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Reichsforschungssiedlung


Stadtteil: Spandau
Bereich: Haselhorst
Stadtplanaufruf: Berlin, Burscheider Weg
Datum: 13. Juni 2007

"Haselhorster Landbrot" steht an dem blinden Schaufenster, aber Waren sind dahinter nicht mehr aufgereiht. Noch 1996 berichtete die Berliner Zeitung, dass die Bäckerei für ihr Landbrot eine Silbermedaille der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft gewonnen hat. Keine Backmischungen, keine Zusatzstoffe, den Sauerteig selbst ansetzten. Damit versuchte der Geschäftsführer den Betrieb mit 130 Angestellten gegen die Billigkonkurrenz zu positionieren. Das scheint langfristig misslungen zu sein, auch im Telefonbuch gibt es nur eine Haselhorster Apotheke, aber kein Landbrot mehr. Aber die Apotheke hat auch kein Mittel gegen den Verdrängungswettbewerb des "Geiz ist geil"-Zeitalters. Das Backsteingebäude mit dem Bäckerladen (und wahrscheinlich der Brotfabrik im hinteren Gelände) steht an der Gartenfelder Straße in Spandau. Nach Norden angrenzend gab es bis 1939 bereits eine Großbäckerei, die aber dann dem Neubau eines Telegrafenwerks von Siemens & Halske weichen musste.

Neben der Bäckerei steht ein alter Industriebau, der seine Vergangenheit nicht preisgibt. Ob dies einmal die Königliche Konservenfabrik (Armee-Konservenfabrik) war ? Vielleicht wurde hier die Erbswurst produziert, die der Koch Johann Heinrich Grünberg 1867 erfunden hatte. Es ist ein Gemisch aus Erbsenmehl, Speck und Gewürzen, das er mit einer Wurstspritze in Papierhüllen presste. Für 35.000 Taler ging das Patent an den Preußischen Staat, der mit 1.700 Arbeitern in seiner Konservenfabrik täglich 65.000 kg Erbswurst produzierte. Diese Konserve war eine ideale, schnell zuzubereitende Marschverpflegung. Damit wurde die Truppenversorgung während des Krieges gegen die Franzosen 1870/71 gesichert. Die Soldaten löffelten Unmengen dieser Suppe aus großen Feldküchen. Der Erbswurst-Erfinder Grüneberg wurde 1872 mit militärischen Ehren zu Grabe getragen, welchem Koch wird schon eine solche Ehre zuteil ? 1889 entwickelte Knorr das Produkt für den zivilen Einsatz weiter, die Hausfrauen konnten für 15 Pfennig 125 g Erbswurst kaufen. Der Siegeszug der deutschen Erbswurst begann, selbst in Afrika und am Himalaja ist die Erbswurst zu Hause.

Um die Ecke, wo die Nonnendammallee in die Straße Am Juliusturm übergeht, ist das BMW-Motorradwerk, vor dem stolz mehrere BMW-Maschinen (aber auch ein Fremdprodukt) geparkt sind. Im Hintergrund am Zitadellenweg 2 steht eine Investitionsruine aus der Goldgräberepoche nach der Wende. Das "Spandauer Tor" sollte ein neues Wahrzeichen werden, um seine Räume würden sich die nach Berlin eilenden Firmen und Verbände reißen. Beiderseits der Straße am Juliusturm sollten riesige Gebäudekomplexe entstehen. Der Stararchitekt Claude Vasconi wurde verpflichtet, der in Berlin bereits die Borsig-Maschinenhallen in ein Einkaufscenter umgebaut hatte (Hallen am Borsigturm). Aber dann berichtete der Tagesspiegel am 14.1.2004 von der erfolglosen Zwangsversteigerung, "Keiner will das Spandauer Tor haben". Und so steht es heute noch leer, ein ambitionierter Glaspalast mit bestimmt schönem Ausblick, von einem Pförtner bewacht.

Unser eigentliches Ziel ist die Reichsforschungssiedlung in Haselhorst an der Gartenfelder Straße. Dieser befremdliche Name hat sich bis heute erhalten für ein Projekt, das die Reichsforschungsgesellschaft für Wirtschaftlichkeit im Bau- und Wohnungswesen 1928 ausgeschrieben hatte. Ziel war es, preiswert Wohnraum mit möglichst hoher (Lebens-)Qualität zu schaffen. Den Wettbewerb gewannen Walter Gropius und Stefan Fischer, gebaut wurden 3.500 Wohnungen nach einem modifizierten Entwurf von Mebes und Emmerich. Die Gewobag als Eigentümer der Siedlung modernisiert seit Jahren in Abstimmung mit der Denkmalpflege, legt Kleinwohnungen zusammen, verkauft Eigentumswohnungen. Die Grundrisse der Wohnungen sind offensichtlich dadurch geprägt, möglichst viel Wohnraum und möglichst wenige Gänge oder Flure zu schaffen. Dadurch entstehen gefangene Räume, man muss z.B. durch das Wohnzimmer hindurch gehen, um in die Küche oder in das Bad zu gelangen. In seinen Lichterfelder Villen im Tudorstil hat Lilienthal (der Bruder des Flugpioniers) bewusst einen solchen zentralen Raum als Kommunikationsschnittstelle geplant. Wie sich das in der Praxis bewährt, müssen die Bewohner entscheiden.

Unser Rundgang klingt bei einem Italiener am Tegeler Weg neben dem Landgericht aus. Um draußen zu sitzen, nehmen wir auch etwas mehr Verkehr vor unseren Tellern in Kauf.

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Im September 2015 haben wir uns die Reichsforschungssiedlung noch einmal genauer angesehen: Lebensraum Küche


Was sind Wröhmänner ?
Die Heerstraße an der Havel