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In der Kiesgrube verbuddelt


Stadtteil: Tempelhof
Bereich: Attilaplatz
Stadtplanaufruf: Berlin, Tankredstraße
Datum: 21. Juni 2010

Ganze Häuserzeilen in der Nähe des Attilaplatzes sind wie mit dem Tuschkasten bemalt, auch in der Attilastraße. Bruno Tauts Tuschkastensiedlung liegt in Falkenberg, sollte er hier auch ...? Ja, er hat hier gebaut, aber die farbigen Häuser sind nicht von ihm. Die Taut'schen Häuser liegen gegenüber auf der Attilahöhe, zwischen Tankredstraße, Paul-Schmidt-Straße und Attilastraße, und sind nicht farbig, sondern werden durch Klinkertürme und Glasflächen überraschend plastisch geformt. In der Form eines Kinderspielzeug-Kreisels, der sich auf seiner Spitze dreht, umschließen die Straßen die Wohnbebauung. Mitten drin liegt ein lauschiger Wohnhof, der in Parzellen unterteilt ist, als wären es Kleingärten. In den Innenhof hinein gestellt hat Taut einen eingeschossigen Bau mit viel Glas, der Läden, einen Kindergarten, die Heizzentrale und eine Wäscherei enthielt. In der Tankredstraße wird der Gemeinschaftsbau durch eine breite Glasfläche nach außen gespiegelt. Außer dem monumentalen Bau mit den fünf massigen Klinkerschornsteinen hat Taut hier weitere schlichte Etagenhäuser errichtet, die Schließung des Baublocks erfolgte später durch andere Architekten.

Attilagärten
Unser Rundgang zum Alarichplatz führt durch die Attilagärten, eine weitere Wohnbebauung um einen großen Innenhof herum mit viel Grün, aber nicht so abgeschlossen wie die Attilahöhe. Am Alarichplatz finden wir noch mehr Tuschkastenhäuser, immer wieder ist die Farbe blau dabei. Aber die Suche nach blauen Häusern führt mich in die Irre, Meyers Großes Konversationslexikon von 1908 bietet mir das Thema der "von einem Weib öffentlich gewerbsmäßig betriebene Preisgebung des eignen Körpers gegen Entgelt an jeden Beliebigen" an, dies sei in China unter anderem in blauen Häusern erfolgt. Gottlob bewegt sich bei uns die "öffentliche Sittlichkeit in aufsteigender Richtung und man hat gegenüber frühern Zeiten kein Recht, über zunehmende Verwilderung zu klagen" lese ich dort und kann mich beruhigt wieder unserem Spaziergang zuwenden, auch wenn das Rätsel der blauen und andersfarbigen Häuser zunächst ungelöst bleibt.

Marienhöhe
Ptolemäus ist uns geläufig für seine Theorie, dass die Erde der Mittelpunkt des Universums sei und alle anderen Planeten und Sterne um sie kreisen. Galilei Galileo wusste es später besser, worüber die Kirche nicht erfreut war, aber das ist eine andere Geschichte. Claudius Ptolemäus war ein griechischer Mathematiker, Geograph, Astronom, Astrologe, Musiktheoretiker und Philosoph, dessen (übrige) Erkenntnisse als umfangreiche Datensammlungen und wissenschaftliche Standardwerke im heutigen Wissensschatz verankert sind. Das führt unmittelbar zu unserem nächsten Flanierziel, der Marienhöhe, die früher Rauenberg (von "raue Berge") hieß oder auch Filmberge, weil der helle Sand gern als Drehort für Monumentalfilme im Wüstenmilieu genutzt wurde.

Die wichtigste Funktion dieser Erhebung aber, der zentrale Vermessungspunkt Deutschlands, wurde in einer Kiesgrube verbuddelt, und das kam so: Basierend auf Ptolemäus' Anleitung zur Kartographie war ein Dreiecksnetz über das Land gelegt worden, ein Bezugssystem der Landesvermessung. Hierzu musste ein Bezugspunkt definiert werden, von dem aus das ganze Land vermessen wurde, und der lag - man ahnt es schon - auf dem Rauenberg, der heutigen Marienhöhe. Kirchtürme und andere hohe Gebäude eigneten sich nicht, da sie in weniger festen Untergrund einsinken konnten. Dass sich auch eine Anhöhe nicht immer eignet, zeigte sich hier, als man vor dem 1.Weltkrieg nach Sand und Kies buddelte und eine 80 Meter tiefe Grube hinterließ, vorbei war es mit dem Vermessungspunkt. Nach dem 2.Weltkrieg wurde mit Trümmerschutt die Anhöhe wieder aufgefüllt, aber da war der Fundamentalpunkt der Geodäten hier schon lange nicht mehr vorhanden. Heute hat man mit der Satellitengeodäsie andere Bezugsgrößen gefunden, und so bleibt nur die Erinnerung in Form eines Gedenksteines, der das Dreiecksnetz und einen Hinweistext zeigt.

Inzwischen ist die Abenddämmerung hereingebrochen, und so streben wir zu einem Italiener am Fuß der Marienhöhe, um uns zu stärken. Aufmerksam und zügig bedient finden wir den Weg zurück zum U-Bahnhof Ullsteinstraße.

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Dieser Spaziergang führte uns schon einmal zur Marienhöhe: Der schwarze Stier aus der Unterwelt

Mehr über Landvermessung und trigonometrische Punkte: Heim für Kolonisten und für Ausgebombte

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Unsere Route
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Maikäfer im Bunker
Rasende Züge und unerfüllte Liebe