Bezirke
  Straßenverzeichnis     Personen     Themen     Aktuell     Forum  
Charlottenburg-Wilmersdorf
Friedrichshain-Kreuzberg
Lichtenberg
Marzahn-Hellersdorf
Mitte
Neukölln
Pankow
Reinickendorf
Spandau
Steglitz-Zehlendorf
Tempelhof-Schöneberg
Treptow-Köpenick
Allgemein:
Startseite
Ich bin NEU hier
Hinweise
Kontakt
Impressum
Datenschutz
Links
SUCHEN
Sitemap

Der ruhende Schatten


Stadtteil: Lichtenberg
Bereich: Friedrichsfelde
Stadtplanaufruf: Berlin, Einbecker Straße
Datum: 1. Oktober 2025
Bericht Nr.:871

Auf der Einbecker Straße sind wir heute von Friedrichsfelde bis Rummelsburg unterwegs, einer Bezirksregion, die auch "Neu-Lichtenberg" genannt wird. Die Straße ist nicht spektakulär, ein U-Bahnhof, Wohnblöcke, ein Punkthochhaus, etwas Kunst am Wege, mehrere Grünflächen wechseln sich ab. Und doch gibt es einiges zu erzählen.

Die Entstehung der DDR in den Köpfen der "Gruppe Ulbricht"
In einem unscheinbaren Mietshaus in der Einbecker Straße entstand direkt nach Kriegsende die DDR - in den Köpfen der "Gruppe Ulbricht", einer Gruppe sowjettreuer Kommunisten. Sie waren aus Moskau geschickt worden, um aus Deutschland ein Land nach Stalins Vorstellungen zu machen, das heißt um einen Sozialismus nach sowjetischem Vorbild aufzubauen.


mit KLICK vergößern

Ulbricht hatte die Devise ausgegeben, "Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben". In der Sowjetischen Besatzungszone ("SBZ") wurden Stalins Vorgaben nicht vollständig umgesetzt, den Deutschen stand der Sinn mehr nach Volksfront als nach Klassenkampf. Aber das reichte, um mithilfe des Zentralkomitee der SED die Alleinherrschaft einer Partei zu etablieren. Parteihymne: "Die Partei, die Partei, die hat immer recht“.

Interessant ist, wie die DDR selbst mit ihrem Gründungsmythos umgegangen ist: Zehn Jahre lang hat sie die Existenz der Gruppe Ulbricht völlig verschwiegen. 1963 wurde eine Gedenktafel in der Einbecker Straße angebracht mit dem Text, dass in diesem Haus "am 9.5.1945 die antifaschistisch- demokratischen Kräfte unter Führung von Walter Ulbricht begannen mit der Herstellung der Einheitsfront von KPD und SPD". Nach Ulbrichts Entmachtung durch Honecker wurde die Tafel 1973 ersetzt durch den Text, hier befand sich 1945 "der Sitz des Zentralkomitees des KPD", Ulbricht wurde nicht mehr erwähnt. Die übliche Geschichtsklitterung, unerwünschte Personen zu tilgen, wofür man sie in anderen Fällen sogar aus Fotos herausretuschierte.

Heute ist die Hauswand an der Einbecker Straße leer. Nach der Wende wanderte die Tafel ins Heimatmuseum.

Auch die Amerikaner hatten sich zum Ziel gesetzt, die Deutschen nach Kriegsende nach ihrer Ideologie zu formen: "Nation Building", Herausbildung einer neuen nationalen Identität. Die USA finanzierte beispielsweise mehrere Studentendörfer in Berlin und richtete dort Tutorenprogramme ein, die den Studenten politische Bildung beibringen sollten. Doch die Begeisterung der Studenten für die Arbeitsgruppen war äußerst mäßig, sie hielten mehr von Tanzveranstaltungen und Dorfpartys, wie die Initiatorin Eleanor Dulles erschüttert feststellen musste. Die Programme wurden bald eingestellt.

So war die Teilung der Stadt schon vorprogrammiert, als die letzte Kriegshandlung geendet hatte.

Das Punkthochhaus
Die Einbecker Straße ist vor der Einmündung der Massower Straße unterbrochen, um Platz für ein Punkthochhaus zu schaffen. Wie von den Architekten geplant, bildet es mit seinen 18 Etagen auf 55 Metern eine städtebauliche Dominante inmitten der Wohnbauten mit der üblichen Berliner Traufhöhe (Höhe der Dachkante) von 22 Metern. Das Hochhaus von 1969 ist vom Typ WHH GT 18, (Wohnhochhaus Großtafel 18 Etagen), also ein DDR-Plattenbau Wie es mit seinen farbigen Balkons in die Höhe strebt, wird es allerdings heute nicht mehr als DDR-Platte wahrgenommen.


mit KLICK vergößern

Der Elefant an der Wand
Ein großer und ein kleiner Elefant an einer Wasserstelle: Das Bild füllt komplett eine Gebäude-Seitenfläche in der Einbecker Straße aus. Damit zeigt die Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE "urbane Lebensraumgestaltung". Nähere Informationen über das Thema und die Künstler gibt das Internet nicht preis. Vielleicht Tiere wegen der Nähe des Tierparks?


mit KLICK vergößern

Pantoffelgrün
Die eingezäunte Grünfläche neben dem Gebäude soll ein Gräserpark werden, "um die Attraktivität des Gebietes zu erhöhen". Gegenüber - westlich vom U-Bahnhof - besteht bereits eine weitere Grünfläche, klein und gepflegt. Wegen ihrer Nähe zu den Wohnungen werden solche Flächen auch "Pantoffelgrün" genannt.

Das bunte Haus
An der Ecke Archenholzstraße treffen wir auf eine weitere Wandbemalung. Sie zeigt ausgiebig Situationen mit Hintersinn. Ein Pinguin angelt eine Tonne, an der eine Warnung vor Radioaktivität zu sehen ist. Eine Weltkugel ist mithilfe eines Reißverschlusses teilweise geöffnet, im Innern explodiert eine Atombombe. Ein weiteres Szenenbild ist HELP überschrieben: Zwei Vögel rangeln im Fluge um einen Anker, ein dritter Vogel fliegt mit dem Erste-Hilfe-Koffer davon.


mit KLICK vergößern

An der nächsten Ecke stehen zwei mit Graffiti vollgemalte Kleinlastwagen, es scheint hier eine "malerische" Gegend zu sein.

Plastiken und Skulpturen
Die Bildhauerwerke in der Einbecker Straße findet man nicht auf Anhieb, weil sie innerhalb von Grundstückshöfen stehen. Eine DDR-Künstlerin, die schon früh das "freie Gestalten" statt des sozialistischen Realismus wagte, schuf einen zwei Meter hohen Tröpfelbrunnen aus grün glasierter Keramik, der in dem sprießenden Grün auf dem Hof eines Seniorenheimes fast untergeht. Kelchförmigen Öffnungen der Säule waren die Wasseraustritte. "Pflanzen und Früchte" ist der Titel, das Kunstwerk hat Blätter und Blüten, die kugelförmige Gebilde sind die Früchte. Der Brunnen ist nicht mehr in Betrieb, aus dem Brunnenbecken wurde ein Pflanzkübel.

In einer Wohnanlage, die sich mit Einfahrt und Zugang zur Straße öffnet, sind zwei unterschiedliche Plastiken zu finden. Am Rand eines Wandreliefs stehen mehrere Figuren in unterschiedlichen gymnastischen Posen. In ihren Bewegungen sehe ich ein Freiheitsstreben. Meine Mitflaneurin entdeckt eine Wasserfläche, in die mehrere Figuren eintauchen oder daraus herauskommen. Nichts davon im Namen, das Wandrelief ist "alpha und omega" benannt, also nach Anfang und Ende des griechischen Alphabets.


mit KLICK vergößern

Die Wohnanlage wurde nach der Wende errichtet. Zurückgesetzt hinter der Garageneinfahrt ist das zweite Kunstwerk aufgestellt. Die Bronzeplastik eines amorphen menschlichen Körpers, der hingeplättet auf einem Sockel liegt. Sie wird seinem Titel "Der ruhende Schatten" voll gerecht.


mit KLICK vergößern

Wohnbauten und Siedlungen
Im Rummelsburger Bereich der Einbecker Straße bis zum Bahngelände Lichtenberg sind in den 1930er Jahren mehrere Wohnsiedlungen an der Irenenstraße, Metastraße, Friedastraße, Wönnichstraße, Weitlingstraße erbaut worden. Bereits in den 1920er Jahren war weiter östlich an der Lincolnstraße ein Block mit Mietwohnungen erbaut worden, der untypischerweise von Vorgärten mit niedrigen Büschen eingefasst war. Geschaffen hat diese Wohnanlage der Architekt Paul Mebes.

Gemeindeschule
In Sichtweite vom U-Bahnhof Friedrichsfelde hatte die Landgemeinde Friedrichsfelde 1893 eine Knabenschule an der Rummelsburger Straße eingerichtet, als durch den Zuzug von Arbeitskräften und ihren Familien die kommunalen Aufgaben wuchsen. Bis 2003 war dort eine staatliche Schule tätig, dann schloss der Senat die Grundschule. Die Evangelische Schule Lichtenberg übernahm des Schulgebäude, die Schulstiftung konnte es schließlich kaufen.

Ein historisches Foto von 1970 - ungarische Gelenkbusse vor der Schule -, bringt ein anderes Thema der Ostblockstaaten ins Blickfeld: Die Arbeitsteilung im Ostblock auf Geheiß von Stalin. Jedes Ostblockland spezialisierte sich auf einen Produktionsbereich, eine Aufteilung, die nicht nur Vorteile hatte, weil sie Monokultur bedeutete.


mit KLICK vergößern

Für Ungarn war es vorteilhaft, sich zum größten Bushersteller im Ostblock zu entwickeln. Ungarische Ikarus-Gelenkbusse waren in der DDR und im gesamten Ostblock weit verbreitet und bekannt für ihre Robustheit und Funktionalität im Stadtverkehr. "Groß, hoch und deshalb unbequem. Aber man kannte damals keine Alternative. Schließlich war es wichtig, mitzukommen und dies vorzugsweise auch noch pünktlich". Die Busse auf dem Foto waren auf Testfahrt in Berlin. Ein Mitfahrer berichtet zu dem Foto: "Ich konnte kostenlos mitfahren. Es war saukalt, die Heizung funktionierte nicht".

Andere Länder im Ostblock haben sich auf Landwirtschaft, Rohstoffabbau oder Ölindustrie spezialisiert. Ein Ostblockland, das die Monokultur mit riesigen Umweltschäden bezahlen musste, ist Usbekistan. Seine Baumwollproduktion verbrauchte erheblich mehr Wasser, als die Natur bereitstellen konnte. Deshalb trocknete der Aral-See fast aus, die Ausdehnung halbierte sich, das Wasservolumen ging um 90 Prozent zurück.


mit KLICK vergößern

Zamenhofpark
An der Marie-Curie-Allee verlassen wir den Ortsteil Friedrichsfelde und wechseln nach Rummelsburg. Westlich der Allee verlief der Friedrichsfelde-Lichtenberger Grenzgraben und mündete am Bolleufer in den Rummelsburger See. Heute ist das nur noch ein Regenwasserkanal. Wo früher der offene Graben verlief, ist später an der Einbecker Straße der Zamenhofpark entstanden, eine Grünanlage, die den Erfinder der Esperanto-Sprache ehrt. Eine Grünfläche mit einem Rondell, umstanden von Büschen und Gehölzen, dahinter ein Spielplatz mit Spielgeräten.


mit KLICK vergößern

Esperanto
Dass ein Mann, der die Sprachen Russisch, Jiddisch, Polnisch, Hebräisch, Griechisch, Latein, Deutsch, Französisch, Englisch spricht, nach einer allumfassenden Völkerverständigung sucht, ist naheliegend. Ludwig Zamenhof ist der Erfinder der Kunstsprache "Esperanto", mit der er der zerstrittenen Menschheit eine gemeinsame Sprache schaffen wollte. Er hoffte damit, die biblische "babylonischen Sprachverwirrung" zu überwinden. Unter dem Pseudonym Doktor Esperanto veröffentlichte er seine Plansprache, der auf den Begriff "Hoffnung" zurückgehende Name wurde dann zum Begriff für die Sprache selbst. Er war studierter und promovierter Mediziner, konnte sich also mit Recht in seinem Pseudonym auch Dr. nennen.

Dr. Zamenhof veröffentlichte u.a. eine Grammatik für das Jiddische und eine „Menschheitslehre“ als ein Bekenntnis zur Völkerverständigung. Zehn Jahre lang arbeitete er an seiner Bibelübersetzung ins Esperanto. Es gibt bis heute eine engagierte Anhängerschaft für Esperanto, aber statt "einer" Weltsprache haben sich je nach Weltregion Englisch, Spanisch, Französisch, Chinesisch (Mandarin) oder Arabisch durchgesetzt.
--------------------------------------------------------------

--------------------------------------------------------------
Unsere Route:
--------------------------------------------------------------

zum Vergrößern ANKLICKEN



Ein Ozeandampfer hält auf den Besucher zu