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Luftgüte - alles im grünen Bereich


Stadtteil: Neukölln
Bereich: Silbersteinstraße bis Teltowkanal
Stadtplanaufruf: Berlin, Bambachstraße
Datum: 15. November 2023
Bericht Nr.:823

Flanieren ist nach landläufiger Meinung das Bummeln auf breiten Boulevards, vielleicht noch verbunden mit Shopping. Franz Hessel, der Vater der Flaneure, hat das differenzierter gesehen. Ihn interessierte, wie aus kleinen Details ein Bild einer Stadt entsteht und wie die Berliner ihre Stadt bewohnen. Auch wir sind als Stadtforscher unterwegs und das zwangsläufig nicht nur auf den Sonnenseiten der Stadt. Die "dreckigste Straße des Landes" als Ziel auszuwählen, wie der Deutschlandfunk die Silbersteinstraße 2016 genannt hat, kann aber auch für uns eine Herausforderung werden.

Luftgüte in der Silbersteinstraße
Tatsächlich hat sich das Bild der Silbersteinstraße aber wesentlich verändert, was die Luftgüte betrifft. Die stark befahrene Straße ist eine enge Straßenschlucht, in der die Luft wenig bewegt wird. Dieselfahrzeuge pusten viel Feinstaub und viele Stickoxyde in die Luft. Die Grenzwerte für Feinstaub wurden am Messpunkt Silbersteinstraße zu oft und zu hoch überschritten. Im Rahmen des Berliner Luftreinhalteplans hat die Stadt 2019 ein Diesel-Fahrverbot angeordnet, das 18 Prozent aller Autos von dieser Straße fernhält. Wirtschaftsverkehr und Anlieger sind davon ausgenommen. Heute ist die Luftqualität "gut", die Messstation des Umweltbundesamts ermittelt regelmäßig Belastungen wesentlich unterhalb des EU-Grenzwertes.

Also sind wir in einer Straße mit guter Luftqualität unterwegs. Westlich der Hermannstraße gehen die Grundstücke weit in die Tiefe, dort sehen wir grüne Innenhöfe, im Süden erstrecken sie sich bis zum Sportgelände Silbersteinplatz. Auch an der Nordseite der Silbersteinstraße findet sich gründerzeitliche Wohnbebauung mit grünen Innenhöfen. Durch eine "Verordnung zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung" (mehr Substantive passten nicht in diesen Text) ist ein Milieuschutzgebiet eingerichtet worden, um der "sozialen Verdrängung alteingesessener Mieter entgegenzuwirken".


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Raphael Silberstein
Der Namensgeber der Straße, Raphael Silberstein, war Arzt, Stadtverordneter und ab 1899 ehrenamtlicher Gesundheitsstadtrat von Neukölln. Er hat das Krankenhaus Neukölln auf den Weg gebracht, auch das Neuköllner Stadtbad geht auf seine Anregung zurück. Silberstein war Gründungs- und Vorstandsmitglied des Sozialdemokratischen Ärztevereins. Gegen das Verbot empfängnisverhütender und schwangerschaftsabbrechender Mittel wehrte er sich wie andere mit einer "Resolution gegen den Gebärzwang". Er starb 1926, seine Familie musste nach 1933 emigrieren.

Durchwegung Bambachstraße
Fußgänger verlassen gern vorgezeichnete Wege, um ein paar Schritte zu sparen. Freiheitsliebende Menschen mögen keine aufgenötigten Umwege, deswegen findet man häufig Trampelpfade, die rechtwinklige Wegführungen abschneiden. Zwischen Silbersteinstraße und Mariendorfer Weg hat man an der Bambachstraße eine ähnliche "informelle Wegeverbindung" legalisiert und für Fußgänger und Radfahrer eine ordnungsgemäße Verbindung zum Mariendorfer Weg geschaffen. Die Durchwegung wurde über das Grundstück der in den 1960er Jahren angelegten Sportanlage "Silbersteinplatz" geführt und um einen Kinderspielplatz ergänzt.


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Hebammenlehranstalt und Frauenklinik am Mariendorfer Weg
2015 hatten wir am Mariendorfer Weg einen Krankenhauskomplex im Zustand des Verfalls vorgefunden. Damals standen die Gebäude seit zehn Jahren leer und waren nahezu Ruinen. Am Haupthaus war ein Dach teilweise zerstört, gegenüber wucherte Grün von der Fassade in die toten Fenster hinein. Der Fassadenschmuck war teilweise erhalten. "Erbaut während des großen Krieges 1914-1917", steht auf einem Medaillon von 1917 über dem Portal der ehemaligen Brandenburgische Hebammenlehranstalt und Frauenklinik am Mariendorfer Weg. Damals war schon klar, dass dieser Krieg nicht großartig war.

Nach Beseitigung von Kriegsbeschädigungen wurden in den 1960er Jahren Neubauten für die Kinderklinik und Geburtsmedizin errichtet und die Röntgenstation erweitert. 2005 zog der komplette Standort ins Krankenhaus Neukölln um. Inzwischen sind nach dem Leerstand in den denkmalgeschützten Gebäuden und in Neubauten 600 neue Wohnungen, Tiefgaragen und ein Studentenwohnheim entstanden ("Wohnpark St. Marien"). Der letzte Bauabschnitt wurde in diesem Jahr beendet. Ein positives Beispiel dafür, dass auch einem "lost place", einem verlassenen Ort, neues Leben eingehaucht werden kann.


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Friedhöfe
Entlang der Hermannstraße findet sich eine Vielzahl von Friedhöfen, oft als Friedhofscluster von mehreren Gemeinden gemeinsam angelegt. Dort hat man heute gehäuft mit dem Problem zu tun, dass wegen der geänderten Bestattungsformen und veränderter Bestattungskultur immer weniger Friedhofsfläche gebraucht wird. Die Friedhöfe Emmaus und St. Simeon/St. Lukas - die heute an unserem Weg liegen - haben Konsequenzen daraus gezogen und die Friedhofsflächen verkleinert.

Emmaus-Friedhof
Beim Emmaus-Friedhof wurde 2014 rund ein Drittel der Friedhofsfläche entwidmet, auf einer weiteren Teilfläche sind nur noch Nachbesetzungen zu vorhandenen Gräbern möglich. Auch die Pflege wurde dort reduziert. Andererseits hat der Friedhof in diesem Jahr auf einer Teilfläche 500 Grabstellen für die Bestattung nach islamischem Ritus eingerichtet. Die Gräber sind nach Mekka ausgerichtet und damit diagonal zur Struktur der Anlage angeordnet. Da immer weniger verstorbene Muslime - wie früher üblich – in die Herkunftsländer überführt werden, steigt in Berlin der Bedarf an islamischen Begräbnissen.


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Neuköllner Wald
Das aufgelassene und entwidmete Friedhofsgelände ist mittlerweile ein Wald - der größte Wald Neuköllns - und trotzdem zur Bebauung freigegeben und verkauft worden. Der Bezirk Neukölln müsste die Baugenehmigungen erteilen, zögerte aber so lange, bis schließlich der Senat die Angelegenheit an sich gezogen hat. Immerhin sollen 600 Wohnungen dort entstehen. Bei der Rodung muss an anderer Stelle Wald neu angepflanzt werden, bloß wo? Eine Initiative "Emmauswald bleibt" kämpft gegen die Bebauung. Vielleicht ist der Bausenator auch gar nicht zuständig, schließlich gehört die Landesforstverwaltung zur Umweltsenatorin. Die steht zwar auch für Mobilität, aber wahrscheinlich würde bei dem Zuständigkeitswechsel neuer Stillstand die Folge sein.

Friedhof St. Simeon/St. Lukas
Südlich angrenzend an den Emmaus-Friedhof liegt der Friedhof St. Simeon/St. Lukas, der ebenfalls sichtbar unter der Entwidmung seiner Friedhofsflächen gelitten hat. Auf dem Stadtplan kann man sehen, dass er 2012 an allen vier Ecken angeknabbert wurde. Am Tempelhofer Weg hat man für einen REWE-Markt eine Ecke abgeschnitten, der Sichtkontakt wird gottlob durch eine hohe Mauer vermieden. Die Stadtautobahn 100 verläuft direkt an der Nordgrenze des Friedhofs, aber ebenfalls unsichtbar in einem Tunnel.


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Friedhof als Baufeld für einen Kirchenbau
Die Fürbitt-Kirche angrenzend an den Friedhof St. Simeon/St. Lukas ist ein Gotteshaus, das nicht den Friedhof versorgen sollte, sondern einen ungenutzten Friedhofsteil als Baugelände nutzte. Als 1962 die Großsiedlung Britz-Buckow-Rudow - "Gropiusstadt" - gebaut wurde, hatte die Kirche einen Zuwachs an Gemeindemitgliedern. Eine neue Kirchengemeinde - Fürbitt - wurde eingerichtet, ein neues Gotteshaus im Stil der Nachkriegsmoderne 1966 eingeweiht. Fast 50 Jahre später waren der Kirche viele Gläubige abhanden gekommen, Fürbitt wurde mit der Philipp-Melanchthon-Gemeinde zusammengelegt zur „Fürbitt-Melanchthon-Kirchengemeinde“, welch ein Wort-Ungetüm.

Straßenbahnbetriebshof
Ein weiteres Ziel auf unserer Route wäre der Straßenbahnbetriebshof, der 1910 nördlich der Gradestraße eröffnet wurde. Zu dem Betriebshof gehörten Dienstwohnungen für den "Stationsvorsteher", einen Fahrmeister, einen Wagenrevisor und einen Wagenmeister. Jean Krämer, der für die Straßenbahngesellschaft insgesamt fünf Betriebshöfe erbaut hat, errichtete in den 1920er Jahren zwischen der Holzmindener und der Straße "Am Straßenbahnhof" einen neuen Betriebshof mit 25 überdachten Hallengleisen und eine Wohnanlage. Seit der Stilllegung der Straßenbahn in West-Berlin dient das Gelände als Busbetriebshof. Dafür wurde ein Bebauungsplan notwendig, um eine Umfahrt für die Busse einzurichten.

Nachnutzung einer Brücke
Über wandernde Brücken hatten wir schon mehrfach berichtet. Wenn man diesen Spaziergang bis zum Hafen Britz-Ost weiterführt, trifft man auf eine stählerne Fachwerkbrücke für Fußgänger ("Britzer Hafensteg"). Diese Brückenkonstruktion führte ursprünglich in Lichterfelde bei Giesensdorf über die Bäke und war nicht tragfähig genug, um eine Straßenbahn aufzunehmen. So baute man sie ab und transportierte sie auf dem Wasserweg nach Britz, wo sie seitdem Fußgänger über den Neuköllner Schiffahrtskanal führt.
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Unsere Route:
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Gemeinsam Gärtnern auf dem Friedhof