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Pepita in Hakenfelde


Stadtteil: Spandau
Bereich: Hakenfelde
Stadtplanaufruf: Berlin, Wichernstraße
Datum: 25. Juni 2012

Alte und junge Narren pilgerten in den 1850er Jahren zum Schloss Hakenfelde. Dort wohnte die spanische Tänzerin Josefa de la Oliva, man nannte sie Pepita (Pepita de la Oliva = Olivenkern). Adolph von Menzel malte sie, sie trat am Deutschen Theater auf und in München, Paris, Prag, Wien. Das Stoffmuster Pepita wurde nach ihr benannt, es besteht aus schwarz-weißen Karos mit diagonalen Verbindungen. Bereits mit 24 Jahren soll sie 1854 ihre Memoiren ("Bekenntnisse und Geständnisse aus dem Leben eine Tänzerin" in 3 Bänden) geschrieben haben, die Urheberschaft ist aber fraglich. Wahrscheinlicher ist, dass ihr Name verwendet wurde, um erotische Texte unters Volk zu bringen.

Das Schlösschen Hakenfelde lag am nördlichen Ende der Streitstraße, Hausnummer 43. Am gleichen Platz stand vorher die Meierei von Johann Haake, nach dem der Ortsteil benannt ist. Nördlich davon liegt die Waldsiedlung Hakenfelde. Ab 1913 wurden hier Einfamilienhäuser für die Beschäftigten der Spandauer Rüstungsfabriken gebaut. Das von drei Straßen eingerahmte Siedlungsgebiet ist ab 1931 erweitert worden. So wie die Siedlung für Rüstungsmitarbeiter in Staaken (--> 1) wurde auch die Waldsiedlung Hakenfelde als Gartenstadt angelegt.

Am östlichen Rand der Waldsiedlung wurde 1978 ein Gefängnis für den offenen Vollzug gegründet. Der nur mit einem Zaun umgebene Bereich mit unvergitterten Gebäuden im aufgelockerten Grün wirkt fast wie eine Ergänzung der Gartenstadt. Hier haben Egon Krenz und Günter Schabowski gebüßt. Und der Boxer Rocky (Graciano Rocchigiani) soll Zeit gehabt haben, hier über die Folgen von Sachbeschädigung und Körperverletzung nachzudenken.

Am 2. Oktober 1967 fuhr zum letzten Mal eine Straßenbahn in West-Berlin, ihr Ziel war Hakenfelde, am Johannesstift drehte sie die letzte Schleife. Heute schließen Busse das Evangelische Johannesstift an den öffentlichen Nahverkehr an, und die Havelländische Eisenbahn ("mobil seit 1892") hat hier einen Bahnhof. "Wichern" ist hier überall, es gibt eine Kirche dieses Namens an der Straße dieses Namens, und das Johannesstift selbst würdigt vielfach Johann Hinrich Wichern, der diese diakonische Institution 1858 gegründet hat. Am ersten Standort musste das Stift dem Westhafen weichen (--> 2). Die Wichernkirche, ein Fachwerkbau, wird sogar als "wandernde Kirche" bezeichnet, sie stand vorher erst in Westend und dann in Siemensstadt.

Das Johannesstift leistet Altenhilfe, Jugendhilfe, Behindertenhilfe, bildet aus, unterrichtet und betreibt ein eigenes Krankenhaus. Sechzig Häuser aus unterschiedlichen Bauphasen stehen auf dem Gelände, das anderthalb mal so groß ist wie das Berliner Messegelände.

Der Sozialreformer Wichern bündelte die evangelischen Hilfsinitiativen des 19.Jahrhunderts in der Inneren Mission (heute Diakonie) und schuf Modellprojekte für soziale Hilfen und Bildung (Rauhes Haus Hamburg und Ev.Johannesstift Berlin). Es fällt der Diakonie aber immer noch schwer, seine Tätigkeit als Gefängnisdirektor, als Berater des preußischen Königs und als Staatsdiener bei der Neuorganisation des preußischen Strafvollzugs angemessen darzustellen. Wichern hatte das "Preußische Mustergefängnis Moabit" nach englischen und amerikanischen Vorbildern eingerichtet. Strenge Isolation, Einzelhaft, Sprechverbote und ständige Überwachung durch Wärter führten dazu, dass man schließlich eine Irrenanstalt innerhalb der Gefängnismauern baute, weil viele Gefangene wegen der unmenschlichen Behandlung "im Dreieck sprangen" (--> 3). Diese Seite der Medaille wurde auch im Wichernjahr 2008 von der Diakonie nicht erwähnt, sie lobte Wicherns Einsatz für Einzelhaft und Wärterausbildung und nannte ihn einen "engagierten Verfechter einer Gefängnisreform". Wichern selbst begründete seinen Ansatz damit, "Reue und Buße der Gefangenen zu erwecken" und "Erkenntnis der Eigentümlichkeit der einzelnen Gefangenen zu erlangen", außerdem würde damit den "Wünschen und Anliegen nach Isolierung entgegen gekommen".

Gleich drei Exklaven hatte Hakenfelde: Eiskeller, Fichtewiese und Erlengrund. Diese nur über Brandenburger Gebiet erreichbaren Teile West-Berlins konnten zu DDR-Zeiten zunächst nur nach Grenzkontrollen betreten werden, Zugang hatten nur registrierte Bewohner. Erst ein Gebietsaustausch mit der DDR schloss die Gebiete direkt an West-Berlin an.



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(1) Gartenstadt Staaken: Granaten und Kleinstadtidyll
(2) Westhafen: Berlin am Wasser
(3) Zellengefängnis: Im Dreieck springen


Freiheit für die Auswanderer
Spandauer Festungsbauwut