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Private Stationsansage


Stadtteil: Wilmersdorf, Steglitz, Zehlendorf
Bereich: Breitenbachplatz
Stadtplanaufruf: Berlin, Ludwig-Barnay-Platz
Datum: 27. Juli 2009

Ein etwas durchgeknallter Typ irritiert U-Bahnfahrgäste mit laut vorgetragenen Stationsansagen und Umleitungshinweisen, bevor die offizielle Frauenstimme aus dem Lautsprecher mit identischer Sprachmelodie die Informationen wiederholt. Aber Günter S. greift auch ordnend in das Geschehen ein, verbietet das Telefonieren mit dem Handy ("vorher fahren wir nicht weiter"). Er soll sogar ein "Strafgesetzbuch" dabei haben, ein Notizbuch, in das die Ertappten ihr Fehlverhalten eintragen müssen. Mit Milde behandelt die BVG den Mann, der eigentlich Lokführer werden wollte. Natürlich wohnt er an einem U-Bahnhof, dem Breitenbachplatz, der nach dem Politiker benannt ist, der sich Anfang des 20.Jahrhunderts mit aller Kraft für den U-Bahnbau in Berlin eingesetzt hat.

Bei unserer Fahrt zum Breitenbachplatz müssen wir uns mit der Frauenstimme begnügen. Der U-Bahnhof Breitenbachplatz ist der letzte prunkvolle Wilmersdorfer Bahnhof an der Grenze zu Zehlendorf. Die reichen Wilmersdorfer haben hier wie am Rüdesheimer Platz und anderen an dieser Linie ihre Wohlhabenheit zur Schau stellen können. Pfeiler aus Stein mit Lampenaufsatz markieren den Bahnhofseingang auf der Straße, schmiedeeiserne Tore mit Blumenmedaillons schützen den Zugang nach Betriebsschluss. Die Bahnhofshalle enthält halbrunde Nischen, an deren Pfeilern Darstellungen von Tieren, Pflanzen und wissenschaftlichen Instrumenten auf die Universitäts- und Forschungsinstitute der Umgegend hinweisen.

Gartenstadt und Künstlerkolonie am Südwestkorso
Bevor wir bei den Forschern vorbeigehen, ist zunächst die Künstlerkolonie am Ludwig-Barnay-Platz unser Ziel. Barnay war Mitbegründer des Deutschen Theaters und der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger, Diese Genossenschaft und der "Schutzverband deutscher Schriftsteller" erbauten die Gartenstadt Südwestkorso ab 1927 rund 700 Wohnungen für ihre Mitglieder. Architekt mehrerer Teilobjekte in der Rauenthaler, Laubacher und Laubenheimer Straße war Hans Kraffert. Gemeinschaftliches Wohnen zu erschwinglichen Preisen sollte mit den Wohnblocks um begrünte Innenhöfe gefördert werden. Hier wohnten der Philosoph Ernst Bloch, der Psychoanalytiker Wilhelm Reich, die Schriftsteller Alfred Kantorowicz, Johannes R. Becher und Walter Hasenclever, die Schauspieler Ernst Busch, Lil Dagover und Klaus Kinski, der Komponist Rudolf Nelson, die Liste der bekannten Persönlichkeiten umfasst an die hundert Namen, für einige gibt es Ehrentafeln an den Häusern.. Nicht nur die Theatertruppe der kommunistischen Zelle ("Truppe 1931") der Künstlerkolonie war den Nazis ein Dorn im Auge, die gesamte "rote Tintenburg" wurde von ihnen überfallen. "Beim Abmarsch der Bereitschaft sangen die Polizeibeamten mit erhobener Rechten das Horst-Wessel-Lied" (15. März 1933, "Völkische Beobachter" zur Großrazzia in der Künstlerkolonie).

Versuchssiedlung Schorlemerallee
Unser nächstes Ziel ist die Versuchssiedlung Schorlemerallee (-> 1). Mit dem Ende des Jugendstils begann die Architektur der Neuen Sachlichkeit, ein moderner Zweckstil, der schließlich das bauhaus hervorbrachte. Neue stilistische und technische Merkmale wie kubisch gestaffelte Baukörper, Flachdach, Stahlskelett- und Stahlbetonbau aus vorgefertigten Bauteilen wurden hier in der Versuchssiedlung ab 1925 von drei Architekten realisiert, die auch selbst hier einzogen: Wassili und Hans Luckhardt und Alfons Anker. Sie waren Mitglieder der progressiven Architektenvereinigungen Der Ring, Gläsernen Kette und Arbeitsrat für Kunst. In mehreren Bauetappen entstanden unterschiedliche Haustypen in verschiedenartigen Konstruktionsweisen .Andere berühmte Bewohner waren der Regisseur Fritz Lang und seine Frau, die Filmautorin Thea von Harbou.

Domäne Dahlem
Durch die Gregor-Mendel-Straße gehen wir im Bogen Richtung Breitenbachplatz zurück. Hier ist immer noch spürbar, dass das ganze Gelände rundherum zur Domäne Dahlem gehörte. Ländliche Bebauung, von der FU genutzt, Kopfsteinpflaster, beschauliche Ruhe. Gegenüber an der Lentzeallee dann der totale Kontrast, das expressionistische Gebäude des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung mit geknickten Dachflächen. Und daneben die Elektronenspeicher-Ringanlage Bessy, auf der Materialprüfung und Forschung mit Strahlen unterschiedlicher Wellenlänge möglich war, einem "Mikroskop für Raum und Zeit". Bessy ist längst zum Technologiestandort Adlershof umgezogen, das verbliebene runde Gebäude mit der kupfergedeckten flachen Kuppel gehört jetzt zum Eichamt, wer weiß, was die dort im Kreis 'rum jagen.

Unser Kreis hat sich für heute geschlossen. Ermattet sinken wir am Breitenbachplatz im Garten des "Michelangelo" auf die Stühle und genießen italienisches Essen.
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Ergänzung im Januar 2012:
Es gibt auch einen U-Bahn-Lenker, der mit seiner Ansage zur Kultfigur geworden ist. Pierre Gelbke ersetzte die in seinem Zug ausgefallene Stationsansage nicht nur vorschriftmäßig durch eine Textansage per Mikrofon, sondern trällerte das "Ding dang dong" der Einleitungsmelodie gleich mit dazu. Ein Berliner Radiosender bekam die Aufnahme von einem Fahrgast per Handy zugeschickt und brachte sie, inzwischen gibt es die Ansage sogar als Klingelton fürs Handy.

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(1) Clemens August Michael Hubertus Antonius Aloysius Maria Freiherr von Schorlemer war Zentrumspolitiker und Bauernlobbyist, die Straße wurde auf dem Gebiet der Domäne Dahlem neu angelegt

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Unsere Route:
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Teufelsberg
Kein Wetter zum Wohlfühlen