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Fliegende Kisten, Wollspinner und Strohhutflechter |
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Stadtteil: Treptow Bereich: Johannisthal Stadtplanaufruf: Berlin, Sterndamm Datum: 14. Juni 2025 Bericht Nr.:864
Bei der Frage nach Berliner Flughäfen denken wir natürlich zuerst an den BER, lange genug hat er uns beschäftigt. Tegel und Tempelhof, die nacheinander im Abstand von Jahrzenten geschlossenen Verkehrsflughäfen, kommen als nächstes in den Blick, vielleicht auch noch der britische Flughafen in Gatow. Dass die Historie der Berliner Fliegerei in Johannisthal begann, wird dagegen wenig bekannt sein.
Flughafen Johannisthal 1909 wurde in Johannisthal der erster Berliner Flughafen eröffnet, als ein internationales Wettrennen um die erste wirklich fliegende Kiste tobte. Das Rollfeld war zu Anfang nur 800 Meter lang. Ein deutscher Teilnehmer der Eröffnungsveranstaltung machte mit seinem Eindecker nur ein paar Hüpfer. Später in jenem Jahr landete ein Flieger in Johannisthal, der am Tempelhofer Feld (dem späteren Flughafen Tempelhof) gestartet war. Die Zuschauer jubelten, aber die Tempelhofer Polizei verpasste dem Piloten ein Strafmandat wegen groben Unfugs. 1910 gab es den ersten Rundflug über Berlin, von Johannisthal zur Siegessäule, dem Stadtschloss und wieder zurück. 1912 und 1913 wurden dann unter dem Titel "Rund um Berlin" Wettflüge veranstaltet.
Die erste Pilotin Melli Beese erwarb 1911 an ihrem 25. Geburtstag als erste Frau einen Pilotenschein. Sie hatte Vorlesungen in Mathematik, Mechanik, Schiffbau und Flugmechanik gehört, aber in der männlichen Domäne der Fliegerei war sie nicht willkommen. Nur widerwillig fand sich ein Fluglehrer bereit, mehrfach wurden ihre Flüge - teilweise lebensgefährlich - sabotiert. Als Fliegerin errang sie den Weltrekord im Dauerfliegen für Pilotinnen und den Höhenweltrekord für Pilotinnen. Schließlich gründete sie eine eigene Flugschule und entwickelte ein eigenes Flugzeug.
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Nach einem Leben mit manchen Höhen und vielen Tiefen nahm sie sich mit 39 Jahren das Leben. Nach dem Ersten Weltkrieg hatte sie nicht wieder Fuß fassen können. Mehr über Melli Beese und die Entwicklung der Fliegerei in Johannisthal finden Sie in meinem Bericht, der mit ihren Abschiedsworten überschrieben ist: "Fliegen ist notwendig. Leben nicht".
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Heute sind wir nicht wegen der Fliegerei nach Johannisthal gekommen, sondern um uns auf dem Sterndamm Richtung Süden zu bewegen und uns in umliegende Siedlungen umzuschauen. Auf dem Weg sehen wir mehrere Skulpturen, die vom Bezirksamt (Kulturamt) zu einem "Kunstpfad" hochstilisiert werden, obwohl sie nicht das Ergebnis eines gemeinsamen Projekts sind.
Johannisthal entwickelt sich Johannisthal entstand 1753 auf der Rudower Feldmark. Friedrich der Große hatte angeordnet, dass Rudow das Gebiet abtritt, um dort 10 Familien von Kolonisten sesshaft zu machen. Es entsprach seiner Siedlungspolitik, Exilanten ins Land zu holen, deren Fleiß und Kenntnisse in Preußen willkommen waren, um die Wirtschaft voranzubringen. Zu den Johannisthaler Einwanderern aus der Pfalz gehörten Wollspinner und Strohhutflechter, andere Quellen nennen Seiler. Ein "Kammerherr" erhielt den Auftrag, auf dem von Rudow abgetretenen Gebiet einen Gutsbezirk einzurichten. Ein Kammerherr war meist ein Adliger und gehörte zum innersten Kreis am Hofe.
Mehr als 110 Jahre später machte der 1868 an der Görlitzer Bahn eingerichtete Haltepunkt Neuer Krug – Johannisthal (heute Schöneweide) den Ort schnell zum beliebten Ausflugsziel der Berliner. Eine typische Entwicklung in den Dörfern im Einzugsbereich Berlins, die mit der Bahn zu erreichen waren - die Berliner auf Landpartie. Die zum Gut gehörende Landwirtschaft wurde nach und nach eingestellt. Die Terraingesellschaft "Baugesellschaft Johannisthal AG" parzellierte das Gutsgelände. Wer anfangs zur Landpartie herkam, siedelte sich vielleicht an und wurde in Johannisthal sesshaft, die Einwohnerzahl stieg. Wasser, Gas und Strom und Kanalisation wurden angeschlossen. Im Ausflugsort entdeckte man eine Quelle, seit 1884 hieß es "Bad Johannisthal".
Nahe der Quelle am Königsheideweg 289 legte man einen Kurpark mit Kurhaus an. Am Sterndamm entstand ein Villenensemble um die Villa "Bella Vista". Im Badehaus konnte man auch Kiefernnadelbäder nehmen. Lange dauerte der Badebetrieb nicht, nach 7 Jahren versiegte die Quelle und wegen immer neuer Mietshäusern verlor Johannisthal seinen Charakter als Erholungsort.
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Das Kurhaus ist nach Zwischennutzungen als Gaststätte und Kino zu einer Kirche umgebaut worden, die Konzertmuschel steht heute noch nahe der Kirche. Die Kirchenglocken auf einem mächtigen Gerüst bilden einen starken Kontrast zu dem schlichten Hallenbau der Kirche und sind wohl auch "höllisch laut".
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Das größte Kinderheim der DDR Idyllisch wirkt das "Begegnungszentrum Königsheide" an der Südostallee zwischen schattenspendenden grünen Bäumen. Die Häuser liegen weit auseinander, teilweise ergänzen Balkons die Altbauten. Nur die auf den Putz gemalten Bilder neben dem Eingangsgebäude erinnern an die frühere Nutzung als Kinderheim.
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Das 1953 errichtete Heim war das größte Kinderheim der DDR. Es ist benannt nach Anton Semjonowitsch Makarenko, einem bedeutenden Pädagogen aus dem sowjetischen Brudervolk, geboren in der Ukraine. Er etablierte die Fürsorge für verwahrloste Kinder und Jugendliche, hatte das Ideal einer Erziehung ohne Gewalt und autoritäre Lehrer. In der DDR wurde daraus unter seinem Namen eine Erziehung mit Drill, Gewalt, Misshandlung und Demütigung, wie ehemalige Heimkinder berichten. Bei der "Stiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur" kann man es nachlesen. Das Heim mit mehr als 600 Plätzen wurde erst 8 Jahre nach der Wende geschlossen.
Eingerichtet hatte die DDR-Heime die Sowjetischen Militäradministration. Es gab dann in der DDR-Jugendhilfe "Normalkinderheime" für Waisen sowie entwicklungsgefährdeter Kinder. Und "Hilfsschulheime" für die Sondererziehung der Kinder und Jugendlichen, die als "schwer erziehbar" galten oder gegen die Regeln des sozialistischen Staates verstießen. Ziel der Unterbringung war für alle, die Kinder und Jugendlichen zu regimekonformen "sozialistischen Persönlichkeiten" zu erziehen. Heute unterhält die Stiftung Königsheide dort ein Informations- und Begegnungszentrum. Die Häuser sind zu Wohnhäusern umgebaut worden.
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Kleinhaussiedlung Johannisthal Am Breiten Fenn vorbei erreicht man die Kleinhaussiedlung Johannisthal, die als Gartenstadt konzipiert wurde. Von den 3 Bauabschnitten von 1920 bis 1927 hat Bruno Taut den dritten an der Weststraße realisiert. Doppelhäuser auf der einen Seite und Reihenhäuser auf der anderen ergeben ein lebhaftes Stadtbild, das durch die geschwungene Straße noch verstärkt wird. Die Doppelhäuser hat Taut durch Stallanbauten verbunden. Die Fassaden der Häuser sind durch farbige Putzflächen zwischen waagerechten Klinkerbändern hervorgehoben.
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Am nördlichen Eingang zur Siedlung ist die Skulptur "Liegende mit Kind" aufgestellt. Ihre Oberfläche ist nur "grob formuliert", nicht bis ins einzelne ausgearbeitet. Laut Bezirkslexikon könnte es auch eine männliche Figur sein. Geschaffen hat das Werk eine deutsch-slowakische Bildhauerin mit ungarischen Wurzeln.
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Windspiel namens Amboss Nur ein paar Schritte sind es zur Kreuzung der überregionalen Straßen Sterndamm, Groß-Berliner Damm. Südostallee. Dort reckt ein Windspiel sein Flügelpaar aus glänzenden Aluminium gen Himmel. Sein Titel "Amboss" steht in starkem Kontrast zu der Beweglichkeit der Figur. Der Metallbildhauer Jan Skuin hatte bei Fritz Kühn Kunstschmied gelernt und dann an der Kunsthochschule Weißensee studiert.
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Ein Junges Paar - "Aufforderung zum Tanz" steht etwas versteckt in einem Innenhof am Groß-Berliner Damm. Beide Figuren schauen sich an. "Er hat sie wohl gerade zum Tanz aufgefordert, sie zögert noch etwas verhalten. Er ist der Aktivere, ausgedrückt in seiner leichten Schrittstellung. Das Paar hält sich an den Händen".
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DDR-Opfergedenken Bei der DDR hatte es sich im Abkürzungsfimmel eingebürgert, Opfer des Faschismus als OdF abzukürzen. Das erste Denkmal der DDR für diese Leidtragenden steht am Albineaplatz, einer kleinen Grünfläche am Sterndamm. Noch im Mai 1945 - die Stadt hatte gerade erst kapituliert - wurde dazu ein Kriegerdenkmal umgewidmet. Wahrscheinlich wurde ein behelmter Kopf auf dem quadratischen Sockel entfernt, um eine Sandsteinurne aufzusetzen. In Staaken hatten wir schon einmal ein "umgedrehtes Mahnmal" gesehen.
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Auf der Grünfläche steht vor dem OdF-Denkmal noch ein weiteres Mahnmal: Ein Gedenkstein für die in Johannisthal umgekommenen "Antifaschisten“ ohne die ursprüngliche Bronzeplatte.
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Geklautes Segelflugzeug Vor der Schule am Ellernweg stehen als Plastiken zwei Jungen, Der größere hält seine Arme angewinkelt über seinen Kopf, der Blick folgt den Armen. Der jüngere schaut aufmerksam dem älteren zu, blickt in dieselbe Richtung wie er. Seine Arme sind in Bereitschaft, um eventuell einzugreifen. Die Bronzefiguren mit grüner Patina werden erst verständlich, wenn man weiß, dass ursprünglich der ältere Junge das Modell eines Segelflugzeugs in den erhobenen Armen über seinem Kopf hielt. Die Figur aus den 1950er Jahren sollte an die Geburtsstunde des Flughafens vor 50 Jahren erinnern. Bereits ein Jahr nach Aufstellung wurde das Flugzeugmodell gestohlen.
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Vor dem Rathaus am Sterndamm balancieren drei Köpfe auf hölzernen Stelen in rund 1,60 Meter Höhe. Die abstrahierenden Gesichtsprofile sollen wohl als "künstlerischer Kommentar zur neueren deutschen Geschichte" verstanden werden. Sie heißen "Der Rufer“, "Der Seher“ und "Der Schnüffler“. Damit es nicht zu deftig wirkt, hat man dem letzteren den weiteren Namen "Der Stille“ beigegeben.
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Baut auf, baut auf Auch die letzten beiden Skulpturen, die sich am Knick des Sterndamms in einem Neubaugebiet der 1960er Jahre gegenüberstehen, sind politisch intendiert. In Rock, Schürze und Pantoffeln befreit die 1963 geschaffene "Aufbauhelferin" einen Trümmerstein vom Mörtel, damit er zum Aufbau wiederverwendet werden kann. Sie steht gebeugt, ihr Körper bleibt unter der Schürze verborgen.
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Im Gegensatz dazu wirkt die Russische Landarbeiterin im Felde sinnlich, in der aufrechten Haltung zeigt sie weibliche Konturen. Sie scheint gerade mit der rechten Hand die Saatkörner ausgestreut zu haben. Es ist ein weibliches Gegenstück zu dem "Sämann", der an der Lichtenberger Dorfaue an das dörfliche Leben erinnert.
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Nahe dem Rathaus können wir - vor einem Café sitzend - die müden Füße nach dem heute etwas längeren Rundgang ausruhen, bevor der Bus uns zum Ausgangspunkt S-Bahnhof Schöneweide zurückbringt. --------------------------------------------------------------
Angrenzend an Johannisthal liegt der Wissenschafts- und Medienstandort Adlershof, der einen Besuch lohnt.
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Freibier für einen Haifisch
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