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Die Wanne ist voll


Stadtteil: Prenzlauer Berg
Bereich: Wasserturmplatz
Stadtplanaufruf: Berlin, Rykestraße
Datum: 9. März 2020
Bericht Nr.:690

Wir sind bei unseren Stadtwanderungen im Prenzlauer Berg bisher den Radialstraßen Schönhauser und Prenzlauer Allee sowie Greifswalder Straße stadtauswärts gefolgt. Den Wasserturmplatz und seine Umgebung haben wir bisher vernachlässigt, deshalb wollen wir uns ihm heute widmen. Dabei kommen wir zur Rykestraße, die vom Wasserturm aus nordwärts führt. Die Rykes waren ein Patriziergeschlecht, es waren vornehme, begüterte Bürger, die zur Oberschicht gehörten. Nach den Sprachverschiebungen seit dem 12. Jahrhundert wurde der Name zu "Reich" (Ryke, Rike, Reich). Bernd Ryke, dem die Straße gewidmet ist, war Berliner Bürgermeister in einer schwierigen Zeit der Auseinandersetzung mit dem Landesherrn.

Bernd Ryke und der "Berliner Unwille"
Der letzte deutsche Kaiser Wilhelm II. hatte auf der Siegesallee in Tiergarten Denkmale aller 32 Markgrafen und Kurfürsten Brandenburgs in fortlaufender Reihe aufstellen lassen. Diese "Réclame Royale" wurde vom Volksmund als "Puppenallee" verspottet. Jede Hauptfigur war flankiert von zwei wichtigen Zeitgenossen. Dem Kurfürsten Sigismund, der Brandenburg in zwei kurzen Etappen regiert und schließlich an die Hohenzollern verhökert hatte, stand Bernd Ryke zur Seite, Bürgermeister der Stadt und Spross einer reichen Ratsfamilie.

Der Wechsel zu den Hohenzollern brachte die selbstbewusste Stadt in Bedrängnis. Der Kurfürst Friedrich "Eisenzahn" machte den gerade erst 10 Jahre vorher vollzogenen Zusammenschluss von Berlin und Cölln rückgängig und schränkte die Bürgerrechte ein. In krasser Symbolik war auf dem neuen Stadtsiegel zu sehen, wie der Brandenburger Adler den Berliner Bären in seinen Klauen hielt. Die Berliner wählten einen aus der nächsten Generation der Rykes - wieder einen Bernd Ryke - zum Bürgermeister und damit zum Kopf des Widerstandes gegen den Herrscher.

Eisenzahn wollte seine Residenz von Brandenburg nach Berlin verlegen und zwang Cölln, ihm den Bauplatz für das Stadtschloss zu überlassen. Dazu zog er mit 600 Reitern in die Doppelstadt ein. Als der Kurfürst den Grundstein gelegt hatte und wieder abgezogen war, öffneten die Berliner, nicht feige, die Wehre der Spree und setzten das begonnene Bauprojekt unter Wasser. Und sie arretierten den kurfürstlichen Richter.

Doch diesen "Berliner Unwillen", diese Widerspenstigkeit, konnte Eisenzahn brechen und die Anführer wie Bernd Ryke vor dem kurfürstlichen Hofgericht in Spandau zwingen, sich zu unterwerfen. Ryke verlor seine Besitzungen, musste eine Strafe bezahlen und durfte Cölln, Berlin, Spandau und Frankfurt an der Oder nicht mehr betreten. Bei dem Kurfürsten von Sachsen wollte er Unterstützung finden, auf dem Weg dorthin wurde er ermordet. Beerdigt hat man ihn in Wittenberg, wo gut 70 Jahre später ein weiterer aufrechter Mann unter dem Schutz eines sächsischen Kurfürsten stand und seine Lehre verbreiten konnte - Martin Luther.

Synagoge
In Sichtweite des Wasserturmplatzes steht die Synagoge Rykestraße in einem von Wohnhäusern umgebenen Innenhof. Dieser Lage verdankt das jüdische Gotteshaus, dass der Bau in der Pogromnacht der Nazis nicht zerstört wurde, die angrenzenden Häuser wären sonst gefährdet gewesen. Eine Parallele zur Synagoge in der Oranienburger Straße: Ein Polizist war den SA-Leuten entgegengetreten und hatte verhindert, dass das Gotteshaus ein Raub der Flammen wurde.

Wasserturmplatz
Vom Berliner Urstromtal der Spree geht es im Norden 15 Meter nach oben zur Hochfläche des Barnim. Gletscher hatten hier hügelige Ablagerungen hinterlassen, der Wasserturmplatz an der Prenzlauer Allee war eine dieser Anhöhen. Weiter südlich lag der Windmühlenberg zwischen Saarbrücker und Metzer Straße. Friedrich der Große hatte dort die Aufstellung von Mühlen gefördert, unter den Bockwindmühlen und Holländermühlen gab es anfangs auch eigene Mühlen des Königs. Auch am Wasserturmplatz wurden Mühlen errichtet.

Um 1850 schob sich die Bebauung an die Anhöhe heran, die Mühlen verschwanden. 1852 wurden auf dem Plateau ein 33 Meter hoher Steigrohrturm gebaut und ein offenes Wasserbassin angelegt und mit dem ersten Berliner Wasserwerk vor dem Stralauer Tor verbunden. In dem Steigrohr wurde das Wasser in die Höhe gepumpt, um genügend Druck für die Versorgung der Häuser herzustellen.


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Die Engländer hatten das technische Know-how für die Einrichtung der Wasserversorgung, das den Berlinern fehlte. Genau wie bei den Gasanstalten überließ die Stadt die Einrichtung und den Betrieb englischen Unternehmen, bis sie selbst dazu in der Lage war und die Engländer wieder ausbooten konnte. Die von englischen Ingenieuren gegründete "Berlin Waterworks-Company" wurde 1852 beauftragt, doch schon nach 15 Jahren nahm die Stadt die Wasserversorgung in eigene Hände und errichtete 1877 den ersten Wasserturm Berlins auf dem Windmühlenberg.

Einen fülligen Rundbau, den die Berliner "Dicker Hermann" nannten. Warum Hermann? Vielleicht nach dem vielbeschäftigten Stadtbaurat Hermann Blankenstein, dessen überall im Stadtgebiet zu sehende gelb verklinkerte städtischen Bauten in der Optik dem gelb verklinkerten Turm ähnelten. Obwohl nicht Blankenstein, sondern Wilhelm Vollhering den Turm entworfen hatte. Wegen dieses technischen Bauwerks wird der ehemalige Windmühlenberg heute inoffiziell Wasserturmplatz genannt.

Oben im Turm wurde ein Wasser-Hochbehälter eingebaut, in den sechs Etagen darunter entstanden Wohnungen für die Mitarbeiter des Wasserwerks, die heute noch als Mietwohnungen begehrt sind. Nach der Zusammenlegung städtischer Wohnungsgesellschaften ist heute die Gewobag Eigentümer der Wohnungen. Der Steigrohrturm wurde 1915 stillgelegt, der Wasserturm 1952.

In der Nazizeit hatte die SA in einem Maschinenhaus des Wasserreservoirs für kurze Zeit ein "wildes" Konzentrationslager eingerichtet, in dem politische Gegner verhört, gefoltert und ermordet wurden. Mit dem Abriss des Maschinenhauses wurden 1935 alle Spuren beseitigt, nur eine Gedenktafel erinnert hieran.

Den unterirdischen Wasserspeicher zu einer Bibliothek umzubauen - eine Idee der Nachwendezeit - erwies sich als nicht finanzierbar, aber für temporäre Kunstprojekte kann er genutzt werden. Das schon einmal 1915 als Schmuckplatz angelegte Gelände auf der Anhöhe ist inzwischen mit Rosenstöcken und anderen Gehölzen, sogar mit einem kleinen Weinberg, als Grünanlage gestaltet worden. Für den Blick von hier oben lohnt es sich, die gewundene Treppe auf den Berg heraufzugehen.

Fassadenpracht
Die Wohnhäuser in dem Quartier um den Wasserturm sind überwiegend in den 1870er und 1880er Jahren erbaut worden. Eine von Großbanken gegründete Terraingesellschaft, die Aktiengesellschaft für Grundbesitz und Hypothekenverkehr, hatte Grundstücke im Umkreis des Windmühlenbergs parzelliert und bebaut. Das älteste Haus in der Metzer Straße 13 von 1844 steht nur noch in der Denkmaldatenbank; in Wirklichkeit wurde der Bau durch das Haus einer Baugruppe ersetzt. Die historisierenden Fassaden der erhalten gebliebenen Wohnhäuser können erst in der Nachwendezeit instandgesetzt oder nachgestaltet worden sein, zu DDR-Zeiten sah es hier eher trist aus.

An den historischen Häusern werden wie überall in Berlin auch klassizistische Elemente zitiert, aber hier sind die angedeuteten Kapitelle mit Schnörkeln verziert, in die Giebel über den Fenstern sind Medaillons oder Schleifen eingearbeitet. Als Fensterbekrönungen werden Tympanon (Dreiecksgiebel) oder Rundbogen verwendet. Mehrere Fenster - zwei oder drei - werden mit diesen Formen als Blendgiebel zu Gruppen zusammengefasst.

Und dann mischen sich die Stilzitate mit den Dekorationen und ausschweifenden Formen des Barock. Die prachtvollen Verzierungen der Fenster scheinen hier in der Stadt Schinkels zu einem rauschhaften Höhepunkt aufzulaufen. Girlanden, Frauenköpfe, Männerköpfe, Tierköpfe, Blumen. Auch mal ein Freimaurer-Zeichen im Lorbeerkranz, man vergisst fast, auf den Weg zu achten.


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"Paar in der Badewanne"
Die Wanne ist voll, es regnet, auf dem Mittelstreifen der Metzer Straße muss sich das "Paar in der Badewanne" von Stephan Horota über Wassermangel nicht beklagen. Auch die Becher sind gefüllt, die die üppigen Badenden in den Händen halten.

Hat man in der Kollwitzstraße die Stufen zum Café Dreikäsehoch erklommen, dann gibt es kein Zurück mehr: Käsetorten, in deren lockerer Käsemasse Früchte aus der Region und von weiter weg eingelegt sind. Oder Eierlikör, Baileys oder Champagner, den wir zwar nach unserem Stadtspaziergang verdient hätten, aber doch lieber beim nichtalkoholischen Angebot bleiben. Die auf Quarkbasis beruhende Grundmasse lässt keinen Stein im Magen zurück, fröhlich kehren wir heim. Jeder in sein Zuhause, das wir hoffentlich auch in der nächsten Woche - zu einem weiteren Flanierziel unterwegs - trotz Pandemie verlassen können.

Die Stadtwanderung können Sie hier in der Kollwitzstraße fortsetzen. In dem Bericht ist auch die Herkunft der Straßennamen erläutert, die auf französische Orte verweisen.

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Unsere Route:
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Fähnchen schwenkend in das Sprungtuch
Einzigartig ist viel besser als perfekt