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Brieftauben mit feurigen Augen und stolzer Haltung


Stadtteil: Spandau
Bereich: Neustadt
Stadtplanaufruf: Berlin, Altstädter Ring
Datum: 20. November 2017
Bericht Nr.: 607

Der Altstädter Ring in Prag ist gesäumt von einer ganzen Reihe historischer Gebäude. Er ist tausend Jahre alt und einer der schönsten Plätze Europas. Wenn sich eine andere Stadt mit einer Straßenbenennung an dieses Vorbild anlehnt, dann muss sie schon etwas zu bieten haben. Wer mit dieser Erwartung nach Spandau kommt, wird schwer enttäuscht. Dort ist der Altstädter Ring eine Umgehungsstraße um die Altstadt, angelegt 1962. Historische Bezüge sind nicht vorhanden, die Straße wurde auf dem abgetragenen ehemaligen Festungsring gebaut, denn immerhin bis 1903 war Spandau eine Festungsstadt.

Der Altstädter Ring stellt die Verbindung vom Bahnhof und Rathaus Spandau zum Falkenseer Platz her. Auch dieser Platz wurde erst in den 1960er Jahren angelegt. Hier wirft ein Fischer seine Netze aus, die Skulptur hat die Berliner Bildhauerin Ursula Hanke-Förster geschaffen. Eine eigene Randbebauung hat der Altstädter Ring nicht, das Amtsgericht wurde bereits 1954 errichtet, bevor die Straße entstand. Die angrenzenden Gebäude wie die Kaserne Moritzstraße, die Lily-Braun-Schule und das Rathaus sind an anderen Straßen verortet. Westlich des Altstädter Rings beginnt die Neustadt, die unser heutiges Flanierziel ist.

Alte Militärbauten: Kaserne, Lazarett
Als alte Festungsstadt hat Spandau viele Militärbauten. Trotzdem wurde in den 1950er Jahren - also nach dem Zweiten Weltkrieg - ein baufällig gewordenes Militärgebäude neu aufgebaut, um es dann durch eine Bank nutzen zu lassen. Diese Merkwürdigkeit geschah in der Moritzstraße, dort hatte 1784 das Regiment des Prinzen Heinrich ein Lazarett errichtet. In der Nachkriegszeit war hier noch das Heimatmuseum eingezogen, dann hatte man das baufällige ehemalige Lazarett abgerissen und "eine weitgehende Kopie errichtet". Es ist ein schmucker Bau am Rande der Altstadt direkt am Mühlengraben, ein verputztes Gebäude mit pastellartigem Farbton. Angesichts des bei Militär-Zweckbauten vorherrschenden Ziegelmauerwerks fragt man sich, wie "weitgehend" diese Kopie dem Original entspricht.

Zwischen Flankenschanze und Hohenzollernring liegt ein ehemaliges Militärgelände mit der Beseler-Kaserne und einem Lazarett. Bauherr war der Reichs-Militärfiskus, das Schatzamt des Militärs. Im ersten Weltkrieg erbaut und vor dem Zweiten Weltkrieg umgebaut, war die Anlage danach teilweise vom Spandauer Sozialamt und von Gewerbebetrieben genutzt worden. Der Bund als Eigentümer zeigte aber wenig Interesse an seinem Besitz, das Gelände verfiel. In dem Baudenkmal ist inzwischen der Wohnpark Flankenschanze entstanden. Die Bewohner leben hier idyllisch und bekommen auch noch Steuervorteile, weil sie mit dem Wohnen ein Denkmal schützen.

Schulen
Schule am Grüngürtel
Fünf Schulen sehen wir heute auf unserem Weg durch die Spandauer Neustadt. Der Bau der Hilfsschule am Askanierring Ecke Falkenhagener Straße sticht mit seinem expressionistischen Dreifachportal aus der Vielzahl vergleichbarer Bauten hervor. Vielleicht ist das als kleine (architektonische) Wiedergutmachung für die benachteiligten Schüler gedacht. Aus den beiden Seitenstraßen kommen die Seitenflügel auf der Ecke an einem "turmartigen Teilpolygon" zusammen, einem halben Turm, der mit drei von sechs Ecken hervorsteht.


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Heute gibt es keine Hilfsschulen oder Sonderschulen mehr, an ihre Stelle sind Lehranstalten mit sperrigen Bezeichnungen getreten. Anstelle der Hilfsschule ist hier ein "Inklusiver Campus" entstanden mit einer "Schule mit dem sonderpädagogischen Förderbedarf Lernen“ und einer "Inklusiven Grundschule".

Lily-Braun-Gymnasium
Die Spandauer Benediktinerinnen - nach denen das Klosterviertel benannt ist - hatten eine Erziehungsanstalt für adlige Kinder eingerichtet, eine Mädchenschule befand sich direkt im Kloster. Nach der Reformation setzte eine "Jungfernschule" diese Bildungsarbeit fort. Deren letztes 1916 eingeweihtes Schulgebäude steht an der Münsinger Straße. Es ist das heutige Lily-Braun-Gymnasium, das seit 1952 nicht nur Mädchen vorbehalten ist, so lange ließ die Koedukation auf sich warten. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Raed Saleh hätte sonst nicht vor 20 Jahren sein Abitur an dieser Schule ablegen können. Benannt ist die Schule nach der Frauenrechtlerin Lily Braun ("Memoiren einer Sozialistin").

Freiherr-vom-Stein-Gymnasium
Auf dem Gelände der abgebrochenen Festungsanlage entstand 1906 an der Galenstraße eine Realschule, die Freiherr-vom-Stein-Oberschule. Mehrfach wurden Anbauten und Erweiterungen vorgenommen, so dass ein Backsteingebäude mit mehreren Flügeln entstand. Räume für Fachunterricht und eine Turnhalle wurden geschaffen, andere Schulen bezogen Räume in dem Gebäude. Auf dem Weg über Oberrealschule und Realgymnasium entstand schließlich das heutige Gymnasium, das sich dem "sozialen Lernen und Miteinander“ verpflichtet fühlt.

Wolfgang-Borchert-Schule, Birken-Grundschule
Die Wolfgang-Borchert-Schule in der Blumenstraße und (natürlich) am Borchertweg ist vernarrt in Abkürzungen. Unterrichtet wird unter anderem in einem MEB (modularen Erweiterungsbau), man kann BBR und MSA erwerben, nämlich Berufsbildungsreife und Mittleren Schulabschluss. Erwähnenswert findet die Schule noch "zwei Sonderpädagoginnen, zwei Sekretärinnen und zwei Hausmeister". Die Birkenschule - eine Grundschule - war früher in einem Fachwerksbau an der Mittelstraße 14 Ecke Hügelschanze untergebracht. Jetzt unterrichtet sie in einen repräsentativen Eckbau Hügelschanze Ecke Fehrbelliner Straße.

Kirchen
Das Eckgrundstück von Galenstraße und Flankenschanze wurde 1908 zum Bauplatz der katholischen Kirche “St. Maria, Hilfe der Christen“. Der zehneckige Zentralbau, 33 Meter hoch, enthält einen Umgang für Prozessionen, denn zu jener Zeit waren den Berliner Katholiken Prozessionen außerhalb von Kirchen verboten. Auch die katholische Kirche St. Maria Magdalena in Niederschönhausen enthält einen Prozessionsweg innerhalb des Gotteshauses. Wegen der Ecklage konnte die Spandauer Kirche nicht wie üblich nach Osten orientiert werden. Als Baustoff wurde märkischer Klinker verwendet.

Die Kirche St. Maria wurde als freistehender Bau errichtet. Dagegen ist die Katholisch-Apostolische Kirche in der Ackerstraße in die Straßenfront integriert und enthält nur einen rechteckigen Innenraum. Entstanden ist das Gotteshaus zehn Jahre vor der Kirche St. Maria. Der Bau an der Ackerstraße wurde ebenfalls aus Klinkern errichtet, die Front zur Straße erhielt einen Stufengiebel. Zwei hohe Spitzbogenfenster und die Eingangstür mit Spitzbogen beherrschen die Ansicht.


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Brieftauben-Denkmal
Die Heeresbrieftaube "Cher Ami" der US-Army rettete im Ersten Weltkrieg einer Einheit mit fast 200 amerikanischen Soldaten das Leben, die in Verdun eingekesselt worden war. Trotz eines Brustschusses überbrachte die Taube der amerikanischen Kommandozentrale den in einer Kapsel am Fußgelenk gespeicherten Hilferuf, dann starb sie an ihren Verletzungen. Für ihre Verdienste wurde sie mit dem französischen Croix de Guerre ausgezeichnet und im Washingtoner National Museum of American History ausgestellt.

Brieftauben sind zähe Vögel. Sie können bei extremen Wetterbedingungen fliegen und lassen sich durch Kugelhagel nicht irritieren. Auch Giftgas macht ihnen nichts aus, solange sie in der Luft sind. Diese Vorteile hatten auch die Deutschen erkannt und setzten im Ersten Weltkrieg mehr als 120.000 Brieftauben für militärische Zwecke ein. Die ideale Kriegsbrieftaube musste "im Besitz starker Muskeln, feuriger Augen, weißer Augenränder und stolzer Haltung sowie breiter und kräftiger Schwingen und eines glänzendes Federkleides sein", so lautete das preußische Anforderungsprofil.

Auch private Züchter mussten ihre Vögel dem Militär überlassen. In Köln gab es eine "Lehr-, Zucht- und Versuchsanstalt für Heeresbrieftauben", deren Sitz 1900 nach Berlin Spandau verlegt wurde. In der Versuchsanstalt wurde auch der weltweit einzige fahrbare Taubenschlag entwickelt, in dem die massenhaft an die Front transportieren Heeresbrieftauben untergebracht werden konnten.

Zwölf Tage vor Beginn des Zweiten Weltkriegs erhielten die Heeres-Brieftauben einen Gedenkstein im Spandauer Wröhmännerpark. 25 Brieftauben aus Bronze flatterten auf einem Granitfindling, die Jahreszahlen "1914-1918" in der Inschrift machten den Stein zum "Kriegerdenkmal". Nicht lange, dann wurden selbst die Brieftauben aus Bronze für Kriegszwecke gebraucht, als kriegswichtiges Material wurden sie nach drei Jahren eingeschmolzen. Weitere 20 Jahre später erhielt der nackte Stein einen neuen Platz an der Flankenschanze, die Jahreszahlen wurden getilgt und zehn neue Brieftauben gegossen.


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German Security Unit
Im Jahr 2011 übernahm die Kameradschaft der "German Security Unit" die Patenschaft für das Denkmal. Das Wirken dieser ehemaligen deutschen Wachpolizei bei den Besatzungsmächten ist wohl weitgehend unbekannt geblieben, obwohl sie im Nachkriegsdeutschland einen militärischen Status und militärische Ränge hatte. Die 248. Einheit aus deutschen Zivilbeschäftigten wurde als größte Kompanie in das 2. Regiment der britischen Militärpolizei in Berlin integriert. Ausgangspunkt soll gewesen sein, dass Winston Churchill einen Krieg gegen Stalin bald nach Ende des Zweiten Weltkriegs befürchtete und hierfür militärisch organisierte ehemalige Wehrmachtsangehörige vorhalten wollte.

Mit "Mut und Wachsamkeit“ (so ihr Wahlspruch) nahm die German Security Unit 1950 ihre Arbeit auf. In der Spandauer Kaserne "Smuts Barracks" erfolgte die Grundausbildung, die Angehörigen erhielten ein den britischen Streitkräften vergleichbares Rangsystem. Die britische Militärregierung hatte damit eine uniformierte und bewaffnete Wachmannschaft für die Sicherung und den Schutz der britischen Liegenschaften und Institutionen. Der deutsche leitende Offizier nannte sich "Chief Superintendent", später hieß der Führer der Einheit "Officer in Command“. Einem Major vergleichbar war der "Staff Superintendent".

Mit der Wiedervereinigung entfiel ihr Auftrag, die früheren Wachpolizisten organisierten sich nach Vereinsrecht in einer Kameradschaft. Neben der Traditionspflege engagiert sich der Verein in Spandau bei sozialen Projekten, unter anderem rechnet er dazu die genannten Patenschaft für das Brieftaubendenkmal.

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Dorf am See, auf Dauer geteilt
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