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Ein marginaler Stadtteil


Stadtteil: Köpenick
Bereich: Oberschöneweide
Stadtplanaufruf: Berlin, Nalepastraße
Datum: 16. Mai 2007

Zwischen Spree und Rummelsburger Landstraße, also in einem "marginalen Stadtteil" (am Rande liegend, unwichtig) wie das kulturwissenschaftliches Seminar der Humboldt-Universität in einer Untersuchung ungeschminkt formuliert, versteckt sich das Funkhaus Nalepastraße in der Natur, die Eingänge zum Gelände sind abgeschottet, die Gebäudeeingänge versteckt. Wir scheitern an der Eingangskontrolle, Flaneure will man hier nicht haben, es gibt schön Ärger genug.

Als der DDR-Rundfunk 1951 aus der Masurenallee auszog (das spätere SFB-Funkhaus gegenüber den Messehallen war russisches Hoheitsgebiet) fand man gegenüber dem Plänterwald eine ehemalige Furnierfabrik, die zum Rundfunk- und später Fernsehzentrum ausgebaut werden konnte. Die neuen Studios waren wegen ihrer besonders guten Akustik geschätzt. "Jedes Studio hat ein eigenes Fundament, eigene Wände, ein eigenes Dach. Dadurch wird die Schallwellenübertragung von einem zum anderen Raum verhindert, so dass die Aufnahmen von der Außenwelt völlig abgeschirmt sind. Unterschiedlich große Studios mit veränderlichen Wänden und Bodenbelägen sowie ausgeklügelten Reflexionswinkeln durch nichtrechteckige Grundrisse ergeben eine Vielzahl natürlicher akustischer Räume" warben 2003 die Berliner Hörfestspiele für ihre Veranstaltung "Nalepasound".

Die Nalepastraße verläuft parallel zur hier brückenlosen Spree durch mehrere Kleingartenanlagen, sie ist nicht durchgängig befahrbar. Zu der Abschottung des Rundfunks in seinem nicht repräsentativen Stadtumfeld heißt es in der Studie der Humboldt-Universität : "Abschließung gegen das Umfeld (ist) ein bewusstes Kompositionsprinzip ..., welches sich bis zum Inneren des Gebäudes, bis in die Sendesäle fortsetzen wird: ... Der Architekt (hat) bewusst eine trennende Schicht Natur in die Planung miteinbezogen."

Dieses Versteck kommt dem ins Gerede gekommenen Gelände heute gerade recht: Nachdem es von den fünf neuen Bundesländern als Eigentümer für gut ein Hunderstel seines Wertes an eine "Bau und Praktik GmbH" verkauft wurde, zeigte dieser neue Eigentümer seine wirkliche "Praktik" (da meinen manche, Namen haben keine Bedeutung). Anstelle der Entwicklung des erwarteten Medienstandortes verkauften sie die werthaltigen Teile an andere Erwerber. Im Februar 2007 versuchten die Staatsanwaltschaft mit einer Großrazzia den strafrechtlichen Teil dieser Vorgänge aufzuklären.

Entlang der Köpenicker Chaussee und Rummelsburger Landstraße liegt eine bedeutsame Industrielandschaft, in der Fußgänger wie wir sich selten verirren, nur die Autokolonnen, von Ampeln in Pulks zerschnitten, beherrschen die Straße. Vattenfall (früher Berliner Elektrizitätswerke) beherrscht die Grundstücke links und rechts der Straße. Das alte Kraftwerk Rummelsburg war von 1906 an 60 Jahre in Betrieb, bevor es stillgelegt wurde. Die prägnanten Bauten des Bewag-Hausarchitekten Hans Heinrich Müller, in denen Berlins erstes Dampfturbinenwerk betrieben wurde, sind zum Teil erhalten und suchen nach einer neuen denkmalgerechten Nutzung. Vorschläge reichen von Yachthafen und Produktionsstandort bis zur Indoor-Golfanlage und zum Kulturstandort.

Zur Zeit bietet eine Eventagentur diese Räume an: "Das monumentale Gebäudeensemble mit Maschinenhalle und Betriebsgebäude ist für größere Events hervorragend geeignet. Die Ausstrahlung des Gebäudeensembles bietet aber auch sehr interessante Motive und Flächen für Film-Produktionen, Produktpräsentationen und Ausstellungen. Stützenfreie, bis zu 16m hohe Maschinenhalle mit Durchbrüchen in das katakombenartige Untergeschoss. Natürliche Belichtung über große Fenster und Eisendach mit Glasbändern. Direkt über balkonartige Schaltanlage angeschlossenes Betriebsgebäude mit interessanten Einbauten und morbidem Charme im Bereich der Betriebsräume."

Gegenüber am Blockdamm stand einst ein Gaswerk, das 1914 errichtet wurde . Es galt als das modernste in Berlin und versorgte den gesamten Osten der Stadt bis nach Rahnsdorf und Hohenschönhausen. 1985 endete die Produktion. Die Gebäude verfielen. Heute ist noch ein Wasserturm mit einer expressionistischen Fassade erhalten, auch hier steht der Name Vattenfall an den Eingängen.

Von weitem sieht man die Schornsteine des 1925 zu beiden Seiten der Köpenicker Chaussee erbauten Kraftwerks Klingenberg, das damals das größte und modernste Kraftwerk Europas war. Die hohe Luftverschmutzung, unter der die Lichtenberger Anwohner litten, wurde erst in den sechziger Jahren durch den Bau von Schornsteinen mit Filtern beseitigt. Im April 2007 beschäftigt man sich im Bezirk mit den Plänen von Vattenfall, in Rummelsburg ein neues Steinkohle-Kraftwerk zu errichten. Auch hier geht es um die Begrenzung des Schadstoffausstoßes.

Unser Auto ist am anderen Ende der Nalepastraße vor der Edison-Grundschule geparkt. Vor der Schule steht eine kleine Verkaufsausstellung auf einem Anhänger: zwei geflügelte Pferde ziehen einen Streitwagen mit Rosselenker, das ganze ist zu verkaufen.

In dieser "marginalen Gegend" finden wir kein geeignetes Restaurant, deshalb verschlägt es uns ans Planufer ins "Defne". Wir sind begeistert über ideenreiche wohlschmeckende türkische Küche, auch mein Kalbsgeschnetzeltes mit Brotkrumen und Joghurtsauce ist ein guter Abschluss dieses Spaziergangs.

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Abendstimmung am Britzer Zweigkanal