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Berliner Gesicht mit Sommersprossen


Stadtteil: Zehlendorf
Bereich: Dahlemer Villenviertel
Stadtplanaufruf: Berlin, Starstraße
Datum: 14. Januar 2019
Bericht Nr.: 643

Zwischen den beiden Grünflächen Thielpark und Finkenpark lag früher das Dorf Dahlem. Vor 120 Jahren wurde dort durch die wahrscheinlich größte Stadtentwicklungmaßnahme jener Zeit das Dahlemer Villenviertel geschaffen.

Die Königin-Luise-Straße zeichnet den Verlauf der alten Dorfstraße in einem typischen märkischen Dorf nach. Vor 180 Jahren haben die Gutsherren die Bauernhöfe nach und nach verdrängt, um mehr Profit aus der einheitlichen Bewirtschaftung zu erzielen. Dann wurde das Gut Dahlem eine Staatsdomäne, der Staat hatte die Besitzungen gekauft. 1901 wurde der staatliche Besitz aufgelöst, im östlichen Teil entstand eine "Wissenschaftsstadt", westlich davon ein Villenviertel.

So wie später beim Hansaviertel, der Media-Spree oder der Heidestraße, nahm der Staat die Entwicklung des Gebiets selbst in die Hand. Eine Königliche Kommission wurde eingesetzt, um das Villengelände zu vermarkten. Sie schuf einen neuen Stadtgrundriss, legte Straßen an, parzellierte das Gelände und entwickelte Verkehrsverbindungen. So entstanden 539 Grundstücke und 384 private Neubauten. An historischen Bauwerken blieben nur die Dorfkirche (St. Annen) und das Gutshaus erhalten, das heutige Freilichtmuseum "Domäne Dahlem".

Die Straße Im Dol ist die "Dahlemer Straße" von Dahlem, denn Dol und Dahlem leiten sich von demselben Wortstamm ab. Der Straßenname ist mit fünf Buchstaben einer der kürzesten in Berlin. Dafür ist die Straße selbst mit 1.620 Metern eine der längsten im Ortsteil, wird darin nur von Hüttenweg, Clayallee, Königin-Luise-Straße und Thielallee übertroffen.

Bei unserem vier Kilometer langen Spaziergang zwischen den beiden Parks gehen wir wie durch eine Architekturausstellung, viele bekannte Baumeister haben hier ihre Visitenkarte abgegeben. Manche Architekten sind erstaunlicherweise nicht im Gedächtnis geblieben, obwohl sie markante Bauten in der Stadt hinterlassen haben.

Die Baumeister der Villenkolonie Dahlem

Bruno Ahrends
Der Architekt Bruno Ahrends entwarf für die Dahlemer Kommission ein Dienstgebäude in der Wachtelstraße 4, das von der Straße als einzelner Kubus wahrgenommen wird. Drei niedrigere, versetzte Kuben öffnen sich dahinter zum Garten und ermöglichen es, die beruflichen und privaten Bereiche zu trennen.


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Bekannt ist Bruno Ahrends' Beitrag zur "Weißen Stadt" in Reinickendorf, die Siedlung der Moderne gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe. Ahrends war der Neffe von James Simon, einem der wohltätigsten Mäzene Berlins.

Otto Rudolf Salvisberg
Wie Ahrends baute auch Otto Rudolf Salvisberg einen Teilbereich der "Weißen Stadt" .Zu seinem umfangreichen Werk gehören in Berlin die Entwürfe für einen Teil der Siedlung Onkel-Toms-Hütte, die Siedlungen Elsengrund und Mittelheide in Köpenick, eine Wohnanlage am Hortensienplatz in Lichterfelde.

Von Salvisbergs Dahlemer Bauten liegen drei an unserem Weg. Am Hirschsprung Ecke im Dol steht ein herrschaftliches Einfamilienhaus mit verwinkeltem Grundriss. Die Fenster der zwei Reihen Dachgauben übereinander schauen wie Augen über das ausgedehnte Eckgrundstück. Ursprünglich war es ein vergleichsweise kleines Landhaus, das Salvisberg erbaut, aber schon bald aufgestockt und durch einen Anbau vergrößert hat.


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Ganz anders in der Bitterstraße, dort hebt sich ein von Salvisberg entworfener Baukubus durch seine strenge äußere Form von der übrigen Bebauung ab. Ein flach wirkendes Dach mit weitem Überstand schwebt über dem zweistöckigen Gebäude, das auf einem zum Garten hin abfallenden Grundstück steht.

In der Gelfertstraße hat Paul Schwebes, Architekt der Nachkriegsmoderne, einen Bau von Otto Rudolf Salvisberg für eigene Wohnzwecke umgebaut und erweitert. Dabei wurde der schlichte, kompakte Bauteil um ein Drittel verlängert. An der Straße ist ein neuer Garagenbau mit weit vorgezogenem Dach raumgreifend angeordnet, er kann die Bauzeit der 1950er Jahre nicht verleugnen.


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Heinrich Schweitzer
Der Architekt Heinrich Schweitzer hat die Entwicklung Dahlems entscheidend geprägt. 1907 begannen die Planungen für eine U-Bahn nach Dahlem. Schweitzer erstellte zusammen mit dem Stadtplaner Herman Jansen, den Bebauungsplan für den Villenort Dahlem unter Beachtung der landschaftlichen Gegebenheiten. Die U-Bahn sollte in einer offenen Vertiefung als "Einschnittbahn" fahren, die Straßen folgten topographischen Gegebenheiten, ohne rechtwinklig aufeinander stoßen zu müssen. Der Baumbestand und Grünzüge wie der Thielpark und Finkenpark blieben zwischen der Bebauung erhalten, die Villenkolonie wurde zu einer Gartenstadt eigener Art.

Die Straße Im Dol wurde nach seinem Vorschlag benannt. Hier baute er sein eigenes Wohnhaus auf einem Eckgrundstück zum Gadebuscher Weg, weil dieser Bauplatz einen schönen Kiefernbestand hat und nach Süden zur Sonne ausgerichtet ist. Auch den U-Bahnhof Podbielskiallee hat Schweitzer erbaut, das Bahnhofsgebäude mit einem markanten Stufengiebel.


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Zusammen mit dem Stadtgartendirektor Albert Brodersen legte er den Waldfriedhof Dahlem an. Auch das Grabdenkmal von Rene Sintenis auf dem Friedhof ist sein Werk. Der Admiralspalast in der Friedrichstraße wurde ebenfalls von Schweitzer erbaut.

Die Internatsgebäude an der Königin-Luise-Straße, die Schweitzer zusammen mit anderen Architekten für das Arndt-Gymnasium erbaut hat, nennt das Denkmalamt eine "Schüler-Kolonie". Neun Villen wurden auf einem großen Gelände mit altem Baumbestand an einer internen Straße mit "Dorfanger" angeordnet. Die Schüler lebten unter der Aufsicht eines Lehrerehepaars in familienähnlichen Gruppen.

Heinrich Schweitzer benutzte einen Stilmix aus historisierenden Elementen und Zeitgeist wie dem Jugendstil. Vielleicht liegt es daran, dass er trotz seines umfangreichen Werkes heute nur unzureichend wahrgenommen wird.

Fritz August Breuhaus de Groot
Fritz August Breuhaus de Groot war ein prominenter Villen- und Landhausarchitekt, der auch Innenausstattungen von Schlafwagen, des Ozeandampfers "Bremen" (Norddeutscher Lloyd) und des Zeppelins "Hindenburg" entwarf sowie Bestecke (WMF), Lampen und Tapeten. Am Hüttenweg hatten wir bei einem früheren Rundgang einen von ihm gestalteten modernen Landsitz der 1930er Jahre gesehen.

In der Spechtstraße Ecke Starstraße treffen wir heute auf ein eigenartig wirkendes Haus mit markanter Dachkrempe, die von Stützen getragen wird. Das Gebäude ist eingeschossig, der Straße folgend lang gestreckt und an der stumpfen Straßenecke gerundet. Im Innern erfüllt der Bau großbürgerliche Wohnbedürfnisse, die Räume sind sechs Meter hoch, die weitläufige Wohnhalle ist zum Garten ausgerichtet.


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Auch wenn diese Abhandlung kein vollständiges Bild aller Architekten geben kann, erwähnt werden sollen noch die Bauten in Dahlem von Wilhelm Büning (ebenfalls "Weiße Stadt") im Dol und Egon Eiermann am Föhrenweg. Kurt Kurfiss, Architekt der Nachkriegsmoderne, den wir gerade erst bei einem Zehlendorf-Rundgang entdeckt haben, hat am Dol ein Eckhaus zur Spechtstraße gebaut.

Bachstelzenweg Ecke Bitterstraße
Auf dem Eckgrundstück Bachstelzenweg/Bitterstraße wird in den 1930er Jahren durch ein Landhaus mit auffälligem Reetdach an die ländliche Herkunft Dahlems angeknüpft. Zwanzig Jahre vorher war bereits der U-Bahnhof Dahlem-Dorf in der Optik eines Fachwerksbaus mit Reetdach errichtet worden. Damals hatten die Architekten dem romantischen Wunsch Kaiser Wilhelms II. entsprochen und ein Niederdeutsches Bauernhaus nachempfunden.


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Militär in Dahlem
In dem Militärkomplex an der Clayallee, der einst für die Reichsluftwaffe im Dritten Reich errichtet worden war, zog nach Kriegsende das Amerikanische Hauptquartier ein. In der Kaiserswerther Straße hatte die vier Besatzungsmächte ein Gebäude der Feuerversicherungsanstalten beschlagnahmt, um dort die Alliierte Kommandantur einzurichten. Mit der Gemeinsamkeit der Siegermächte war es schon nach drei Jahren vorbei, im Juni 1948 zog die sowjetische Seite ihren Vertreter aus dem gemeinsamen Gremium zurück. Nur in der Luftsicherheitszentrale der Alliierten im Kleistpark arbeiteten die vier weiter zusammen.

Das Kommandantur-Gebäude hatte Heinrich Straumer errichtet, genau wie die Villa Huth, die heute in der Bitterstraße an unserem Weg liegt. Von Straumer stammen auch das Stationsgebäude am U-Bahnhof Thielplatz, der Berliner Funkturm, die Rauchlose Siedlung in Steglitz, die Siedlung Paddenpuhl in Reinickendorf und mehrere Dutzend Landhäuser in Dahlem, Lichterfelde und Frohnau. Die Villa Huth hat Straumer für den Flugzeughersteller Enno Walther Huth erbaut, der in Johannisthal die Albatros Flugzeugwerke betrieb.

Lucius D. Clay, der Vater der Luftbrücke, wohnte in der Straße Am Dol in einem der ältesten Bauten südlich des Finkenparks. Otto Bartning, der vor allem durch seine Kirchenbauten bekannt wurde, hat das Haus erbaut, Heinrich Schweitzer vergrößerte es durch einen Anbau. Heute dient das Anwesen als Residenz des Marokkanischen Botschafters.

Ein Gefechtsstand im Villenviertel
Am Föhrenweg, auf der Rückseite der Waldorf-Schule an der Clayallee, steht ein ehemaliges Dienstgebäude des Oberkommandos der Wehrmacht. Das Gelände fällt zum Inneren des Grundstücks tief ab, dadurch wirkt das Haus mit vier Etagen zur Straße hin nur zweistöckig. Die unteren beiden Etagen sind als Bunker ausgebaut. Das Bauwerk und das gesamte heutige Schulgelände waren von der Wehrmachtsführung als Gefechtsstand vorgesehen, der getarnt im Villenviertel untergebracht wurde.

Zwar wurden auch in Dahlem Gebäude durch Bomben beschädigt, doch der Gefechtsstand wurde nicht getroffen, wurde wohl auch nie für Gefechte gebraucht. Das Relief über der Eingangstür - zwei Jäger jagen mit Hunden und Speeren ein Wildschwein - blieb die einzige Kampfhandlung.


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Ein sowjetischer Politoffizier in der Spechtstraße
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs begann der Kampf um die Vormacht im besiegten Deutschland, für eine westlich geprägte Demokratie oder für die Herrschaft kommunistischer Kader nach Stalins Vorstellungen. Im Jahr 1948 wurden in West-Berlin Stadtverwaltung und Parlament neu gegründet, ihre Teilnehmer waren wegen kommunistischen Drucks aus Ost-Berlin ausgezogen. Der sowjetische Oberst, der in Stalins Auftrag ein kommunistisches Deutschland schaffen sollte, lebte bis 1949 in West-Berlin in einer Dahlemer Villa in der Spechtstraße. Der Offizier Sergei Tjulpanow mit guten Deutschkenntnissen leitete die Propagandaabteilung der Sowjetischen Besatzungsmacht, er forcierte die Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED, konnte aber seinen Auftrag nicht erfüllen, ein kommunistisches Gesamtdeutschland zu schaffen und wurde deshalb 1949 abgezogen.

Die Bewohner
Ein Traumpaar, der Boxer Max Schmeling und seine Frau, die Schauspielerin Anny Ondra, wohnten am Föhrenweg. Zweimal hat Schmeling gegen den Amerikaner Joe Louis geboxt. Beim ersten Mal ging Louis k.o., bei der Revanche blieb Schmeling am Boden. Any Ondra war Hitchcocks erste "blonde Mörderin", mit grotesker Komik wurde sie zum "weiblichen Buster Keaton", später verkörperte sie den androgynen Frauentypus der 1920er Jahre.

In dem Dienstgebäude ("Gefechtsstand") am Föhrenweg wohnte Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, der bei den Nürnberger Prozessen als Kriegsverbrecher verurteil wurde. Ein weiterer Gefolgsmann Hitlers, der Großadmiral Karl Dönitz, hatte seinen Wohnsitz in der Bitterstraße.

Der Schauspieler Hubert von Meyerinck, der oft das blasiert Gehabe eines Adeligen karikieren musste, und der Kabarettist Walter Gross, den West-Berlinern durch das Durchhalte-Radiokabarett "Die Insulaner" vertraut, lebten in der Bitterstraße. Der Volksschauspieler Rudolf Platte ("Das Fenster zum Flur") wohnte in der Starstraße. In der Meisenstraße sind gleich drei prominente Bewohner verzeichnet: Bundespräsident Richard von Weizsäcker, die Schauspielerin Camilla Spira ("Des Teufels General", "Rosen für den Staatsanwalt") und Wilhelm Furtwängler, Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker.


Bei unserem virtuellen Rundgang zu den prominenten Bewohnern scheint aus einer Villa am Finkenpark der Chanson "Berlin, Dein Gesicht hat Sommersprossen" zu uns herüber zu wehen. Aha, hier hat die Schauspielerin Hildegard Knef gewohnt. Steht hier im Vorgarten "Der geschenkter Gaul"? Natürlich nicht, denn nur ihr Buch "Bericht aus einem Leben" trägt diesen Titel.


Setzen Sie den Spaziergang hier fort: Dorf ohne Bauernhöfe

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Unsere Route:
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Die Blaue Grotte von Zehlendorf
Wagenrennen im Stadtgrundriss