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Stadtbezirk: Pankow Bereich: Wilhelmsruh Stadtplanaufruf: Berlin, Niederstraße Datum: 11. April 2005
Durch Wilhelmshorst und Wilhelmslust bin ich schon gefahren, die Wilhelmsaue und Wilhelmstraße sind mir vertraut, aber wo liegt Wilhelmsruh ? Zur gleichen Zeit, als Frohnau, Lichterfelde-West und Grunewald Villenvororte wurden, entstand an der Straße von Reinickendorf nach Rosenthal die Colonie Wilhelmsruh. Ob wirklich Wilhelm eins gern hier mit Gefolge geritten ist oder ein Anwohner mit Vornamen Wilhelm, der hier seine Ruhe finden wollte, dem Ort seinen Namen gab - es gibt mehrere Versionen der Geschichte.
Nachdem wir in der letzten Woche an der Georgenkirchstraße die "Höchste Straße" gefunden hatten, interessierte mich natürlich, warum in Wilhelmsruh eine "Niederstraße" existiert. Sollten wir vom einen zum anderen Montag die gesamte Höhenausdehnung Berlins bezwungen haben ? Mitnichten, der Rosenthaler Gemeindevorsteher und Großgrundbesitzer Carl Nieder gab der Straße seinen Namen.
Die Heidekrautbahn (Kleinbahn) Richtung Schorfheide und die Nordbahn (Fernbahn) Richtung Oranienburg kamen in Wilhelmsruh zusammen und hatten hier getrennte Bahnhöfe nebeneinander, beide ebenerdig. Die Nordbahn wurde später auf einen Viadukt verlegt, die Heidekrautbahn blieb ebenerdig. 1924 wurde dann auch eine Straßenbahn Richtung Reinickendorf angeschlossen. Beim Mauerbau wurde der S-Bahnhof nach Norden zugemauert. Von der Wollankstraße war uns bereits eine solche Grenzsituation in Erinnerung, dass die S-Bahn auf Westgebiet fuhr, unmittelbar nach Norden anschließend lagen der Mauerstreifen und (Ostberlin-)Pankow. Der S-Bahnhof Wilhelmsruh liegt nur 2 Stationen von der Wollankstraße entfernt, der Ortsteil, den er erschließt, gehört zu Pankow und war während der Mauerzeit also von hier aus nicht erreichbar.
Der Bahnhof der Heidekrautbahn wurde nach dem Mauerbau abgerissen, die Bahn endete jetzt weiter nördlich und fuhr nicht mehr bis Wilhelmsruh.
Aber wir sind nicht an die Nordkante von Reinickendorf (und dem alten Westberlin) gefahren, um Erörterungen über Straßen- oder Ortsnamen oder Bahnverbindungen anzustellen. Wir sind einem Industriedenkmal auf der Spur, dem Abspannwerk Wilhelmsruh, das an der Kopenhagener Straße für die Stromversorgung errichtet wurde (Drehstrom aus dem Kraftwerk von 30 kV auf 6 kV "abgespannt"). Der Hausarchitekt der Bewag, Hans Heinrich Müller, hat hier ein fast expressionistisches Backsteingebäude errichtet, das als Tragekonstruktion ein Stahlskelett enthält. Das Gebäude hat die Form einer Ordensritterburg, die einen im Innern errichteten Rundbau schützt. Alles ist so gut abgeschirmt, dass uns nur die Ecktürme mit den Wohnhäusern, nicht aber der innere Rundbau zu Gesicht kommen (--> 1).
Im nahegelegenen Volkspark Schönholz sehen wir uns das sowjetische Ehrenmal an. Monumentale Architektur und hehre Worte. Kontrast zum Treptower Ehrenmal, das den Sieger feiert: hier setzt man mehr auf Trauer als auf Siegerpose.
In diesem Park soll früher das Fest der Seidenwirker, das "Fliegenfest" gefeiert worden sein. Mit 260 Tausend Quadratmetern war er angeblich der größte Vergnügungspark Deutschlands. Wir haben heute nur den kleinen Teil diesseits der Germanenstraße (!) gesehen, den Rest heben wir uns für eine spätere Stadtwanderung auf.
Nachdem auf unserem Rundgang ein Lamborghini-Fahrer und ein Ferrari-Fahrer aus einem mexikanischen Restaurant herausgekommen sind, beschließen wir, dem Lokalkolorit zu folgen und essen hier ganz passabel.
------------------------------------------ (1) mehr zur Stromversorgung: Umspannwerke/Abspannwerke
spätere Besuche > in Schönholz: Messerstecher in der Heide > in Wilhelmsruh: Vier Enden hat Berlin
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