs Villen am Hippodrom gebaut. Von ihm heißt es, dass er die "Stilrepertoires der Zehlendorfer Landhausarchitekturen" beherrschte. Am Hippodrom war es vor allem das Fachwerk, das er vielfach variierte. In ganz Zehlendorf sind insgesamt vierzehn Wohnhäuser verzeichnet, die er als freier Architekt entworfen hat. Auch sein eigenes Haus steht in Zehlendorf, im Bezirk ist eine Straße nach ihm benannt.


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Von den Architekten Fritsche und Prodöhl, die sich "Atelier für Architektur und Bauausführung" nannten, stammen um 1910 vier Entwürfe für Bauten am Hippodrom. Der Architekt W. Eichelkraut hat einen Bau an der Hohenzollernstraße am Hippodrom errichtet. Auf diesen Nachnamen trifft man hier häufig. In der Mittelstraße hatte sich der Fuhrunternehmer Karl Eichelkraut niedergelassen. Die Baumeister Ludwig ~, Walter ~, Wilhelm ~ und E. Eichelkraut sind mit lokalen Bezug in der Denkmaldatenbank aufgeführt, über ihre verwandtschaftlichen Zusammenhänge gibt es keine Informationen.

Brauerei-Auslieferungslager
Die Anhaltiner Straße begleitet den Bahndamm von Zehlendorf-Mitte bis zur Kreuzung mit der Königstraße. Dort trifft man - unerwartet in dem Villenviertel - auf ein Brauereigebäude. Es war das Auslieferungslager der Actien-Brauerei Friedrichshöhe, die ihren Hauptsitz an der Landsberger Allee Ecke Richard-Sorge-Straße hatte. Sie begann als Patzenhofer, später wurde sie von Schultheiss übernommen. Der Architekt Ernst Sembritzki hat das Zehlendorfer Auslieferungslager 1908 erbaut, das wie eine Villa mit Pferdestall wirkt. In Borsigwalde an der Jacobsenstraße errichtete er zeitgleich für das Böhmische Brauhaus einen ganz ähnlichen villenartigen Gewerbebau mit Pferdestall.

Um einen großzügigen Hof stehen in Zehlendorf außer der Villa und dem Pferdestall ein Eis- und Lagerhalle und ein Wagenschuppen. Heute nutzt der Werkhof Berlin zusammen mit dem Spielwerk das Areal für Werkstätten und eine Ausbildungsküche. Der amüsante Fassadenschmuck zur Straße und im Innenhof ist das Ergebnis von Workshops, die ein Bremer Bildhauer hier jährlich im Sommer anbietet. Der erschreckte Koch, dem das Essen davonfliegt, als er die Haube vom Teller abhebt, verweist auf die Ausbildungsküche.

Schulen in der Beuckestraße
An der Beuckestraße sind zwei Schulen errichtet worden, die heute als Standorte I und II vom Schadow-Gymnasium genutzt werden. Die Beuckestraße erinnert an den Schulleiter Karl Beucke, der die Realschule an dieser Straße leitete und ihre Umwandlung in eine Oberrealschule betrieb.

Die beiden Schulbauten, um die es hier geht, könnten unterschiedlicher kaum sein. 1905 wurde ein "Schulpalast in Renaissance-Formen" fertiggestellt, den die Landgemeinde Zehlendorf von einem Kölner Architekten entwerfen ließ. Der weiß verputzte Bau mit akzentuierten Fenstereinfassungen hat vier hohe Giebel zur Eingangsseite und zwei zur Seitenstraße.


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Sechs Jahre später erhielt der Berliner Architekt Paul Mebes den Auftrag für ein weiteres Schulgebäude, das der Moderne zugerechnet wird, einer "anderen Moderne, die zugleich traditionell ist". Aus Backsteinen, die im Märkischen Mauerverband angeordnet sind. Je nach Anordnung der Ziegel mit Längsseite nach vorn ("Läufer") oder der Schmalseite ("Binder") ergeben sie ein abwechslungsreiches, sich wiederholendes Muster.

Der Architekt Paul Mebes
Gute 500 Meter von der Schule entfernt wird der Architekt mit der Benennung des Paul-Mebes-Parks geehrt. Mebes hat in Berlin - oft in Sozietät mit seinem Schwager Paul Emmerich - rund 10.000 Wohnungen gebaut. Er gehörte dem genossenschaftlichen Reformwohnungsbau an, war Vorstandsmitglied des Beamten-Wohnungs-Vereins zu Berlin. Seine Bauten sind solide, er verzichtete auf großzügigen Fassadenschmuck, setzte aber bei Details expressive und klassizistische oder andere historisierende Formen ein. Mebes baute Landhäuser, Wohnanlagen, Siedlungen, Schulen und Geschäftshäuser. Viele seiner Werke haben wir auf unseren Rundgängen gesehen und beschrieben oder erwähnt, beispielsweise die Heidehof-Siedlung in Zehlendorf und die Flusspferdhofsiedlung in Hohenschönhausen

Mebes wohnte in Zehlendorf, er ist auf dem Friedhof Onkel-Tom-Straße beerdigt, das Grabdenkmal zeigt nur den Namen seiner Frau Hilde. Mebes war einer der Aufrechten: Als Mitglied der Preußischen Akademie der Künste trat er vier Monate nach der Machtergreifung der Nazis genau wie Otto Dix und Karl Schmidt-Rottluff von seinem Amt zurück, weil er mit der veränderten Kulturpolitik nicht einverstanden war.

Che Guevara und das Marketing
An einem Pfeiler in der Beuckestraße finden wir ein Werbeschild mit einem Bild von Che Guevara. Jenem Portrait, das inflationär auf T-Shirts, Plakaten und Aufklebern verbreitet wird, jeder kennt es. Der dazugehörige Firmenname verweist auf ein "Guerilla-Marketing"-Unternehmen. Nanu, wird hier im wohlhabenden Zehlendorf die kommunistische Weltrevolution vorbereitet? Im Internetauftritt erläutert das Unternehmen, ein Werbefachmann hätte in den 1980er Jahren für die Verkaufsförderung von Klein- und Mittelbetrieben den Begriff "Guerilla" geprägt. Und da dachte ich bisher, dass dieses spanische Wort die Taktiken von Untergrundkämpfern bezeichnet. Und bei dem Bild wird es sich dann wohl auch nicht um den "Kommandante" handeln, sondern um jenen Werbefuzzi?

Kurt Kurfiss
Unser letztes Ziel ist heute der Kiosk auf der Dorfaue, dem Grünstreifen am Teltower Damm. Hier sollte das Zehlendorfer Zentrum entstehen, das der Architekt Kurt Kurfiss geplant hatte, das aber trotz Prämierung nicht realisiert wurde. Kurfiss war Maler, Zeichner, Bildhauer und Skulpteur. Der Kiosk ist ein Werk der Nachkriegsmoderne, 1955 errichtet. Ein auskragendes Dach wie bei einer Tankstelle schwebt über einem verglasten Innenraum. Gerippte schwarz-weiße Keramikfliesen verkleiden den Bau.


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Unser Flanieressen nehmen wir abends in der Zehlendorfer Niederlassung eines Thailänders ein. Offensichtlich eine gute Wahl, denn außer uns hatten viele andere Gäste dieselbe Idee, so dass wir unseren Wunschtermin zeitlich etwas schieben müssen.

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Auf diesem Weg sind wir vor einem Vierteljahr von Lichterfelde nach Zehlendorf-Mitte gekommen:
Die Blaue Grotte von Zehlendorf
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Unsere Route:
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Berliner Gesicht mit Sommersprossen
Römischer Zirkus im Stadtgrundriss