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Die vier Leben eines Gasometers


Stadtteil: Kreuzberg
Bereich: Graefekiez
Stadtplanaufruf: Berlin, Fichtestraße
Datum: 7. September 2022 (Update zu 24. Januar 2005)

Im Dreieck von Hasenheide, Körtestraße und Fichtestraße erstreckt sich ein Wohnquartier mit gut erhaltenen Gründerzeithäusern und einem ungewöhnlichen Nachbarn: dem Fichtebunker (dazu später). Das Quartier liegt am Rand des Graefekiezes, der über die Urbanstraße hinweg bis zum Planufer am Landwehrkanal reicht. Der Kiez ist ein begehrtes Wohnquartier. Um das bauliche Erscheinungsbild zu erhalten und die Bewohner möglichst vor Verdrängung zu schützen, ist der Graefekiez unter Milieuschutz gestellt worden. Luxusmodernisierungen sollen damit verhindert werden, gegen Mieterhöhungen beim Mieterwechsel und hohe Neubaumieten hilft das nicht.

Autofreier Kiez
Eine besondere Form von "Milieuschutz" ist jetzt gestartet worden: Autofreier Kiez - das Parken im öffentlichen Raum soll für einen Zeitraum von 6 oder 12 Monaten verboten werden, Versorgungsfahrzeuge bleiben erlaubt. Während dieses Feldversuchs werden verbilligte Parkplätze (30 € monatlich) in einem Parkhaus angeboten, das je nach Lage der Wohnung Fußwege von gut einem Kilometer erfordern kann. Für Carsharing sind gekennzeichnete Flächen im Kiez vorhanden, Mieträder und Mietlastenräder werden angeboten. Damit soll die These des Wissenschaftszentrums Berlin evaluiert werden, dass Menschen nur so lange ein eigenes Auto nutzen würden, wie kostenfreies Parken angeboten wird.

Antikes Wandbild
Wandbilder sind eine beliebte Ausdrucksform und Kunstform unserer Tage, Kreuzberg ist dafür ein Berliner Hotspot. Man muss nicht erst auf die Höhlenmalereien zurückgreifen, um zu belegen, dass es schon früher Kunst an Wänden gegeben hat. In Berlin sollen noch ungefähr zehn figürliche Fassadenbilder aus dem 19. Jahrhundert vorhanden sein, eines davon findet sich im gemeinsamen Innenhof zweier Häuser in der Fichtestraße.

Dem Zeitgeschmack von 1890 folgend wurden nicht nur Fassade, Tordurchfahrt und Treppenhaus aufwendig mit Stuck und Malerei gestaltet, überraschend findet sich auch auf der Brandwand im Innenhof ein monumentales Wandbild: Berge, ein See, Menschen an einem Tisch, ein junger Reiter, ein Paar, vermutlich Szenen aus Mozarts Oper "Don Giovanni". Eine Anwohnerin sagt: "Wenn man in den Hof kommt, hat man den Eindruck, man betritt ein Märchen. Der Adel hatte Schlösser und Gärten. Hier, im Hinterhof, wollte das Bürgertum wenigstens einen schönen Blick, ein Bild von einem idyllischen Arkadien".


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Die 200 qm große, stark verwitterten Wandmalerei war noch im Original vorhanden. Sie wurde restauriert und mitsamt Patina konserviert.

Toilettenhäuschen
Es gibt noch eine historische Hinterlassenschaft auf diesem Hof: Vor dem Wandbild stehend, ist ein hölzernes Toilettenhäuschen erhalten geblieben. Als die Wohnhäuser gebaut wurden, gab es in den Wohnungen noch keine Toiletten. Wenn ein Haus an Wasserversorgung und Kanalisation angeschlossen war, befanden sich Podesttoiletten außerhalb der Wohnung auf halber Höhe im Treppenhaus und wurden von mehreren Mietparteien benutzt, ansonsten gab es Abtrittanlagen auf den Höfen. Diese Aborthäuschen waren meist nur Bretterverschläge. Da sich auch Brunnen in den Höfen befanden, konnte die Nähe der Aborte zu den Brunnen zu einer "Verjauchung" des Wassers führen, Choleraerkrankungen waren häufig die Folge.

Die vier Leben eines Gasometers:

1. Gasometer
Um in Berlin eine Gasbeleuchtung einzuführen, ging die Stadt ein Joint-Venture mit einer englischen Gasgesellschaft ein. 1825 begannen die Engländer an der Gitschiner Straße mit dem Bau der ersten "Gas-Erleuchtungsanstalt". 1847 fiel deren Monopol, die Stadt hatte jetzt das Know-How, die Gasbeleuchtung in eigene Hände zu nehmen. Ebenfalls in der Gitschiner Straße, in der Nähe des englischen Gaswerks, entstand eine städtische Gasanstalt, die bis 1922 in Betrieb war. Um deren Lagerkapazitäten zu erweitern, wurden ab 1874 nach und nach zwischen Fichtestraße und Körtestraße vier Gasbehälter errichtet. Erhalten blieb der zweite Gasometer, der zuletzt bis 1937 vom Gaswerk Neukölln aus befüllt wurde.

2. Hochbunker
Der Gasometer-Backsteinbau stand nicht lange leer, bereits drei Jahre später wurde er in das Bunkerbauprogramm der Nazis einbezogen. Der Gasbehälter wurde ausgebaut, in die Backsteinumhüllung wurden meterdicke Wände aus Beton eingefügt. Die sechs Etagen des Bunkers wurden mit einer meterdicken Stahlbetondecke nach oben abgeschlossen. Entsprechend der vorgesehenen Verwendung als Mutter-Kind-Bunker erhielt das Bauwerk 750 kleine Schutzräume. Die Schleusen sind in einem Betonbau enthalten, der vor der Backsteinumhüllung angedockt wurde.

3. Unterkunft im ehemaligen Bunker
Nach dem Krieg diente der fensterlose Bunker zur Unterbringung von Flüchtlingen, als Jugendarrest, als Altenheim, als Obdachlosenasyl. Das waren ausgegrenzte Personen, und was liegt näher, als sie hinter den dicken Mauern eines Bunkers wegzuschließen? 18 Jahre nach Kriegsende wurde die Unterkunft dann endlich "aus hygienischen Gründen" geschlossen.

4. Senatsreserve
Danach wurde der Bunker bis zur Wende zur Einlagerung von Senatsreserve verwendet. Nach der Berlin-Blockade durch die Sowjets vier Jahre nach Kriegsende wollte man für den Fall einer Wiederholung vorsorgen. Der Senat legte in rund 700 Lagern, die über die ganze Stadt verteilt waren, Vorräte für die Bevölkerung an: Grundnahrungsmittel wie 128.000 Tonnen Getreide, 44.000 Tonnen Fleisch, 32.000 Tonnen Zucker, tonnenweise Senf und Leim, weiterhin 18 Millionen Rollen Toilettenpapier, Millionen von Glühbirnen, fast 300.000 Paar Schuhe, 10.000 Nachttöpfe, 25 Millionen Zigarren, 5.000 Fahrräder, 19 lebende Rinder. Das Eichhörnchenlager im Bunker enthielt Lebensmittel.

Die Auflösung des Senatslagers nach der Wende wurde zu einem Treppenwitz der Weltgeschichte. Den Sowjets, die mit der Blockade den Grund für die Senatsreserve gelegt hatten, wurde ein Viertel der Vorräte gespendet, um eine Hungersnot zu mildern, die in der Ära Gorbatschow nach der Auflösung der Sozialistischen Sowjetrepubliken entstanden war.

Wohnungen auf den Bunker
Nach der Wende verkaufte das Land Berlin den Bunker, auf der umgebenden Fläche sollten Wohnungen entstehen. In den fensterlosen Bunker mit meterdicken Wänden in 750 kleinen Räumen Wohnungen einzubauen, war faktisch unmöglich. Stattdessen wurden auf dem Dach des Bauwerks 13 Luxuswohnungen mit 150 bis 300 Quadratmeter Grundfläche auf zwei Etagen errichtet. Die Wohnungen erreicht man über einen freistehenden Aufzugs- und Treppenturm, der über eine Brücke mit dem Gasometer verbunden ist.


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Gasometer, Bunker, Unterkunft und Senatsreserve - bis zur Wende hatte das Bauwerk schon vier Leben, jetzt kam mit den Wohnungen noch ein weiteres hinzu. Gleichzeitig blieb aber das Innenleben des Bunkers sichtbar, der Verein Berliner Unterwelten bietet dort Führungen an. Auch am Denkmaltag 2009 konnte der Bunker besichtigt werden. Im Oktober/November 2003 zeigten dort internationale Künstler im Rahmen des "Kunstherbstes 2003" Arbeiten und Performances zum Thema - PARADIES. Die Kunst sieht, was der einfache Betrachter nicht sieht - hinter'm Horizont geht's weiter, und gleich nach der Hölle folgt das Paradies.

Kirche am Südstern
Das monumentale Kirchengebäude am Südstern wurde 1897 als evangelische Garnisonkirche eingeweiht, natürlich in Gegenwart der "Kirchenjuste" und Kaiser Wilhelms II., ihres Gemahls. Bauherr war keine Kirchengemeinde, sondern das Militär, denn die Kirche diente der am Ort stationierten Garnison. Dadurch kam es, dass sie im Laufe der Jahrzehnte durch mehrere Hände ging.


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Mit der Entmilitarisierung nach Ende des Ersten Weltkriegs verlor sie ihre Funktion als Standortkirche, aus der Staatskasse (Reichsfiskus) wurde sie weiter finanziert. Nächste Träger waren die Berliner Stadtmission und eine serbische Kirchengemeinde. Schließlich trennte sich der Staat von dem Eigentum am Kirchenbau und verkaufte diesen an eine christliche Gemeinschaft, die die "Gute Nachricht von Jesus Christus" predigt. Deren Angebote "richten sich grundsätzlich an alle, die auf der Suche nach Sinn und begründeter Hoffnung sind".

Wie es begann: Ein prominenter Kameramann aus Hollywood war als Missionar nach Berlin gekommen. Zuerst missionierte er in einem Zelt auf dem Potsdamer Platz: "Die Verkündigung der frohen Botschaft in seinem Evangelisationszelt auf dem Potsdamer Platz an der Sektorengrenze zog Massen von Menschen an. Durch zahlreiche Berichte von Wundern und Heilungen in den Gottesdiensten wurde die Presse auf die Veranstaltungen aufmerksam". Danach zog die Gemeinde vorübergehend ins Metropol-Theater am Nollendorfplatz ein. "Zur gleichen Zeit schossen in Deutschland überall charismatische Gruppen aus dem Boden. Menschen aus den verschiedensten Kirchen und Gemeinschaften begannen sich zu treffen und für Erneuerung der christlichen Bewegung in Deutschland zu beten". 1982 konnte das Gotteshaus am Südstern erworben werden, die Gemeinschaft hatte ihren Raum gefunden, Alles andere tat der Glaube, denn "über allem steht die unverrückbare Tatsache, dass Jesus allein Herr der Gemeinde ist".
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