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Landreiter, Hasenheger und Wildmeister


Stadtteil: Neukölln
Bereich: Buckow
Stadtplanaufruf: Berlin, Alt-Buckow
Datum: 22. Juli 2019 (Update zu 4. August 2008)

Zwei Autobahnzubringer teilen das Dorf wie ein Fadenkreuz, eine Großwohnsiedlung hat sich hineingesetzt und die Ansiedlung zusätzlich in zwei Teile auseinander gerissen. Das Dörfliche wurde in Buckow gesichtslos an den Rand gedrängt, als Autofahrer begreift man das nicht, was man als Fußgänger sieht: Es ist alles noch da, Kirche und Kirchhof, Dorfteich und Windmühle, Gasthof und Schule, märkische Vierseithöfe, Häuser der Großbauern und Kossäten (Kleinbauern), aber die dörfliche Anmutung ist verschwunden. Die Dörfer, aus denen Berlin zusammengewachsen ist, sind in der Großstadt in unterschiedlichem Maße sichtbar geblieben oder durch Verstädterung, Verkehrsführung und Neubebauung unkenntlich geworden.

Das Nachbardorf Britz hat der Gutsbesitzer von Hertzberg bereits im 18.Jahrhundert vom Durchgangsverkehr befreit. Über die Buschkrugallee werden sein Gutshof mitsamt Schloss und die bäuerlichen Anwesen samt Kirche und Schule umgangen. Jedes Berliner Dorf hat seine eigene Geschichte, als Beispiele seien genannt: Auch Marzahn - es hat nicht nur Plattenbau-Hochhäuser - konnte seinen Dorfkern sichern. Dieses Glück hatten die Dörfer Biesdorf und Friedrichsfelde (eines der größten Berliner Dörfer) nicht, bei denen die Bundesstraße nach Frankfurt/Oder mehrspurig den Dorfkern durchschneidet.

Das Dorf Buckow
An die dörfliche Vergangenheit Buckows erinnern die Namen der Buckower Bauern- und Handwerkerfamilien, auf den Straßenschildern unterhalb der Johannistaler Chaussee: Kesten, Haewerer, Bernt, Hogenest, Großcreutz, Rensch. Doch es sind nur historische Reminiszenzen, die Gegenwart sieht anders aus. Die Bebauung hat in diesen Straßen nichts dörfliches, aber auch nichts städtisches, sie ist ein gesichtsloses Mischmasch kleiner und größerer Häuser, denen es an der Phantasie fehlt, ein Stadtbild zu prägen.

Eine weitere Serie von Straßennamen benennt historische Berufe aus der Zeit, als Buckow noch ein Dorf war: Landreiter (Bote, Überbringer von Nachrichten), Hasenheger (kurfürstliches Aufsichtspersonal über den Wildbestand in der Hasenheide), Heideläufer und Wildmeister (beides Förster), Landschöppe (Richter).

Das Dorf hatte 1375 bereits einen Krug und eine Mühle, 1624 kam eine Schmiede hinzu. 1858 gab es hier mehrere Handwerker, die wahrscheinlich auch durch das Fernstraßenkreuz Buckow angezogen wurden: Sattler, Stellmacher, Schuhmacher, Bäcker, Konditor, Schneider. Südlich von Alt-Buckow und Johannisthaler Chaussee erstreckte sich links und rechts des Buckower Damms das Gut Buckow, auf dem ein heute nicht mehr vorhandenes Schloss stand. Das Gut Buckow wurde nicht von Adligen bewirtschaftet, sondern von wohlhabenden Bürgern, die deren Rechte erworben hatten und als Lehnsbesitzer auch deren Pflichten übernehmen mussten: Steuern und Abgaben entrichten, körperliche Arbeiten ("Hand- und Spanndienste") leisten.

Nachdem die Gutsländereien weitgehend parzelliert und verkauft wurden, steht nur noch der neoklassizistische Bau Alt-Buckow 37 auf ehemaligem Gutsgelände. Der dörfliche Charakter Buckows wurde vielfach durch Fachwerkbauten geprägt. Die Bauweise hielt sich bis zum Beginn des 20.Jahrhunderts, zeitgleich mit der Eingemeindung nach Groß-Berlin 1920 war es damit vorbei.

Drei historische Schulen
Eine Fachwerkscheune kann man noch neben der Alten Schule von 1785 in Alt-Buckow 21a
sehen. Sie ist aber kein Original, sondern eine "gediegene Rekonstruktion". Das Schulgebäude bestand aus nur einem Raum, der gleichzeitig dem Lehrer als Wohnküche, Schlafstube und Schneiderwerkstatt diente, denn er war gelernter Schneider, ein "Quereinsteiger".

Ab 1849 fand der Unterricht in Alt Buckow 39 statt. Der einstöckige neoklassizistischen Bau war Gemeindehaus, Pfarrhaus und Schule. Heute wird das Haus als Kita genutzt. 44 Jahre später zog die Schule in einen roten Klinkerbau in Alt-Buckow 17. Mit zwei Stockwerken und sieben Fensterachsen ragt er aus der dörflichen Bebauung heraus und zeigt großstädtische Einflüsse, die den Strukturwandel weg vom Ländlichen sichtbar machen.


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Dorfkirche
Die Dorfkirche aus dem 13.Jahrhundert ist eine der ältesten Berlins. Sie wurde aus Feldsteinen errichtet, mit ihren kleinen Fenstern und dem massiven quadratischen Torturm wirkt sie trutzig wie eine Festung. Reste der mittelalterlichen Ausmalung im Innern zeigen unter anderem eine Abendmahlsszene. An der Kirche befindet sich auch der Friedhof mit alten Grabsteinen aus der dörflichen Zeit.

Vierseithof
Am Buckower Damm 200 rahmen die Hallen von Lidl und einem Bettenlager eine weiße Villa mit säulenumstandenem Vorbau ein. Die so gar nicht dazu passenden rot und gelb verklinkerten Backsteinställe neben der Villa zeigen die landwirtschaftliche Vergangenheit dieses Anwesens: Es handelt sich um einen Vierseithof, dessen Bauernhaus radikal von historisierendem Zierrat befreit wurde und damit seine Bauzeit aus den 1880er Jahren verbirgt.


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Die Satellitenaufnahme legt nahe, dass die beiden umgebenden Verkaufshallen auf ehemals zu diesem Hof gehörenden Flächen errichtet worden sind. Es war ein großes Gehöft, auf dem Landwirtschaft und Schweinezucht betrieben wurde.

Straßenbenennungen
Auf unserem Weg ins westliche Buckow wundern wir uns über zwei Straßenbenennungen. Wir sind auf dem "Hochspannungsweg" unterwegs, doch wir sehen keine Freileitung. Offensichtlich verläuft das Elektrokabel unter unseren Füßen, es ist nach Benennung des Wegs verbuddelt worden, denn der Straßenname wird wohl kaum von der unterirdischen Infrastruktur abgeleitet.

Über den "Asbestweg" haben wir als nächstes gerätselt. Hier wird eine Wunderfaser geehrt, die später als extrem gesundheitsschädigend erkannt wurde und seitdem in einer gigantischen Aktion entsorgt wird. Die Straßenbenennung erfolgte Jahre bevor die Gefährlichkeit erkannt wurde. Wahrscheinlich hat das Bezirksamt die Mühen einer Umbenennung gescheut.

Parksiedlung Spruch
Eine Kleingartensiedlung mit Namen "Spruch" musste 1995 einem neuen Wohnquartier Platz machen, der Parksiedlung Spruch. Errichtet wurden einzeln stehende Mehrfamilienhäuser mit Ein- bis Vierzimmerwohnungen in 40 Grundrissvarianten. Den Bewohnern stehen entweder ein Garten, Wintergarten oder eine Terrasse zur Verfügung. "Behagliches Wohnen in beliebter Wohnanlage" nennt das eine Immobilienanzeige und bietet eine Mietwohnung für 9 Euro kalt pro Quadratmeter an.

Die Parksiedlung ist eine "städtische Siedlungsform in offener Bauweise mit hoher Außenraum- und Wohnfeldqualität", nur 20% der Grundstücksfläche wurden bebaut. Die weißen Wohnwürfel mit gläsernen Wintergärten sind schnörkellose Bauten im Geiste der Neuen Sachlichkeit. Ein Jahr nach Fertigstellung wurde die Parksiedlung Spruch mit dem Architekturpreis der Deutschen Architekten ausgezeichnet.


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Kleinhaussiedlung "Neue Heimstatt"
Südlich angrenzend an die Parksiedlung liegt die vorstädtische Kleinhaussiedlung "Neue Heimstatt". 1918 hatte die Jüdische Gemeinde die bis dahin landwirtschaftlich genutzten Flächen gekauft, um hier einen Friedhof als Nachfolger des Jüdischen Friedhofs Weißensee anzulegen. Sie gab diese Idee irgendwann auf, musste dann das Gelände an die Naziregierung verkaufen, die hier 1944 eine Behelfssiedlung zur Unterbringung "luftkriegsbetroffener" Personen einrichtete.

Während des Zweiten Weltkriegs wurden Bomben nicht nur auf Regierungs- und Industriegebäude abgeworfen, auch Wohnviertel sind bombardiert worden, um die Bevölkerung zu demoralisieren. Hunderttausende wurden obdachlos. Um kein revolutionäres Potenzial in der Bevölkerung entstehen zu lassen, sorgten die Nazis für Notunterkünfte zur Unterbringung von Bombengeschädigten. In Buckow bestanden die Behelfsheime aus dünnen unverputzten Betonplatten und waren höchstens 20 qm groß. Sie waren ausgestattet mit einem Kanonenofen und einer Kochstelle. In den Unterkünften gab es weder Wasser noch Strom, statt dessen ein Plumsklo hinter dem Haus und gemeinschaftliche Wasserstellen.

Bald nach Ende des Krieges räumte das Bezirksamt die Behelfsbauten ab und errichtete eine Kleinhaussiedlung für die ehemaligen Bewohner der Notunterkünfte. Die rund 48 Quadratmeter großen Wohnungen in Doppelhäusern standen auf knapp 700 Quadratmeter großen Grundstücken, die nicht als Eigentum, sondern in Erbpacht gegen entsprechende Pachzahlungen vergeben wurden. Die (nebenberufliche) landwirtschaftliche Nutzung war vorgesehen, es war ein ähnliches Modell wie bei den Siemens-Siedlungen in Spandau.

Jetzt fürchten die Siedler um ihre Wohnungen, das Bezirksamt will ihnen die Grundstücke zu den exorbitant gestiegenen Berliner Grundstückspreisen verkaufen oder die Pacht entsprechend heftig erhöhen. Das ist für die meisten Bewohner nicht leistbar.

Windmühle
Bei unseren ersten Besuch in Buckow im Jahr 2008 haben wir den Spaziergang im Norden des Dorfes am Buckower Damm beendet. Dort stehen die Mühle (Holländer-Windmühle von 1865) und das Wohnhaus des Müllers. Eigentlich ist es die Buckower Mühle, aber als "Britzer Mühle" inmitten des "Britzer Gartens", dem Gelände der Bundesgartenschau, hat sie von der Benennung her das Dorf gewechselt. Heute spielt das keine Rolle mehr, ist ja alles Neukölln und damit Berlin.

Damals hatten wir unseren Rundgang an dieser Mühle beendet und waren und in die Gaststätte gleichen Namens eingekehrt. Es gab eine extra Pfifferlingskarte, die zeigte, dass man hier weiß, was Saison hat und wie man es wohlschmeckend auf den Teller bringt. Die Bushaltestelle vor der Tür machte uns den Rückweg zur U-Bahn Hermannstraße sehr bequem.

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Unsere Route:
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Rote Häuserfront im Gutshof Britz
Sein oder Haben-Wollen