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Gartenstadt ohne Sozialutopie


Stadtteil: Tempelhof
Bereich: Gartenstadt Neu-Tempelhof
Stadtplanaufruf: Berlin, Adolf-Scheidt-Platz
Datum: 15. Juni 2020
Bericht Nr.:701

Eine Einfamilienhaus- oder Mehrfamilienhaussiedlung mit Gärten wird gern als "Gartenstadt" bezeichnet. Dabei hatte der Engländer Ebenezer Howard, der die Idee der Gartenstadt um 1900 entwickelt hat, sich sehr viel mehr als Häuser mit Gärten darunter vorgestellt. Es war ein sozialreformerischer Ansatz, bei dem die Bodenspekulation durch genossenschaftliches Gemeinschaftseigentum unterbunden werden sollte. Er wollte Reichen- und Armenviertel verhindern, Stadt und Land miteinander verknüpfen, Wohnen und Arbeiten voneinander trennen, Verdichtung vermeiden. Die Gartenstadt sollte als komplett neue Stadt gegründet werden.

In seinem Modell werden die einzelnen Bereiche (Wohnen, Industrie, Landwirtschaft) in konzentrischen Ringen um eine Kernstadt mit öffentlichen Gebäuden angeordnet. Mehrere Parkringe liegen als grüne Gürtel zwischen den Bereichen. Als ganzjährig nutzbarer Marktplatz soll ein "Kristallpalast" dienen. Von der Kernstadt gehen Radialstraßen ab, die die Gartenstadt in "Tortenstücke" aufteilen. Eine solche Gartenstadt soll nicht mehr als 32.000 Einwohner umfassen, bei höherem Bedarf sollen weitere Städte gegründet werden.


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Nur einmal konnte Howard seine Idee annähernd verwirklichen. Seitdem wurden und werden Siedlungen und Vorstädte ohne Rücksicht auf soziale Ziele inflationär als Gartenstädte bezeichnet. Die Deutschen Gartenstadt-Gesellschaft, die Howards Idee umsetzen wollte, wandte sich 1904 von utopischen Zielen ab. Die Ideen von autonomen Gartenstädten und Gesellschaftsreformen wurden aufgegeben, dadurch konnte sich die Gartenstadt-Bewegung bürgerlichen Kreisen öffnen.

Gartenstadt Neu-Tempelhof
Das Stadtviertel Neu-Tempelhof ist erst nach mehreren Anläufen zur Gartenstadt geworden. Es war die Profitgier des Preußischen Militärfiskus, die den Preis für das zum Verkauf stehende Exerziergelände in die Höhe trieb und zunächst nur verdichteten Geschoßwohnungsbau erlaubt hätte. Adolf Scheidt, Staatssekretär im Wohlfahrtsministerium, rang dem Militärfiskus in der Weimarer Zeit ein Zugeständnis ab, das die Kleinhausbebauung für Kriegsheimkehrer möglich machte, aber baulich nur marginal umgesetzt wurde. Zu Recht trägt der zentrale Platz der Siedlung seinen Namen. Erst die Gemeinnützige Tempelhofer-Feld-Heimstätten GmbH als Terraingesellschaft konnte die Gartenstadt realisieren. Das ringförmige Straßennetz mit einem inneren Parkgürtel wurde von einem früheren Bebauungsentwurf übernommen, wobei die Straßen wegen der geringeren Bebauung schmaler angelegt werden konnten.

Kommt man vom Südosten nach Neu-Tempelhof, dann steht man vor fünfstöckigen Bauten nach dem Motiv einer mittelalterlichen Stadtmauer, durch deren Rundbogenöffnungen man in die innere Gartenstadt gelangt. Die Rundbögen setzen sich in den Fassaden der Zeilenbauten von Hoeppnerstraße und Gontermannstraße als Stilelemente fort. Dort öffnen sich in allen Etagen Loggien mit jeweils mehreren Rundbögen zur Straße. Die vier- bis fünfgeschossige Bebauung ist hier als Schutzwand vor dem Lärm des Flughafens und der S-Bahn ausgelegt.


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Dagegen formen an der Paradestraße niedrige Kopfbauten mit Rundbogenöffnungen einen kleinen Platz und öffnen den Zugang zum zentralen Bereich der Gartenstadt, dem Adolf-Scheidt-Platz. Nur vom nordöstlichen Eingang gegenüber dem Platz der Luftbrücke bis zum Bayernring sind städtische Mietwohnhäuser nach der Vorgabe des Militärfiskus realisiert worden.

Die innere Gartenstadt ist mit Einzel-, Doppel- und Reihenhäusern zweigeschossig bebaut. Ein Parkring in Form eines Hufeisens umfasst diese Siedlung vom Rumeyplan bis zum Wolfring. Damit wird ein städtebauliches Element der englischen Gartenstadt verwirklicht. Eine Grünanlage im Bundesring verbindet die Enden des Hufeisens. Der Parkring sollte ursprünglich in ein überörtliches Band vom Kreuzberg (Victoriapark) und die angrenzende Achenbachpromenade bis nach Britz eingebunden werden.

Mehrere Pfeilerputten stehen in der Siedlung verteilt. Sie sind an historische Vorbilder angelehnt, erfahren aber durch beigefügte Attribute wie Weintrauben oder Fische eine "expressionistisch-modernen Formumdeutung". Der zentrale Adolf-Scheidt-Platz ist durch einen Storchenbrunnen hervorgehoben. Auf der Spitze eines Pfeilers ist ein Storchenpaar aus Bronze weithin sichtbar, brütend im Nest sitzend und stehend wachsam die Umgebung beobachtend. Den Sockel des Pfeilers umgeben vier Kinderfigurengruppen aus Kalkstein.


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Eine bronzene Plastik mit mehreren fliegenden Störchen steht am Rande der Gontermannstraße, die zweite Storchenplastik in der Siedlung. Der Schwarm der Vögel mit ausgebreiteten Schwingen erinnert an das Brieftaubendenkmal von Georg Roch von 1927 in Spandau.

Der Bezirksstadtbaurat Fritz Bräuning hat die Gartensiedlung in den 1920er Jahren geschaffen. Seitdem sind Häuser jahrzehntelang von ihren Eigentümern baulich verändert worden. "In Unkenntnis der Zusammenhänge", wie die inzwischen aufgestellte Erhaltungsverordnung diese "Verschönerungen" entschuldigend begründet. Wie viele originale Farbtöne, Haustüren, Fenster, Dachgauben, Zäune mag es noch geben? Alle Gestaltungsmerkmale bilden eine Gesamtheit, die - soweit möglich - für die Zukunft erhalten werden soll.

Des Teufels General
Fünf Straßen im Fliegerviertel wurden in der Weimarer Zeit nach blutjungen Kampffliegern des Ersten Weltkriegs benannt, die im Luftkampf für das Vaterland starben. Weitere 16 Straßen erhielten in der Nazizeit in einer propagandistischen Aktion am "Tag der Deutschen Luftwaffe" die Namen von "Flughelden", die im Ersten Weltkrieg - mit Fliegerbrille und Pilotenkappe in der offenen Fokker sitzend - gegnerische Maschinen abschossen, bis sie selbst vom Himmel geholt wurden. Eine Straßenbenennung wurde 1957 nachgeschoben - die Udetzeile. Ernst Udet gehörte zur Fliegertruppe des Ersten Weltkriegs, überlebte die Kriegseinsätze, wurde als Kunstflieger populär. Er kollaborierte mit den Nazis, die er verachtete, wurde Generalluftzeugmeister, ohne der Partei beizutreten. Dem erfahrenen Flieger fehlte die Verwaltungs- und Leitungskompetenz, als Verantwortlicher für den Bau der Jagd- und Sturzkampfflieger musste er fatale Fehlentwicklungen vertreten, wurde zerrieben und angefeindet. Er erschoss sich 1941 in seiner Wohnung.

Carl Zuckmayer hat das Drama "Des Teufels General" nach dieser Figur geschaffen, ohne dokumentarische Richtigkeit anzustreben. 1955 wurde das Drama mit Curd Jürgens in der Hauptrolle verfilmt und führte zu einer kontroversen Diskussion. Es ist denkbar, dass die Straßenbenennung zwei Jahre später durch den Film ausgelöst wurde.

Wohnanlage Badener Ring
Nördlich der Gartenstadt errichtete der Bezirksstadtbaurat Fritz Bräuning zehn Jahre nach der Gartenstadt Anfang der 1930er Jahre eine fünfgeschossige Wohnanlage im Format des städtischen Geschoßwohnungsbaus. Das besondere war die U-förmige Öffnung nach Norden, wodurch die Wohnungen besser belüftet werden konnten. Am Blockrand im Süden erstrecken sich die Balkonachsen über die gesamte Gebäudehöhe, wodurch die Fassade rhythmisch gegliedert wird.

Gläserne Siedlung
Die Gläserne Siedlung aus den 1950er Jahren nördlich der Pauluskirche löst sich vom Konzept der Blockrandbebauung. Stattdessen werden sieben Wohnblöcke mit vier bis zehn Geschossen leicht zueinander versetzt in ein parkartiges Gelände gestellt und dabei ein breiter Grünzug freigelassen. Die Südseiten der Gebäude sind großzügig verglast. Entworfen hat diese Siedlung der Architekt Frei Otto, der durch seine visionären Leichtbauten bekannt geworden ist. Dazu gehört die zeltartige Dachkonstruktion beim Münchener Olympiagelände. In Berlin hat er zu einer Kirche in Schönow einen Kirchturm aus Stahlfachwerk entworfen, ein Skelett aus zwölf kubischen Elementen.


Für das Flaniermahl lenken wir unsere Schritte zur Kreuzbergstraße in die Osteria Uno. Was Corona alles möglich macht: Im Garten werden wir persönlich begrüßt und zum Tisch geleitet. Zum Abschluss gibt es einen Absacker aufs Haus, das ist neu. Man freut sich wohl, dass wieder Gäste kommen.

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Unsere Route:
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