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Ein durch Gutsbildung deformiertes Straßendorf


Stadtteil: Steglitz
Bereich: Einzugsgebiet der Schloßstraße
Stadtplanaufruf: Berlin, Markelstraße
Datum: 13. November 2024
Bericht Nr.:851

Die Steglitzer Schloßstraße mit Gutshaus, VW-Pavillon, Schwartzscher Villa, Titania-Palast und Bierpinsel hatten wir schon mehrfach im Fokus, auch als Einkaufsstraße und als nächtliche menschenleere Straße (*). Heute ist der Einzugsbereich interessant, dabei stoßen wir auf erstaunlich viele Grünanlagen. Keine Parks, aber eingestreute Erholungsflächen.

Die Bäke
Der Steglitzer Fluss - die Bäke - entspringt am Südhang des Fichtenbergs und kommt in einer Grünfläche unterhalb der Schloßstraße an die Oberfläche. So war es jedenfalls, bevor die Bäke in ein Rohr gezwungen wurde und nach einem Intermezzo am Bäkepark schließlich im Teltowkanal aufging. Im Stadtplan kann man den Verlauf über eine schmale Grünfläche heute noch verfolgen. Das Landbuch Kaiser Karls IV., das alle märkischen Dörfer und ihre Abgabenverpflichtung auflistet, verzeichnet Steglitz 1375 als "Straßendorf am Bäkequell". 1673 bekommt Steglitz einen Rittersitz und wird beschrieben als "durch Gutsbildung deformiertes Straßendorf".

Am Bäkequell
Die Grünfläche "Am Bäkequell" mit ihrer Vertiefung und vielen Findlingen lässt heute noch den Quellbereich erahnen, Wasser sieht man hier nicht mehr. Wenn im Stadtplan auf der Grünfläche ein "Saurier im Urstromtal" genannt wird, dann handelt es sich um eine mäßig angsteinflößende geschnitzte Holzfigur auf dem Spielplatz. Schüler der nahegelegenen Blindenschule haben an der Gestaltung des Spielplatzes mitgewirkt, Blinde können sich durch Orientierungstafeln in Blindenschrift und Seile als Handläufe auf dem Platz orientieren.


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Sieben Grünflächen
Auf einer Distanz von anderthalb Kilometern finden wir sieben Grünflächen entlang der Schloßstraße, im Durchschnitt also alle gut 200 Meter eine Erholungsfläche. Das ist erstaunlich viel für eine großräumige Straßenverbindung mit umliegenden Wohnbauten. Mit der Grünfläche "Am Bäkequell" haben wir begonnen, bis zum Kreisel liegen zunächst die namenlosen Grünflächen vor der ehemaligen Volksbank und vor der Matthäuskirche am Weg.

Grünfläche Wrangelstraße Ecke Schloßstraße
Von der Schloßstraße zurückgebaut steht hinter einer Grünfläche ein ehemaliges Bankgebäude der Volksbank, das vor Jahren durch einen Bankeinbruch Schlagzeilen gemacht hat. Ein einfallsreicher Bankraub ist immer eine Sensation in der Großstadt, wenn keine Menschen dabei zu Schaden gekommen sind, auch nicht seelisch. Gentlemen-Bankräuber wie die Gebrüder Sass wurden in den 1920er Jahren bewundert, sie gruben unbemerkt von außerhalb des Gebäudes einen Tunnel in den Tresorraum einer Bank und raubten dort in Seelenruhe Geld und Schließfachinhalte und bedachten auch die Armen mit ihrem neuen Reichtum.

Vor zwölf Jahren gab es einen ähnlichen Coup an der Wrangelstraße Ecke Schloßstraße. Aus einer benachbarten Tiefgarage wurde ein Tunnel in den Tresorraum der Bank gebohrt. Die Täter erbeuteten aus den Schließfächern Wertsachen und Geld im Millionenwert, sie wurden nie gefasst. Schaut man das Bankgebäude heute an, dann könnte man sich fragen: Haben die Bankräuber nicht nur die Schließfächer ausgeräumt, sondern auch noch die Firmenschilder der Volksbank geklaut? An der Front des Gebäudes ist der Bankname nur noch als Schattenriss erkennbar.


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Offensichtlich hat die Bank die Freude an dem Haus verloren, die alte Filiale entspreche nicht mehr "modernen Sicherheits- und Arbeitsstandards". Stattdessen will sie einen Siebengeschosser als Neubau errichten. Allerdings braucht das - man ist im "allgemeinen Wohngebiet" - einen "vorhabenbezogenen Bebauungsplan", und das kann dauern. Wahrscheinlich wird dann die Grünfläche Wrangelstraße Ecke Schloßstraße in die Bebauung einbezogen (bei unseren sieben Grünflächen haben wir sie schon nicht mitgezählt).

Grünfläche unterhalb der Matthäuskirche
Auf einer namenlosen Grünfläche direkt an der Schloßstraße - zwischen Kreisel und Matthäuskirche - sind zwei Mahnmale mit innerem Bezug zueinander aufgestellt worden. Den "Verfolgten von 1933 bis 1945" ist "Der Gefesselte" gewidmet, die Bronzefigur eines schmalen Mannes mit gefesselten Händen, eingeweiht 1960.

Fünf Jahre später folgte als Mahnmal gegen den Mauerbau das Bildhauerwerk aus Stein "Leid an der Mauer". Es zeigt einen Mann, der hilflos an der Mauer hängt, die er nicht überwinden konnte. Ein weiteres Exemplar dieses Mahnmal ist zeitgleich im Einzugsbereich der damaligen Bonner Regierungszentrale im Stadtpark von Bad Godesberg aufgestellt worden.


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Charkiv-Park
Wo die Grunewaldstraße von der Schloßstraße abzweigt, erstreckt sich vor der Schwartzschen Villa ein Park, der der ukrainischen Partnerstadt Charkiv gewidmet ist. Der Bezirk will mit der Benennung Solidarität und Anteilnahme zeigen mit der Stadt, die im russischen Angriffskrieg immer wieder schweren Überfällen ausgesetzt ist. Ein kleiner Park im Herzen von Steglitz, der sich zum Mahnmal entwickelt hat.

"Viktoria-Park", Rondell Ahornstraße
Auf dem Weg zur Ahornstraße kommen wir durch eine Passage, die an der Zimmermannstraße beginnt und nur in der Denkmaldatenbank den Namen "Viktoria-Park" trägt. Ein durchgehend gepflasterter Weg mit üppigen grünen Vorgärten und einzelnen Bäumen führt durch die Häuserblocks hindurch. Die Passage führt auf die Ahornstraße, die sich in ihrem Verlauf mittendrin zu einem Rondell öffnet.


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Franz-Amrehn-Platz
Der Ausbau der Schildhornstraße zum Schnellstraßenzubringer hat tiefe Einschnitte hinterlassen. An der Ecke Schloßstraße war von dem dreieckigen Schildhornplatz ein namenloser Restplatz übriggeblieben, der nach dem Straßenausbau nach dem ehemaligen CDU-Politiker Franz Amrehn benannt wurde. Es ist kein urbaner Ort, sondern eine Verkehrsfläche am U-Bahnausgang ("Verkehrsknoten Steglitz") und den ampelgeregelten Straßenübergängen.

Bierpinsel
Über der Schildhornstraße schaut der Bierpinsel aus 46 Meter Höhe auf die hier kreuzende Stadtautobahn herunter. Der aus der Form eines Baumes entwickelte Bau ist ein Gesamtkunstwerk der 1970er Jahre in Sichtbeton und anfangs mit knalligen Farben. Vierzig Jahre später wurde nach einem Eigentümerwechsel am Bierpinsel ein Farbexperiment gewagt, das heute nicht mehr sichtbar ist. Jetzt greifen schwarze Formen auf der Fassade um sich, dunkel hängt der Bierpinsel wie ein Ballon über den geschäftigen Menschen auf der Schloßstraße.


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Harry-Bresslau-Park
An der Schloßstraße wurde das Karstadt-Kaufhaus durch das Einkaufszentrum Boulevard ersetzt. Vor der Neubebauung hat die TU Berlin mit Spezialbohrern Bodenschichten entnommen, um Aufschluss über unsere Klimageschichte zu erhalten. Dabei wurden Eiskeile gefunden, die sich in der letzten Eiszeit gebildet hatten. Wiederholtes Gefrieren und Auftauen der oberen Bodenschichten während der Eiszeit führten zu Rissen, die sich mit Wasser füllten, gefroren, wieder auftauten. So entstanden Frostkeile, größere keilförmige Risse, in denen sich die "Eiskeile“ bildeten und die bis in mehrere Meter Tiefe reichten. Wenn zum Schluss das Eis taute, rutsche Sand in die Spalten.

Der Harry-Bresslau-Park wird von der Treitschkestraße flankiert. Dem Namensgeber Treitschke wird antisemitische Haltung vorgeworfen, deshalb hat man im Bezirk seit Jahren über eine Umbenennung diskutiert. Der angrenzende Park ohne offiziellen Namen erhielt 2008 den Namen des jüdischen Historikers Bresslau, dem Antipoden Treitschkes in einem "Antisemitismusstreit" von 1879.

Die Parkanlage mit altem Baumbestand ist neugestaltet worden, ein Pocket-Park entstand, ein "kleiner Freiraum im städtischen Kontext". Dabei hat man die alten Trampelpfade zu offiziellen Wegen gemacht. Das ist eine Erfahrung von Landschaftsplanern: Bürger folgen eckigen Wegeführungen nur bis zu einem gewissen Maße. Wenn es ihnen zuviel wird, kürzen sie einfach ab. So bilden sich Trampelpfade, die auch vor Grünflächen nicht Halt machen. Also ist es klüger, von vornherein organische Wegführungen vorzusehen, die auch von den Menschen angenommen werden.


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Onkel-Emil-Park
Die Grünfläche hinter dem Forum Steglitz hat vor drei Jahren den Namen "Onkel-Emil-Park" bekommen. Während der Nazizeit hatte sich eine Widerstandsgruppe um mehrere Intellektuelle zusammengefunden, um Juden und anderen Verfolgten zu helfen. Die Gruppe wurde nicht entdeckt, sie machte ihre Tätigkeit erst nach Kriegsende publik. Mit "Onkel Emil" warnten sie sich in Gefahrensituationen.

Jugendstil
Unerwartet stoßen wir in der Markelstraße auf ein Ensemble von Jugendstilbauten, nachdem wir schon in der Schildhornstraße 89 und in der Ahornstraße nahe dem Rondell zwei Jugendstilbauten ausgemacht hatten. Beim letzten Spaziergang in der Stadt hatten wir uns mit Jugendstilbauten in Berlin beschäftigt, hier finden wir zwar keine Jugendstil-Straße, aber immerhin mehrere Bauten als Ensemble.


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Das Ensemble umfasst heute die vier Häuser Markelstraße 59 - 61, nach mehreren glattgeputzten oder erneuerten Bauten folgt an der Straße ein weiteres Haus Nr. 53. Man kann vermuten, dass es hier ursprünglich eine durchgehende Folge von Jugendstilbauten gab. Bis auf ein Gebäude sind alle Jugendstilbauten von dem Architekten F.P. Siebert erbaut worden. Dreimal trat er zugleich als Bauherr auf, er selbst wohnte in der Cranachstraße in Friedenau. Die anderen zwei Bauten gehörten dem Kaufmann Rudolf Walter Metz.

An der Markelstraße 8 finden wir einen weiteren Jugendstilbau, den Metz von einem Zimmermannsmeister erbauen ließ. Metz war ein Sohn des Inhabers der Samenhandlung Metz & Co., die an der Schloßstraße ihren Sitz hatte und in ihrem Betrieb hundert Mitarbeiter beschäftigte.


Beim abschließenden Cafébesuch sitzen wir bei zwischen Büchern einer Handelskette. Auch wenn der Bereich einfach gestaltet ist, verbreiten doch Bücher ringsrum ein besonderes Flair, auch der Kaffee schmeckt.
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(*) Hier finden Sie weitere Quellen zur Schloßstraße:
Flanieren auf der Schloßstraße
nächtliche menschenleere Schloßstraße

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... ACHTUNG, es folgen ZWEI Bildergalerien ...
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... Jugendstil-Bauten ...
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Unsere Route:
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Landvillen wie in der Toskana
Das geistige Leben pulsierte nicht besonders stark