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Siedlung für Spinner


Stadtteil: Köpenick
Bereich: Friedrichshagen
Stadtplanaufruf: Berlin, Bölschestraße
Datum: 24. Juli 2007

In der letzten Woche ging die Wanderung in Neukölln vom Friedrich-Wilhelm-Denkmal zum Wasserturm (1). Auch auf unserem heutigen Rundgang begegnen wir einem König, es geht in Friedrichshagen vom Friedrich-Standbild zum Wasserwerk.

Die obere Kante des Müggelsees und der Fürstenwalder Damm umfassen den Ortsteil Friedrichsfelde wie eine Raute. Angelegt wurde das "Kolonistendorf Friedrichsgnade" 1753 von Friedrich II. Hier kommt eine weitere Verbindung zum Neuköllner Spaziergang ans Tageslicht. Dort hatten die Böhmen dem König Friedrich Wilhelm I. ein Denkmal gewidmet, weil er sie ins Land geholt hat, hier in Friedrichshagen wurden Baumwollspinner ebenfalls aus Böhmen angesiedelt. Auf einer Müggelsee-Internetseite heißt Friedrichshagen deshalb "Siedlung für Spinner". Hunderte Maulbeerbäume säumten damals die Dorfstraße (jetzt Bölschestraße), weil die neuen Siedler auch Seidenraupenzucht betrieben (2).

Die ersten Siedler errichteten Häuser aus Lehm mit Schilfdach, nach und nach abgelöst durch niedrige Kolonistenhäuser aus Stein, bis dann Mietshäuser sich zwischen die einstöckigen Kolonistenhäuser zwängten. In kaum einem alten Dorf der Großstadt Berlin ist heute noch ein solch umfangreiches Miteinander der Bauten von Dorf und Kleinstadt erhalten.

Nachdem 1849 auf der Strecke nach Frankfurt/Oder der Bahnhof Friedrichshagen eröffnet wurde, entwickelte der Ort sich rasant als Ausflugsziel der Berliner und Villenvorort mit hervorragender Lage am Ufer des Müggelsees. Er wurde Seebad, hatte einen Kurpark mit Wandelhalle und Ausschank, entlang des Müggelseedamms entstanden Einfamilienhäuser und Villen. Man fuhr in Berlin in den Sommerferien "nach der See" und meinte nicht die Ostsee, sondern den Müggelsee.

Um 1890 gründete sich der Friedrichshagener Dichterkreis. Wilhelm Bölsche, nach dem die Hauptstraße benannt ist, war Mitglied dieses Kreises, dessen Programm u.a. die "naturwissenschaftlichen Grundlagen der Poesie" waren. 1926 wurde ein Tunnel unter der Müggelspree gebaut, als technische Meisterleitung damaliger Baukunst in zwei Teilen vorfabriziert und dann geflutet. Das Naturtheater Friedrichshagen wurde nach der Wende wieder aufgebaut, Ateliers und Galerien siedelten sich im Ort an.

Für die Wasserversorgung des Ostens wurde 1893 das Wasserwerk Friedrichshagen eröffnet, das wohl das schönste Wasserwerk Berlins ist: im Stil einer neugotischen Klosteranlage. Lassen wir die Stadtentwicklungsverwaltung für dieses Denkmal schwärmen: "Malerisch eingebettet in eine parkartige Uferlandschaft liegt das von Richard Schultze im Stil gotischer Klosteranlagen der Mark Brandenburg 1888-93 errichtete Berliner Wasserwerk Friedrichshagen am Müggelsee. Nach der technischen Planung von Henry Gill angelegt, war es damals das größte und modernste Wasserwerk Europas. Ursprünglich nur zur Gewinnung von Oberflächenwasser ausgelegt, entstanden 1903-06 Grundwasseraufbereitungsanlagen, 1925-27 wurden die Fördertechnik elektrifiziert.

Die Bauten sind nach Funktionen getrennt in Gruppen angeordnet (Schöpfmaschinenhäuser, Riesler, Langsamfilter und Fördermaschinenhäuser), jedoch zu separaten Fördersträngen miteinander vernetzt, so dass bei Havarien und technischen Störungen immer nur Teilkapazitäten betroffen waren. Die einzelnen Bauten sind ihrer funktionalen Bedeutung entsprechend gestaltet. Die Schöpfmaschinenhäuser erhielten z.B. eine palastartige Gestalt mit einer repräsentativen, zum See orientierten Schaufassade. Auch alle später errichteten Bauten blieben dem Vorbild der Schultzschen Architektur verpflichtet und fügen sich deshalb harmonisch in das Ensemble ein.

Die alten Anlagen des Wasserwerkes Friedrichshagen wurden inzwischen stillgelegt. In den Schöpfmaschinenhäusern B und C ist ein Wasserwerksmuseum eingerichtet (3).

Das Standbild Friedrichs II. ist schon das zweite Denkmal an dieser Stelle. Das 1904 aufgestellte Original fiel nach dem zweiten Weltkrieg Buntmetalldieben zum Opfer (auch das ist nicht neu, wenn heute Buntmetalldiebe in Berlin reihenweise Kanaldeckel auf LKWs verladen, um von dem hohen Rohstoffwert zu profitieren). Die Christopherus-Kirche am Marktplatz beeindruckt mit einem schönen Stufengiebel. Der Kirchturm, der gerade renoviert wird, war 1972 zum Teil eingestürzt und wurde verkleinert wieder aufgebaut. Auf hohem Sockel vor der Kirche schwebt ein preußischer Adler.

An der Bölschestraße finden wir zum Schluss einen gut frequentierten Italiener, das Essen schmeckt, nur die letzten 10 Euro des Wechselgelds werden etwas zu lange zurückbehalten. Nachdem wir uns angeregt über die Kolonistenhäuser und ihre heutige Wohnqualität unterhalten, bekommen wir vom Nebentisch aus angeboten, welche Häuser noch zu haben sind.

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mehr über Friedrichshagen: Ein seltener Fang
(1) Der Neuköllner Spaziergang: Wasserturm und König-Friedrich-Wilhelm-Denkmal
(2) Mehr über Seidenraupenzucht in Berlin: Seidenraupenzucht, Seidenproduktion
(3) Mehr über Wasserwerke: Wasserwerke

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