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Franz Hessel - Der Vater der Flaneure


"Hierzulande muss man müssen, sonst darf man nicht.
Hier geht man nicht wo, sondern wohin.
Es ist nicht leicht für unsereinen".

Franz Hessel, der das Flanieren als Idee und Möglichkeit aus Paris nach Berlin mitgebracht hat, berichtet 1929 in seinem Buch "Spazieren in Berlin" über seine Konfrontation mit dem zielgerichteten quirligen Leben der Berliner.

"Langsam durch belebte Straßen zu gehen, ist ein besonderes Vergnügen. Man wird überspielt von der Eile der anderen, es ist ein Bad in der Brandung. Aber meine lieben Berliner Mitbürger machen einem das nicht leicht, wenn man ihnen auch noch so geschickt ausbiegt. Ich bekomme immer misstrauische Blicke ab, wenn ich versuche, zwischen den Geschäften zu flanieren. Ich glaube, man hält mich für einen Taschendieb."

Dabei will er nicht den Leuten an die Tasche, ihn interessiert vielmehr, wie die Berliner ihre Stadt bewohnen. Wie aus einer Türschwelle, einer Fliese, einem Fenster ein Bild einer Stadt entsteht. Wie das kleine Detail die Vergangenheit, die Gegenwart, den Wandel dokumentiert und die Geschichte erfahrbar macht. "Mit dem Herumlaufen allein ist es nicht getan", schreibt er. "Ich muss eine Art Heimatkunde betreiben, mich um die Vergangenheit und die Zukunft dieser Stadt kümmern, dieser Stadt, die immer unterwegs, immer im Begriff, anders zu werden, ist." Berlin ist für ihn nicht die Stadt des sichtbaren Lebensgenusses oder der gepflegten Unterhaltung. Die Berliner Schönheit trifft man in den "Tempeln der Maschinen", in den "Kirchen der Präzision", also dort, wo Berlin arbeitet. Für ihn gibt es kein schöneres Gebäude als die von Peter Behrens gebaute Turbinenfabrik an der Huttenstraße. Wenn wir den Wandel der Stadt seit jenen Jahren vom Produktions- zum Dienstleistungsstandort nachverfolgen, dann müssten heute die Bauten für Dienstleistung, Handel und Kultur diesen Platz einnehmen. Und tatsächlich, auf unseren Rundgängen haben wir sie fotografiert, die neuen Bauten am Potsdamer Platz, in der Friedrichstraße, den Pei-Bau am Historischen Museum, die Fabrikhöfe mit neuer Nutzung, die eleganten und die freakigen Schaufenster, die neuen und die umgestalteten alten Bahnhöfe, die Regierungsbauten in der neuen Mitte, die Vertretungen und Botschaften anderer Bundesländer und anderer Staaten - die heutigen Orte der Berliner Schönheit.

Sichtbar werden aber auch die Wunden, die die Naziherrschaft der Stadt angetan hat. "Nah beim Quartier der Konfektion liegt ... eines der berühmtesten Modehäuser von Berlin. Seine Modelle ziehen das große Publikum an. Aus allen - außer den exklusivsten - Kreisen, die sich für Mode interessieren, sitzen Damen an zart gedeckten Tischen, an denen die hübschesten Mannequins sich entlangschlängeln. Bei den Klängen einer Kapelle schreiten sie in duftigen und feierlichen Kleidchen und lächeln von Beruf."

Nach der Verfolgung der jüdischen Mitbürger ist der Hausvogteiplatz kein Modezentrum mehr, "Leopold Levy Damen-Mäntel", "Pelzwaren-Fabrik Rosenthal & Jacobsohn" und wie sie alle hießen sind verschwunden. Nur die Spiegelinstallation auf dem Platz, einem Ankleidespiegel ähnlich, und die Texte an der Treppe des U-Bahnhofs mit den Namen und Daten der jüdischen Modefirmen erinnern noch an diesen Teil der Berliner Geschichte. Der Versuch, die Stadt nach dem Krieg mit Subventionen wieder zu einem Modestandort zu machen, lief über viele Jahre, ist aber letztlich gescheitert.

Der Kurfürstendamm war Hessels Berliner Boulevard, und er ist es heute noch und wieder. Der Abwanderung in die neue Mitte nach der Wende folgte eine Rückbesinnung auf den einzigen West-Berliner Boulevard aus Mauerzeiten. Der Boulevard könne die Berliner das Flanieren lehren, wenn sie nicht von dieser urbanen Betätigung überhaupt abließen, schreibt Hessel. "Flanieren ist eine Art Lektüre der Straße, wobei Menschengesichter, Auslagen, Schaufenster, Café-Terrassen, Bahnen, Autos, Bäume zu lauter gleichberechtigten Buchstaben werden, die zusammen Worte, Sätze und Seiten eines immer neuen Buches ergeben."

Wir werden bei unseren Rundgängen durch Berlin weiterhin in seinem Geist die Stadt und ihre Menschen erforschen und darüber hier berichten, an diesem immer neuen Buch weiterschreiben. Wir laden Sie ein, begleiten Sie uns beim "Flanieren in Berlin".




Flanieren
Franz Hessel, der Flaneur - ganz persönlich