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Villenviertel für den kleinen Mann


Stadtteil: Lichtenberg
Bereich: Alt-Hohenschönhausen
Stadtplanaufruf: Berlin, Gehrenseestraße
Datum: 12. April 2010

"Entschuldigung, wo finde ich die Gedenkstätte Hohenschönhausen?" frage ich den Blumenhändler am Friedhof Gärtnerstraße. Er stellt den Kopf etwas schräg, wirft einen prüfender Blick, dann fragt er zurück: "Sie meinen den Stasi-Knast?" Er geht wohl davon aus, dass ich die Wahrheit ertragen kann und weist uns den Weg. Als wir dort ankommen, ist es fünf Minuten vor fünf und die Pförtnerin hat erkennbar Sorge um ihren pünktlichen Feierabend, wir dürfen nur ein paar Schritte in den ersten Hof tun. Aber die Umfassungsmauer mit den Wachtürmen hat schon ihre Wirkung getan, hat Emotionen freigesetzt, einen Besuch mit mehr Zeit nehmen wir uns vor.

Hierher gekommen sind wir, weil wir wieder ein ehemaliges Dorf als Flanierziel ausgesucht haben, Alt-Hohenschönhausen. Vom S-Bahnhof Gehrenseestraße laufen wir heute bis zur Landsberger Allee. Ein Spaziergang durch mehrere Epochen der Stadtgeschichte, durchaus zu empfehlen zum Nachlaufen für Stadtinteressierte, die gut zu Fuß sind.

Wenn man aus der S-Bahn aussteigt, ist man auf der Gehrenseestraße gleich in der 1910 angelegten Gartenstadt Hohenschönhausen. Sozialreformerische Ideen liegen der in England begründeten Gartenstadtbewegung zu Grunde. Als Gegenbewegung zu den durch die Industrialisierung übervölkerten Städten sollten auf bisherigem Agrarland großräumig angeordnete niedrige Bauten mit eigenen Gärten entstehen (1). Durch genossenschaftliches Gemeinschaftseigentum wollte man die Bodenspekulation verhindern.

Ab 1892 waren am Orankesee und Obersee von der "Grunderwerbs- und Bau- Gesellschaft zu Berlin“ Villenkolonien errichtet worden. Henry Suermondt, der Eigentümer des Rittergutes Hohenschönhausen, brachte diesen Besitz in die Gesellschaft ein. Nach ihm ist ein Teil der ehemaligen Dorfstraße benannt. Die Gartenstadt sollte im Kontrast hierzu das "Villenviertel für den kleinen Mann“ sein. In den 1970er Jahren wurden am Rande der Siedlung Plattenbauten errichtet, die Straßen und Infrastruktur passte man der veränderten Einwohnerzahl an. Den Charakter der Gartenstadt kann der Besucher daher am besten erfassen, wenn er nördlich der breit ausgebauten Gehrenseestraße durch die mitmännlichen Vornamen benannten kleinen Anliegerstraßen läuft, bis er auf die Plattensiedlung trifft.

Gleich um die Ecke, an der Paul-König-Straße, gibt es eine in den 1920er Jahren errichtete Kleinhaussiedlung, die ihren Schöpfer Bruno Taut heute verleugnet, weil sein wesentliches "Ornament" und Gestaltungsmittel - die Farbe - beseitigt worden ist. Lediglich die senkrechten Klinkerbänder an den Hauswänden lassen die Bauten noch erkennen. Dunkelroter Fassadenputz, blaue und gelbe Giebel, weiße Türen und Fenster sind nicht wieder hergestellt worden. Die Torbauten am Beginn der Titastraße gehören zu einem nicht vollendete Vorgängerprojekt der Gemeine Hohenschönhausen.

Südlich davon kommt man über die Rhinstraße zur Hauptstraße und steht dort an einem mehrspurigen Hauptverkehrs-Knotenpunkt, der das alte Dorf Hohenschönhausen erschlägt, man muss es Haus für Haus wieder neu entdecken. Die Taborkirche am östlichen Ende der Hauptstraße wurde wohl kurz nach Gründung des Ortes 1230 errichtet. Daneben wurde 1848 die Dorfschule gebaut, die im Zeitenlauf auch schon Jugendheim, Polizeirevier und Lebensmittelkartenstelle war und jetzt leer steht, aber offensichtlich renoviert wird. Westlich davon steht das Gutshaus aus dem 17.Jahrhundert, auch "Schloss Hohenschönhausen" genannt, in dem nach den Gutsherren eine Zeit lang der Erfinder der Taschenlampe und der Trockenbatterie Paul Schmidt lebte, bevor es Kindergarten und Krankenhaus wurde. Heute bemüht sich ein Förderverein um das leer stehende Gebäude („Steine für das Schloss – ich bin dabei“). Das gegenüber liegende Einkaufszentrum Storchenhof trägt einen historischen Namen, es erinnert an ein Gasthaus und Tanzlokal, das kriegszerstört wurde. Über die architektonischen Gestaltungsqualitäten des Neubaus (vielleicht Storchenbeine?) mag der Leser selbst urteilen, ich füge ein Bild bei. Mehrere niedrige Bauernhäuser sind noch erhalten, sie wurden entweder bis zur Unkenntlichkeit umgebaut oder sind dem Verfall preisgegeben. Das ehemalige Rathaus am westlichen Ende der Hauptstraße verrät sich nur durch die Uhr im Giebel.

Aus der Löwen-Brauerei an der Degnerstraße ist inzwischen das Seniorenheim St.Albertus geworden, die dazu gehörige Fabrikantenvilla an der Konrad-Wolf-Straße ist abgeblättert, wird aber gerade restauriert.

Unseren Hunger haben wir bereits unterwegs in der Konrad-Wolf-Straße bei einem "singapurischen" Inder preiswert gestillt, bis 16 Uhr gab es Business-Lunch zum kleinen Preis.

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(1) Andere Berliner Gartenstädte finden Sie hier: Siedlungen unter dem Stichwort "Gartenstadt"

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Unsere Route
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Für mein Jeld jehste nich wieder baden
Augen auf und rein