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Die Müllkippe lebt


Stadtteil: Tempelhof
Bereich: Marienfelde
Stadtplanaufruf: Berlin, Diedersdorfer Weg
Datum: 6. Juni 2017
Bericht Nr: 589

Für das altehrwürdige Design ihrer U-Bahnstationen hat die BVG kein Gespür. Wenn nicht gerade Bahnhöfe als Denkmale geschützt sind, klopft sie munter historische Fliesen ab, pinselt einen Bahnhof in einer anderen Farbe oder bringt neue Muster auf die Säulen. Historie zählt bei ihrer "Modernisierung" nicht, nur die Baukosten. So ist es kein Wunder, dass Kunstwissenschaftler, Architekten und Denkmalschützer dafür kämpfen, das typische Gesicht der in der Nachkriegszeit geschaffenen Berliner U-Bahnhöfe zu erhalten. Insgesamt elf U-Bahnhöfe aus der Zeit nach 1960 sehen die Wissenschaftler gefährdet, ein einzigartiges Ensemble könnte so verloren gehen.

Der Berliner Stadtbaurat Rainer G. Rümmler hat von Mitte der 1960er Jahre bis Mitte der 1990er Jahre fast alle neuen U-Bahnstationen gestaltet. Er entwarf die Bahnhöfe als Einzelkunstwerke, bezog sich dabei auf den Stationsnamen, seine Geschichte oder das Umfeld. Rümmlers "weit schweifende Gestaltungs- und Ornamentierungsfreude" kann man beispielsweise auf der Fahrt von Rudow nach Spandau auf Berlins längster U-Bahnstrecke auf sich wirken lassen.

S-Bahnhof Buckower Chaussee
Nur einmal hat Rümmler auch für die S-Bahn gebaut, und dieser S-Bahnhof soll jetzt abgerissen werden, er ist einem schnellen Zubringer zum Flughafen Schönefeld im Weg. Damit verschwindet der moderne Torbogen, mit dem Rümmler den Bahnhofsausbau 1990 geschmückt hat. Die Haltstelle Buckower Chaussee an der Strecke nach Lichtenrade war schon vor dem Ersten Weltkrieg geplant, ist aber auch bis Ende des Zweiten Weltkriegs nicht verwirklicht worden.


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Erst die amerikanische Besatzungsmacht sorgte 1946 für einen Bahnhof, denn sie hatte in der Nachbarschaft einen Bau übernommen, um dort ihr Hauptversorgungslager einzurichten. Dieser Backsteinbau mit Verwaltungstrakt, drei Seitenflügeln und einer Produktionshalle mit Sheddach war ursprünglich als "Kraftwagenausbesserungswerk Lichtenrade" geplant, wurde dann aber von Rheinmetall-Borsig als Rüstungsfabrik genutzt, um ferngesteuerte Lenkbomben und Raketen für die deutsche Luftwaffe herzustellen. Hier an der Buckower Chaussee stoßen wir auch wieder auf den "Vierten Ring", eine für die "Welthauptstadt Germania" von Albert Speer geplante Ringstraße, von der nur in Lichterfelde ein paar Meter tatsächlich gebaut wurden.

Noch ist der S-Bahnhof auf Straßenniveau angesiedelt, wenig großstädtisch wird der Verkehr auf der Buckower Chaussee durch Bahnschranken zum Halten gebracht, wenn ein Zug kommt. Fast behelfsmäßig war ein Jahr nach Kriegsende hier der Haltepunkt eingerichtet worden. Die Schienen der Militäreisenbahn nach Jüterbog verliefen auf derselben Trasse, deshalb ist hier noch Platz für den Regionalverkehr nach Schönefeld. Allerdings müssen die S-Bahngleise verschoben werden und der straßengleiche Bahnhof an der Buckower Chaussee kommt unter die Erde mit einer neuen Straßenbrücke.

In Marienfelde steuern wir heute nach unserem Weg durch den Gutspark zwei künstliche Berge an, den 77 Meter hohen "Alpengipfel" im Freizeitpark Marienfelde und den gegenüber liegenden Schlehenberg mit 64 Metern.

Freizeitpark Marienfelde
Zwischen Königsgraben und Diedersdorfer Weg, nur einen Kilometer von der Stadtgrenze entfernt, ist der Freizeitpark Marienfelde auf einer ehemaligen Mülldeponie entstanden. Von 1950 bis 1981 hat die BSR hier Hausmüll abgeladen, in geringem Maße auch Bauschutt und Bodenaushub. Die Müllkippe Marienfelde wurde dadurch zu einem Pulverfass ("Gasfass" wäre näherliegend). Es bildete sich Methan, das farb- und geruchlose, brennbare Treibhausgas, das in großem Maße auch im Erdgas enthalten ist. Die benachbarte Schokoladenfabrik Stollwerck an der Motzener Straße konnte das Gas im Produktionsprozess gut gebrauchen, deshalb wurde die Deponie mit Gaskollektoren und Gassammelschächten und einer Pipeline zur Fabrik versehen, bevor man den Freizeitpark angelegt hat.

Mitte der 1990er Jahre wurden die Gaslieferungen beendet, die Gassammelschächte baute man zurück. Das weiterhin entstehende Deponiegas gelangte unkontrolliert an die Oberfläche, fünf Jahre später kam es zu einer Verpuffung. Vier Jahre lang arbeitete die BSR an einer Lösung, dann wurde der Park wieder eröffnet. Jetzt überwacht sie das Gas in der gesamten Deponie mit Vertikalbrunnen und fackelt es an einer Station mit mehreren Schornsteinen kontrolliert ab, sie nennt das "thermische Gasbehandlungsanlage".


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Nachdem der Park wieder eröffnet wurde, ist er zu einem Naturerlebnisgebiet geworden. Eine Naturschutzstation hat Erlebnispfade angelegt und kümmert sich um die Biotope, die dort entstanden sind. Inzwischen ist es eine Landschaftsidylle mit einer reichen Artenvielfalt von Amphibien, Reptilien, Vögeln, Schmetterlingen und seltenen Pflanzen. Bei unserem Spaziergang sind wir unvermutet einem Reh begegnet.

Güteraußenring

Am südlichen Rand des Freizeitparks ist ein Wanderweg auf dem ehemaligen "Güteraußenring" angelegt worden. Um die Stadt vom Güterverkehr entlasten, hatte man um 1900 begonnen, einen Eisenbahnring um die Stadt zu legen. 1938 wurde ein Teil dieses „Güteraußenrings“ im Süden Berlins gebaut, wobei die Trasse zwischen Berliner und Brandenburger Gebiet hin und her wechselte. Später baute die DDR den „Berliner Außenring“ als Umgehung West-Berlins, in den sie Trassen des unvollendeten Güteraußenrings mit einbezog, die auf ihrem Territorium lagen.

Die Abhörstation auf dem Schlehenberg
Durch eine Straße getrennt, entstand westlich der Mülldeponie ein Trümmerberg, der Schlehenberg. Wohin sollte der Schutt aus 50.000 kriegszerstörten Berliner Gebäuden? Soweit er nicht recycelt werden konnte, wurde er zu Bergen angehäuft, die man später begrünte. So entstand in Marienfelde der Schlehenberg.


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Und da die Nähe zur Besatzungszone der Sowjets das geradezu herausforderte, errichteten die Amerikaner dort eine Abhörstation, ähnlich wie auf dem Teufelsberg. Gut zehn km weiter östlich hatten sie dann später noch eine geheime Spionagestation in einem Tunnel zwischen Rudow und Altglienicke. Doch geheim bleibt Spionage nicht wirklich, schließlich hat auch der Gegner Geheimdienste und dann gibt es noch den Zufall, der manches aufdeckt.

In Marienfelde war es ein Unteroffizier der US-Luftwaffe, der für die Hauptverwaltung Aufklärung der Stasi spionierte. Er hatte sich ausgegrenzt gefühlt, weil er schwul war. Mit noch nicht zwanzig Jahren kam Jeffrey Carney für die Amerikaner in der Radaranlage Marienfelde zum Einsatz, und als er nach zwei Jahren in die USA zurückverlegt wurde, hatte niemand etwas bemerkt. Er setzte sich über Mexiko in die DDR ab, erhielt einen DDR-Ausweis als Jens Karney und wurde geehrt mit der "Medaille der Waffenbrüderschaft in Gold". Unauffällig arbeitete er in der DDR-Fernmeldeaufklärung, erst die Wende wurde ihm zum Verhängnis.

Der amerikanische Geheimdienst hatte sich die "Rosenholz-Datei" besorgt, in der Agenten der Stasi-Auslandsspionage mit Klarnamen verzeichnet sind. Es kam wie es kommen musste: Die Amerikaner fanden Jens Karney alias Jeffrey Carney in Friedrichshain, entführten ihn auf offener Straße - ein Rechtsbruch! - und brachten ihn in die USA, wo er zu 38 Jahren Haft verurteilt wurde. Nach vorzeitiger Haftentlassung lebt er jetzt in Ohio. Obwohl er nach der Wende einen bundesdeutschen Ausweis bekommen hatte, wollten die Deutschen ihn nicht wiederhaben. Dabei möchte er da leben, wo er sich am wohlsten fühlte: "Eigentlich war es doch schön in der DDR."

Das "Täubchen" an der Marienfelder Allee - so übersetzt sich der Name unseres italienischen Restaurants - erreichen wir gerade noch vor dem herannahenden Regenguss. Wir erfreuen uns bei unserem Flaniermahl an Vino Tipico und italienischen Speisen.

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... ACHTUNG, es folgen ZWEI Bildergalerien ...
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... und hier sind weitere Bilder ...
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Unsere Route:
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Der Schatz in den Schätzelbergen
Zwischen den Bahngleisen