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Wir kommen aus Dalldorf


Stadtbezirk: Reinickendorf
Stadtplanaufruf: Berlin, Alt Wittenau
Datum: 21. November 2006

Von unserem heutigen Rundgang kommen wir aus Dalldorf zurück. "Dalldorf", das heute Wittenau heißt, hatte sich nach der Einrichtung der städtischen Irren- und Idiotenanstalt 1877 lange bemüht, seinen alten Namen loszuwerden, was ihm erst 1905 gelang. Gebracht hat das nicht viel, der Volksmund passt sich schnell an. Heute gehört man eben nicht mehr nach Dalldorf, sondern nach Wittenau, wenn man etwas gaga ist, oder in Bonnies Ranch, wie die Bonhoeffer-Heilstätten seit den 70er Jahren manchmal abgekürzt werden. Den neuen Namen entlehnte man damals von dem Amtsvorsteher Peter Witte, dessen Hof an der langgestreckten Dorfaue Alt Wittenau lag.

Das Berliner Tageblatt berichtete am 01.03.1904 in seiner Morgen-Ausgabe: "Als abends der aus der städt. Irrenanstalt Dalldorf entflohene geisteskranke Schmied August Mellinat in seiner Wohnung im vierten Stocke des Hauses Lübecker Straße 7 zur Wiedereinlieferung in die Anstalt abgeholt werden sollte, stürzte er sich aus dem Fenster in den Hof hinab und starb auf der Stelle." Ein tragischer Tod. Vom Geisteskranken aus der Irrenanstalt zu schreiben, wäre heute nicht mehr politisch korrekt. Man kann hoffen, dass neben der Sprache auch das Fachgebiet in den hundert Jahren dazugelernt hat.

Wittenau wurde zwischen 1558 und der Eingemeindung nach Berlin 1920 immer wieder hin- und hergereicht. Es gehörte zum Amt Spandau, zum Amt Oranienburg, zum Amt Niederschönhausen, zum Amt Mühlenhof und schließlich zum Kreis Niederbarnim. Die Kirche auf dem Dorfanger ist aus dem 15. Jahrhundert, sie ist Reinickendorfs ältestes Denkmal. Das Rathaus, das gleich um die Ecke am Eichborndamm steht, ist aber kein Wittenauer Bau, sondern 1911 schon als Reinickendorfer Rathaus gebaut worden. Barocke Formen, ein Portal aus Muschelkalk, graue holländische Dachziegel und ein 55 m hoher Turm beeindrucken den Betrachter. Entworfen hat den Bau der Architekt Fritz Beyer, von dem auch mehrere Wohnanlagen in Reinickendorf mit expressionistischen Anklängen stammen.

Die goldene Aufschrift im Rathausportal "Jedem das Seine und Gott die Ehre" kann man heute kaum unbelastet lesen, war der erste Teil dieses Spruchs doch der zynische Text über dem Portal des Konzentrationslagers Buchenwald. Dabei geht "Jedem das Seine" auf Cicero zurück ("Suum cuique") und ist eine klassische Definition der Gerechtigkeit. Die Feldjäger der Bundeswehr haben jedenfalls keine Assoziationen gefürchtet und benutzen dieses als ihren Wahlspruch.

Im Rathaus von Reinickendorf ist auch das Standesamt untergebracht. Es bietet einen besonderen Service, wie man auf meinem Foto sehen kann: "Standesamt, Kundenservice Vermessung". Ich habe bei zwei Hochzeiten nie einen solchen Service angeboten bekommen und werde mich auch nicht zum Testen dieses neuen Angebots aus meinem heutigen Glück zurückziehen. Wie das Relief von Eulenspiegel an den Reinickendorfer Rathauseingang kam, habe ich bisher nicht herausfinden können, so übermittle ich das Bild ohne weiteren Kommentar.

Der Eichborndamm war ursprünglich von der Funktion her die "Bahnhofstraße", die den 1873 an der Nordbahn angelegten Bahnhof mit dem Dorf verband, heute zerschneidet sie die Dorfaue. Südlich der Heilanstalt wurde an der Kremmener Bahn ein weiterer Bahnhof errichtet (heute S-Bahnhof Bonhoeffer Heilstätten). Auch eine Pferdebahn fuhr zu den Heilstätten.

Das Märkische Viertel das jenseits des Oranienburger Damms liegt, wurde als eine Art Satellitenstadt im Ortsteil Wittenau konzipiert, bevor es zu einem eigenen Ortsteil Reinickendorfs wurde. Auch Borsigwalde, der neue Standort von Borsig nach dem Wegzug von der Chausseestraße in Mitte wurde auf Wittenauer Gebiet erbaut.

Setzen Sie den Spaziergang hier fort: Wie riecht Berlin?

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(1) Mehr über den Architekten Fritz Beyer: Beyer, Fritz
(2) Einen weiterer Spaziergang zum Rathaus Reinickendorf, nach Alt-Wittenau, zur Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik finden Sie hier: Wie riecht Berlin?


PLOBS ist auf der Höhe der Zeit
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