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Die drinnen sind, können nicht mehr heraus


Stadtteil: Schöneberg
Bereich: Matthäusfriedhof
Stadtplanaufruf: Berlin, Großgörschenstraße
Datum: 6. April 2009

Das Reich des Todes ist geheimnisvoll, aber auf den Friedhöfen finden wir nur das, was die Lebenden sich darunter vorstellen, und den Versuch, dem Unausweichlichen das entgegenzusetzen, das als Verbindung bleibt: die Erinnerung. So ist der Friedhof nicht der Aufenthaltsort der Verstorbenen, sondern der Lebenden, deren Erinnern hier sichtbar Gestalt angenommen hat. Friedhofsbesuche sind die Möglichkeit, die Spuren des Erinnerns aufzunehmen. Heute besuchen wir den Matthäusfriedhof an der Großgörschenstraße. auf dem sich seit 1856 die Geschichte und Kulturgeschichte Berlins, Preußens und Deutschlands widerspiegelt.

Der ansteigende Hauptweg des Friedhofs folgt dem Höhenunterschied vom Berliner Urstromtal zur Höhenlinie des Teltows im Süden. Prächtige Mausoleen und eindrucksvolle künstlerische Grabmale zeigen die (damalige) Wohlhabenheit der Kirchengemeinde und ihrer Mitglieder. Ein Teil des Friedhofs wurde wegen Speers Germania-Planungen vernichtet, einen 120 Meter breiten Monumentalboulevard zwischen Südkreuz und Reichstag zu schaffen. Die Gräber wurden in den 30er Jahren zum Südwestkirchhof Stahnsdorf umgebettet.

Bethel Henry Strousberg, der "Eisenbahnkönig", hatte sich hier von seinem Hausarchitekten Orth ein letztes Palais bauen lassen, bevor alle seine Unternehmen in mehreren Ländern pleite gingen (siehe meinen Bericht "Glücksritter der Industrialisierung"). Eine "große Trauernde" sitzt am Grabdenkmal Wahllaender (Geheimer Hofrat und Leibzahnarzt) in Sichtweite von Strousberg.

Zufällig sind wir an Alfred Messels 100.Todestag hier. Über seine Bauten hatte ich vor weinigen Wochen berichtet ("Verbesserung des Zustandes der Fabrikarbeiter"). Das Grabmal wurde von seinem Schüler Eugen Schmahl entworfen, es fällt durch seine eiförmigen Pfosten auf, die durch eine Stahlbrüstung verbunden sind.

Gottes Auge und Hände und die goldenen Strahlen der aufgehenden Morgensonne, durchzogen von Wolkenbändern, davor eine Trauernde, über einen Sarkophag gebeugt - die Grabstätte Hofmann im Stil italienischer Renaissance ist ein künstlerischer Höhepunkt des Friedhofs. Ganz in der Nähe ein Gegenentwurf der Schlichtheit - die kräftig, lebensgroße Figur eines Trauernden an der Grabstätte des Komponisten Schwarwenka.

Der Privatfriedhof Hansemann ist die größte Grabanlage auf diesem Friedhof: ein Mausoleum, ein Atrium mit Sitzbänken, Säulenreihen auf drei Seiten, das ist der "Campo Santo". Am oberen Friedhofsende ruht der Molkereibesitzer Bolle in einer aus weißen Steinen gemauerten neogotischen Burg. Ein antiker Gedenkstein in Form einer viereckigen Säule erinnert an den Bankier und preußischen Finanzminister von der Heydt, dessen weiße Villa am Landwehrkanal steht.

An die Gebrüder Grimm erinnern nur schwarze gleichförmige Grabsteine. In ihrer Nachbarschaft tragen zwei lebensechte bronzefarbene Nackte eine kupferfarbene Phantasie-Baum-Schale. Ursula Luller-Hochhuth ist hier beerdigt, die Frau des Dramatikers Rolf Hochhuth, ihr ist die Inschrift: "Das ewig Weibliche zieht uns hinan" gewidmet (auf dem Friedhof wäre "hinunter" realistischer, könnte aber symbolisch missverstanden werden).

Zwei Architekten haben sich ein Wandgrab gebaut, vor dem ein aufwendiger Bronzedeckel die Gruft überspannt. Ein Logenmeister der Freimaurer wird in einem Grabmal gezeigt, das entfernt an die halbrunden Nischen mit Buddhafiguren erinnert. Er trägt die Ehrenzeichen seiner Loge, die Werkzeuge Zirkel und Winkelmaß aus Bronze zieren das Grabmal.

Wir verlassen den Friedhof (zu) spät, bedrängt von einem Mann mit Schlüsselbund, obwohl es noch taghell ist. Dass der Friedhof abgeschlossen werden soll, erinnert mich an Mark Twains Ausspruch über die Unsinnigkeit von Friedhofsmauern. Die dort liegen, können nicht mehr heraus, die draußen sind, wollen nicht herein, wozu also umgibt man Friedhöfe mit Mauern?

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Mohr im Dunklen