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Osman Kalins Garten


Stadtteil: Kreuzberg
Bereich: Engelbecken
Stadtplanaufruf: Berlin, Bethaniendamm
Datum: 9. August 2004

Zu den Merkwürdigkeiten der Mauerzeit gehörte vermeintliches Niemandsland auf der (politischen) Westseite vor der Mauer. Manchmal hat die DDR beim Mauerbau nicht den Grenzverlauf eingehalten, so dass davor in Westen ein Gebiet verblieb, das rechtlich zu Ost-Berlin gehörte, aber von West-Berlin aus zugänglich blieb. Bekannt wurde das Lenne-Dreieck am Potsdamer Platz, auf das sich alternative Besetzer flüchteten und damit vor der West-Berliner Polizei sicher waren. Zur Kuriosität wurde ein spitzwinkliges Dreieck am Bethaniendamm zwischen St. Thomas-Kirche und der Mauer, das von der Grenzabsicherung nicht umfasst war, obwohl es zum Ost-Berliner Gebiet gehörte.

Osman Kalins sah von seiner Wohnung aus auf diese Brache. Eines Tages hat er angefangen, Zwiebeln, Kohl und anderes Gemüse dort anzupflanzen und schließlich eine Gartenlaube hinzuzimmern. Mehrfach konnte er sich erfolgreich dagegen wehren, hier vertrieben zu werden - erst gegen Ost- und nach der Wende gegen West-Autoritäten. Die ersten, die in seinem "Garten" standen, waren zwei Volkspolizisten des Grenzregiments 33, die ihm allerdings nicht verständlich machen konnten, dass er auf fremdem Staatsgebiet pflanzt und erntet. Letztlich wurde er von der DDR in ihrem selbst geschaffenen Niemandsland geduldet.

Nach der Wende gehörte Osman Kalins Garten zum Bezirk Mitte, bis 2004 bei einer Grenzbereinigung zwischen den Bezirken die "gefühlte" Zugehörigkeit zu Kreuzberg auch rechtlich besiegelt wurde. Und wieder mussten sich die Offiziellen mit der Frage beschäftigen, was aus dem illegalen Garten werden soll. Als die Bezirksbürgermeisterin von Kreuzberg ihn besuchen kam, schwante ihm Böses für die Zukunft seines anatolischen Gemüsegartens. Statt eines Rauswurfs verkündete sie ihm aber, dass er sein geliebtes und umkämpftes Land weiter bestellen darf, die illegale Sondernutzung wurde jetzt offiziell geduldet. Dankbar wollte Osman Kalin die Bürgermeisterin zu seiner Zweitfrau machen, doch das war ihr zuviel der Ehre.

So ist Osman Kalins Garten zu einer Touristenattraktion geworden, Medien berichten darüber unter Titeln wie "Ökolaube", "Zwiebel-Mekka", "Mauergemüse statt Mauerblümchen", selbst in Reiseführern wird der standhafte Türke inzwischen genannt (1).

Auf unserem heutigen Spaziergang kamen wir vom Oranienplatz. Hier hatten wir in hochsommerlicher Hitze dem Treiben rund um den Drachenbrunnen zugesehen, der Richtung Süden in einen stilisierten Rückenkamm aus grob behauenen Granitblöcken ausläuft. Der reptilartige Kopf zeigt nach Norden zum Luisenstädtischen Kanal. Zwei Fontänen kommen abwechselnd aus dem Kopf- und Rückenbereich, die Befürchtung, der Brunnen könne vor unseren Augen abgeschaltet worden sein, erweist sich damit gottlob als unbegründet.

Das Engelbecken und der Luisenstädtische Kanal wurden 1926 zugeschüttet. Vorher verband der Kanal die Spree und den Landwehrkanal, der "Wassertor"platz an der Skalitzer Straße trug bis dahin seinen Namen zu Recht. Das Engelbecken war 1850 von Lenné als Teil einer Grünanlage mit 16 Fontänen gestaltet worden, jetzt haben die Anwohner wenigstens für eine Fontäne zusammengelegt, der Gesamteindruck ist aber eher provisorisch zu nennen.

Aber zurück zum verbindenden Luisenstädtischen Kanal: hier wurde bei einer Ausgrabung der Sockel des historischen indischen Brunnens gefunden und als Basis für eine Nachgestaltung verwendet: eine anmutige Tempeltänzerin an der Spitze, darunter vier Reihen von Wasser speienden Löwen, das Becken mit Goldmosaik ausgelegt, so empfängt sie uns beim Durchblick von der Waldemarstraße zur Michaelkirche.

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(1) Mehr über Urban Gardening, das illegale Gärtnern auf öffentlichen Flächen:
Ziviler Ungehorsam - und die Stadt blüht


Kathedrale der Elektrizität
Ostkreuz