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Christliche Volksgemeinschaft


Stadtteil: Tempelhof
Bereich: Mariendorf
Stadtplanaufruf: Berlin, Rathausstraße
Datum: 12.September 2015
Bericht Nr.: 522a

Eine Kirche, die im Dritten Reich gebaut worden ist und die im Innern christliche Zeichen und nationalsozialistische Symbole übergangslos nebeneinander setzt, das ist die Martin-Luther-Gedächtniskirche in Mariendorf. Vor zwei Wochen führte unser Stadtspaziergang zu dieser Kirche, heute am Denkmaltag war die Innenbesichtigung möglich.

Im Jahr der Machtübernahme 1933 wurde dieser Kirchenbau begonnen, zugleich feierten die deutschen Protestanten in jenem Jahr Martin Luthers 450. Geburtstag. Schnell hatte sich eine Gruppe von evangelischen Theologen ("Glaubensbewegung Deutsche Christen") an den Nationalsozialismus angelehnt und sich ihm angedient. Die Machtübernahme Adolf Hitlers war für sie eine Art „religiöses Erweckungserlebnis“, geprägt von dem Wunsch, dass hier eine "Volksgemeinschaft" unter christlichen Vorzeichen entstehen würde. Der „Deutsche Luthertag 1933" und Kundgebungen der Lutherstädte feierten Martin Luther nicht nur als protestantischen Glaubensstifter, sondern auch als völkischen Nationalhelden. So ist weder der Name der Mariendorfer Kirche noch das gestalterische Vokabular des Innenraums ein Zufall oder ein Versehen, sondern zeigt genau den Zeitgeist eines christlich geprägten Nationalsozialismus.

Spannend ist, was später aus der nationalsozialistischen Symbolik in der Kirche geworden ist. Bereits 1937 haben die Nazis selbst konkrete Zeichen wie die Hakenkreuze aus der Kirche entfernt, weil das "Gesetz zum Schutz der Bezeichnungen der NSDAP" ab diesem Zeitpunkt verbot, ihre Zeichen in Kirchen zu verwenden. Weitere NS-Symbole wurden nach dem Krieg entfernt. Figürliche Darstellungen blieben, das Relief an der Kanzel zeigt immer noch einen Soldaten und Hitlerjungen in Uniform, die Christus bei der Bergpredigt zuhören. Als halbhohe Figur wird ein SA-Mann am Taufstein gezeigt. Der Reichsadler blieb mit leeren Krallen, das Hakenkreuz hatte man herausgekratzt, ob bereits 1937 oder erst nach dem Krieg, ist nicht mehr feststellbar. Christus am Kreuz ist kein Leidender, sondern reckt stolz sein Haupt über dem Fitness-Körper. Im Vorraum waren Büsten von Generalfeldmarschall Hindenburg und Adolf Hitler installiert, heute schaut Hindenburg auf den Terrakottakopf von Martin Luther. Auf dem NS-Reichsparteitag 1935 in Nürnberg - auf dem die Rassengesetze beschlossen wurden - spielte die Orgel der Martin-Luther-Gedächtniskirche als Teil des inszenierten Massenevents, bevor sie nach Berlin gebracht und hier eingebaut wurde.

Die heutige Kirchenleitung ist mit sich im Reinen, die Kirche bleibt so erhalten als Lehre aus der Geschichte, man verdrängt nicht, was damals geschah. Als Kontrapunkt hat ein Bilderzyklus über Auschwitz seinen Platz im Kirchenraum gefunden. Dieser Umgang mit der Geschichte schafft Respekt und lässt das anfängliche Befremden weichen. Die andere Seite des Protestantismus war die "Bekennende Kirche", die sich nicht angepasst hat und Widerstand geleistet hat, beides war Teil der evangelischen Kirche im Dritten Reich.

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DENKMALTAG
Am Denkmaltag 2015 habe ich drei ganz unterschiedliche Ziele besucht. Die beiden anderen sind
> die Mohrenkolonnaden und
> der Schiffbauerdamm.
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Hitlerjunge bei der Bergpredigt
Bebaute Zahnlücken, weichende Neubauten