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Kürbisse zählen in Schöneberg


Stadtteil: Schöneberg
Bereich: Akazienkiez
Stadtplanaufruf: Berlin, Vorbergstraße
Datum: 13. Juni 2022
Bericht Nr.:776

Der Schöneberger Akazienkiez rund um Apostel-Paulus-Kirche und U-Bahnhof Eisenacher Straße wird vom Sender rbb als "Mischung aus urigem Charme Westberlins der 80er Jahre und den hippen Boutiquen der modernen Hauptstadt" beschrieben. Man kann dort beim Frühjahrs- und Spargelfest Spargel-Schälerinnen zusehen oder im Herbst 10.000 Kürbisse zählen beim Kürbisfest. Zu jeder Zeit soll man dort wohl gut shoppen und einkehren können, aber für uns steht Flanieren auf dem Programm, bevor wir uns bei Kaffee und Mohnkuchen ausruhen können.

Berg von Schöneberg, Vorberg
Wenn Schöneberg nach einem Berg benannt ist, dann bezeichnet die Vorbergstraße das vor dem Berg liegende Einzugsgebiet? Stimmt beides nicht. Der Ortsteil Schöneberg liegt auf dem Teltower Höhenzug, sein einziger Berg - der Mühlenberg - wurde für den U-Bahnbau abgetragen. Der Berg im Namen hat eine ganz andere Bedeutung: Die Siedler, die im Rahmen der Ostkolonisation ins Land kamen, brachten den Namen Sconenberch mit, der sich zu Schöneberg entwickelte. Und auch die Vorbergstraße ist nach keinem Berg benannt: Max Otto Vorberg war Pfarrer an der Apostel-Paulus-Kirche, die Straße führt auf die Kirche zu.

Brandwand ohne Funktion
Von den verheerenden Stadtbränden früherer Jahrhunderte haben die Stadtplaner gelernt. Ein Gebäude, das an ein anderes angebaut wird oder bis zu zweieinhalb Meter Abstand davon hat, muss mit einer abschließenden "Brandwand" dem Feuer mindestens anderthalb Stunden lang standhalten können. Natürlich darf eine Brandwand kein Fenster haben. Solche Öffnungen findet man seit der Nachkriegszeit, wenn das Nachbarhaus ausgebombt wurde und die Bewohner zusätzliches Licht in die Wohnung locken wollen - meist illegal.

Aber wozu hat ein Gebäude eine Brandschutzmauer zur Straße, wo gar keine Häuser angebaut werden können? An der Vorbergstr. 9b an dem Eckhaus zur Akazienstraße findet man eine Brandwand, auf der Fensterumrandungen imitiert werden, Zierrahmen um blinde Fenster herum. Das Haus ist 1898 gebaut worden, die Vorbergstraße wurde 1902 - vier Jahre später - angelegt, deswegen war es nicht mehr möglich, ein Nachbarhaus anzubauen. So hat das Haus eine Fassade zur Akazienstraße, aber nur eine Brandwand zur Vorbergstraße. Der Brandwandschmuck sollte dann wohl später die nackte Wand etwas verstecken.


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Himmlische Räume
Die Apostel-Paulus-Kirche im Akazienkiez wird wegen ihrer "himmlischen Räume" gelobt, ihre herausragende Akustik wird für Konzerte und Rundfunkgottesdienste genutzt. Das von Franz Schwechten erbaute Gotteshaus war im Dritten Reich die Wirkungsstätte eines Pfarrers der Bekennenden Kirche, der sich mit viel Mut der Gleichschaltung der evangelischen Kirche widersetzte.

Im Krieg wurde das Kirchengebäude durch Brandbomben beschädigt. Während der Bau selbst wiederhergestellt wurde, blieb der beim Straßenkampf beschossene westliche Chorflankenturm - einer von drei Türmen - bis heute verkürzt. Die Glasmalereien der Kirchenfenster haben weitgehender als an anderen Berliner Kirchen den Krieg überstanden. Als einmalig wird ein Chor aus zwölf gemalten singenden und musizierenden Engeln auf der Orgelempore beschrieben.

Pestalozzi-Fröbel-Haus
In der Karl-Schrader-Straße begeistern uns die "Kinderkönige" auf den Umfassungsmauern des Pestalozzi-Fröbel-Hauses. Sie sind vor gut zwanzig Jahren von einem Kunsterzieher zusammen mit seinen Schüler/innen geschaffen worden und werden immer noch bei Bedarf nachgestaltet. "Das Kind als König" nennt er seine Initiative, die die Kreativität der Studierenden herausfordern soll.


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Vor rund 140 Jahren gründete der "Berliner Verein für Volkserziehung" in der Karl-Schrader-Straße einen Kindergarten mit angeschlossenem Kindergärtnerinnen-Seminar. Später kamen eine Hauswirtschaftsschule und eine soziale Frauenschule hinzu. Es war eine Initiative der damaligen bürgerlichen Frauenbewegung, die damit die soziale, sozialpädagogische und hauswirtschaftliche Arbeit von Frauen fachlich qualifizierte. Heute ist das Pestalozzi-Fröbel-Haus eine öffentlich-rechtliche Stiftung, bildet Erzieher/innen aus, betreut Kinder und Jugendliche, unterhält Nachbarschaftszentren. Es ist diese Verbindung von Theorie und Praxis, die das besondere des Pestalozzi-Fröbel-Hauses ausmacht.

Haus des Berliner Krippenvereins
Zur gleichen Zeit entstand nebenan das Haus des Berliner Krippenvereins als Initiative gegen die hohe Kindersterblichkeit während der industriellen Revolution. Die Säuglingssterblichkeit lag bei über 20 Prozent. Kinder von Fabrikarbeiterinnen, die wegen ihrer Arbeit nicht stillen konnten, waren in besonderem Maße betroffen. Kuhmilch musste die Muttermilch ersetzen, zur gleichen Zeit übernahm die Krippe die Betreuung von Kleinkindern. Im Kaiserin-Auguste-Viktoria-Haus wurde unter anderem über Säuglingsernährung geforscht, einer der Leiter des Kinderkrankenhauses war gleichzeitig Vorsitzender des Berliner Krippenvereins. So arbeiteten staatliche Gesundheitsfürsorge und - durch bürgerliche Wohltätigkeit - private Initiativen gemeinsam an der Umsetzung einer Sozialreform.

Das Hügelschiff an der Vorbergstraße
Eine Kindertagesstätte mit angebauter Netzstation des Stromversorgers, ist die elektromagnetische Strahlung nicht für die Kinder gefährlich? An der Vorbergstraße Ecke Belziger Straße stehen Kita und Bewag-Station seit 40 Jahren nebeneinander. Bei vergleichbaren Neubauten werden heutzutage besorgte Eltern, die Elektrosmog fürchten, damit beruhigt, "wenn der Elektrosmog dieser Station schädlich wäre, dürfte sie nicht betrieben werden", die Trafostationen würde in ihrer Umgebung "nur Magnetfelder“ erzeugen. Das Bundesamt für Strahlenschutz nennt das "niederfrequenten Felder". Ob das den Eltern reicht?

Auf dem abgeräumten Grundstück an der Belziger Straße errichtete die Bewag in der Nachkriegszeit eine Kraftstation. Das Bezirksamt stellte Barackenbauten auf für Jugendeinrichtungen, die später teilweise abbrannten.

Um 1980 wurden Neubauten für Kindertagesstätte und Netzstation errichtet, wobei die Netzstation in die hinterste Ecke gerückt wurde. Von der Brandwand des Nachbargebäudes an der Vorbergstraße setzt sich die Kita als dreigeschossiger Terrassenbau abgestuft um die Ecke fort und öffnet sich dort zum Hof. Unverkennbar sind Elemente der Schiffsarchitektur, der Architekt selbst nennt seinen Bau ein "Hügelschiff".


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Kino Notausgang
Wie lockt man Filmbegeisterte in ein handtuchgroßes Kino? Das Kino Notausgang an der Vorbergstraße spielte ein Repertoire-Programm der Extraklasse, Filme von Ernst Lubitsch wurden dem Berliner Publikum teilweise zum ersten Mal gezeigt. Selbstbewusst und elegant saß Ernst Lubitsch jahrein, jahraus im Kinosessel, Zigarre rauchend, eine weitere Zigarre in der Hand, die Beine übergeschlagen, das Haar aus Zelluloid, ein Ebenbild des 1947 gestorbenen Regisseurs. Seit den 1920er Jahren führte der Berliner Lubitsch in Hollywood Regie in kultivierten und eleganten "Salonkomödien". Der besondere "Lubitsch-Touch" des Regisseurs wird beschrieben als "subtiles Gemisch aus anzüglichem Humor und schlauem visuellem Witz“ oder auch "traurigen Unterton während der heitersten Momente eines Films".

In dem Gebäude, das sich mit einer Rundung von der Hauptstraße in die Vorbergstraße herumzieht, war bereits 1914 ein Kino eingerichtet worden. Von 1971 bis 1994 war es als Programmkino erfolgreich, immer wieder lief dort der Lubitsch-Firm "Sein oder Nichtsein", eine "unvergleichliche Mischung aus Theatereitelkeit, Antifaschismus und Eifersucht". Gunter Rometsch war der Schrittmacher des Kinos, nach seinem Tod konnte es den Erfolg nicht fortsetzen, 1999 wurde es geschlossen. Der zigarrenrauchende Lubitsch überlebte, er sitzt heute in Mitte im Kino Babylon.
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Platz für Kinderwagen, Fahrrad und Rollator
Futtern wie bei Muttern gegen Vorkasse