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Zwei Siedlungen und ein Hünengrab


Stadtteil: Reinickendorf
Bereich: Steinbergpark
Stadtplanaufruf: Berlin, Grünlandweg
Datum: 19. Mai 2020
Bericht Nr.:698

Am östlichen Ende der Gorkistraße - bevor sie in die Straße Alt-Wittenau übergeht - liegen sich der Triftpark und der Steinbergpark gegenüber. Der Triftpark wurde auf einer früheren Viehweide (Trift) errichtet. Es ist ein schöner Park mit alten Bäumen, aber sonst ohne besondere Eigenschaften, im Internet wird er nur "eine weitere Parkanlage" genannt. Dagegen ist der Steinbergpark zwischen Gorkistraße und Waidmannsluster Damm ein früheres Waldgebiet, das in den 1920er Jahren durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen planmäßig zu einem Park umgestaltet wurde. Das war zur Zeit der Großen Depression, der Weltwirtschaftskrise. So wird verständlich, warum die Berliner einen Weg im Park "Suppenschlagweg" nannten: Die Arbeiter, die ihn anlegten, bekamen einen Schlag Suppe pro Tag.

Auf der höchsten Stelle des Steinbergparks findet man im Wald ein Megalithgrab aus weitgehend unbehauenen Steinblöcken. Dieser Dolmen ("Steintisch") aus aufrecht stehenden Tragsteinen und einem darauf ruhenden gewaltigen Deckstein "wird von der archäologischen Fachwelt nicht zur Kenntnis genommen" - er wurde nicht mehrere tausend Jahre vor Christus errichtet, sondern erst 1935 in dem 1933 fertiggestellten Steinbergpark.


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Es war eine "Kultstätte der nordischen Rasse, ein nationalsozialistisches Denkmal mit prähistorischem Flair". So wird es auch in der Jetztzeit wahrgenommen, an diesem Ort finden Treffen von heidnischen und völkischen Gruppen statt, die dort ihre Rituale zelebrieren. Auch "neuheidnische Hexen mit Kerzen und Kürbissen" wurden dort gesichtet.

Eine Wissenschaftlerin hat sich bemüht, das Geheimnis dieses einzigen Hünengrabs in Berlin zu ergründen. Ihre Recherche wurde durch das herrschende Informationschaos im Internetzeitalter erschwert, das auch mir bei der Abfassung der Berichte immer wieder zu schaffen macht. Einer schreibt falsche Inhalte vom Anderen ab, Vermutungen werden als Tatsachen verkündet, Hörensagen gilt als zuverlässige Quelle. So müssen einander widersprechende Behauptungen bis zum Ursprung zurückverfolgt oder wenigstens nach Plausibilität gewichtet werden. Zum Schluss helfen mir Hinweise sachkundiger Leser/innen, Unwahres und Unschärfen zu korrigieren.

Industriebahn Tegel–Friedrichsfelde
Nicht weit entfernt von dem Ritualort durchquert in einem Einschnitt die Trasse der ehemaligen Industriebahn Tegel–Friedrichsfelde den Park. Mehrfach sind wir in Pankow, Weißensee, Lichtenberg, Marzahn auf die Spuren dieser Bahnstrecke gestoßen, die für die Entwicklung von Industriegebieten und die Versorgung des Magerviehhofs in Lichtenberg bedeutsam war. Heute findet man nur noch Schienenreste oder - wie im Steinbergpark - einen Fuß- und Wanderweg auf der ehemaligen Bahnstrecke.


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Pfuhle und Graben
Drei kleine Wasserläufe überqueren wir auf unserem heutigen Rundgang: Den Packereigraben im Steinbergpark und den Kesselpfuhlgraben in der Siedlung Grünland. Beide Gräben enden seit Anlage des Nordgrabens in diesem künstlichen Wasserlauf, der von der Panke bis zum Tegeler See reicht. Ursprünglich verlief der Kesselpfuhlgraben weiter bis zur Ernststraße in Borsigwalde.

Der Nordgraben leitet als Vorfluter bei Hochwasser den Wasserstand der Panke teilweise ab. Durch Schneeschmelze oder Wolkenbrüche konnte die Panke gefährliches Hochwasser führen, das die Innenstadt überschwemmte. Zugleich war der Nordgraben eine Vorleistung für den nie gebauten Nordkanal. Wie der Teltowkanal im Süden Berlins sollte er im Berliner Nordosten als künstliche Wasserstraße eine Verbindung bis nach Köpenick schaffen, die gleichzeitig die Spree entlastet. Das Projekt wurde mehrfach angefasst, aber wegen der horrenden Kosten niemals realisiert.

Architekt Erwin Gutkind
Zwei Siedlungen liegen am Ende der Gorkistraße gegenüber, im Süden die Siedlung Grünland und nördlich die Siedlung Steinberg. Beide wurden von dem Architekten Erwin Gutkind entworfen, dessen Bauten für Reformarchitektur stehen: Fassaden ohne historisierenden Zierrat, mit traditionellen Baumaterialien wie Ziegeln und Putzflächen. Gutkind hat mit weiteren Elementen wie verglasten Wintergärten und Stahleinfassungen der Fenster an dem Gebäudekomplex Ollenhauerstraße / Kienhorststraße ausdrucksvolle Fronten geschaffen.

Erwin Gutkind gehörte in der Weimarer Zeit der staatlichen "Sozialisierungskommission über die Neuregelung des Wohnungswesens" an. Auf dem Messegelände verantwortete er die Ausstellung »Sonne, Licht und Luft für Alle«. Er emigrierte 1933 nach London. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs kam er als Wiederaufbauberater der Britischen Kontrollkommission nach Deutschland zurück. Gebaut hat er nicht mehr, er war publizistisch und als Hochschullehrer tätig.

Gutkind war verheiratet mit Margarete Gutkind geb. Jaffe. Sie arbeitete als Designerin im Bereich des Reformwohnungsbaus. Wie bei anderen Frauen, die in jener Zeit beispielsweise am Bauhaus schöpferisch tätig waren, blieb der "Traum der Zusammenarbeit" mit den kreativen Männern unerfüllt. Die Emanzipation war damals noch nicht so weit, die Gutkind-Ehe wurde 1929 geschieden. Auch heute sind Architekten-Ehen wie Hinrich und Inken Baller oder Ralf Schüler und Ursulina Schüler-Witte eher selten, vielleicht hat die Frauenemanzipation hier noch Nachholbedarf.

Siedlung Grünland, Siedlung Steinberg
In der Siedlung Grünland hat Gutkind einen einheitlichen Siedlungscharakter geschaffen: Mehrfamilienhäusern mit sichtbarem Backstein im Erdgeschoss und verputzter Fassade im Obergeschoss, als Bänder, die das ganze Haus umschließen. Die Hauseingänge sind mit einem Gebäudevorsprung (Risalit) hervorgehoben. Auf Dachhöhe enden die Risalite in einem geschlossenen Backsteinkorpus ohne Fenster.

Die Dachgeschosse selbst sind mit Terrassen zur Straßenseite ausgebaut. Ungewöhnlich sind die Fenster, die in die Terrassenbrüstungen eingelassen sind. Sie erlauben von außen den Einblick vom Terrassenboden bis zur Tischhöhe. Wer will das schon als Bewohner? Ihre Funktion erschließt sich nicht, ganz überwiegend sind diese Fenster mit Folien blickdicht verkleidet.


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In der Siedlung Steinberg sind nur einzelne Gutkind-Bauten verstreut anzutreffen. Die Einheitlichkeit der Grünland-Siedlung fehlt hier schon von der Zahl der Bauten her, aber auch von der Erscheinungsform dieser Häuser.

Rosentreterpromenade
Die Rosentreterpromenade in der Siedlung Steinberg leitet ihren Namen nicht von einem Frevel an Blumen ab, sondern von einer honorigen Familie aus der Gründungszeit von Wittenau, das damals noch Dalldorf hieß. Die Rosentreters waren seit 1711 Lehnschulzen von Dalldorf. Der Lehnschulze ist ein Gemeindeoberhaupt, das vom Gutsbesitzer einen großen Bauernhof als Lehen erhielt. Das Lehen und das Amt als Ortsvorsteher wurden gemeinsam vererbt, der Bauernhof blieb also in der Familie.

In einer späteren Generation heiratete ein Rosentreter die Witwe eines Witte, nach dessen Gutsbesitzer-Familie Wittenau benannt ist. Jetzt war er Lehnschulze und Gutbesitzer, "was den Wert seines Gesamtbesitzes noch steigerte", wie der Luisenstädtische Bildungsverein süffisant bemerkt. Das war im Kleinen wie bei den österreichischen Landgewinnen im Großen: "Kriege führen mögen andere, du, glückliches Österreich, heirate".
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