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Die Düne auf dem Schulhof


Stadtteil: Reinickendorf
Bereich: Kurt-Schumacher-Platz
Stadtplanaufruf: Berlin, Kapweg
Datum: 24. Oktober 2022
Bericht Nr.:789

Vom Kurt-Schumacher-Platz sind wir heute Richtung Norden unterwegs. Durch die Schließung des Flughafens Tegel ist dort ein "Transformationsraum" entstanden. Der Fluglärm ist passé, und im Bereich der ehemaligen Einflugschneise gibt es keine Höhenbeschränkung mehr für die Bauten. Die Stadt denkt über "einzelne Hochpunkte" mit 82 Metern nach, will also auch Hochhäuser zulassen.

Kurt-Schumacher-Platz
Noch ist der Kurt-Schumacher-Platz ein "Verkehrsknotenpunkt mit großem städtebaulichen Handlungsbedarf". Pro Stunde fahren 20.000 Fahrzeuge über die Kreuzung, südlich des Platzes am Kapweg auf dem Weg zur Stadtautobahn sind es sogar 40.000. Die Kreuzung kann den Verkehr kaum bewältigen. Bevor Abbieger die Kreuzung freigeben können, fahren oft Geradeausfahrer rücksichtslos hinein und erzeugen Streit, Stau und Umweltbelastung. Am Platz soll zukünftig auch eine Straßenbahn halten, vorher muss aber eine Lösung für den Straßenverkehr gefunden werden. Gedacht wird an eine Aufweitung des Platzes, die auch für Aufenthaltsqualität sorgen soll.

Aus der Zeit gefallen sind die vier "Wassertempel" von 1989, die an den vier Ecken der Kreuzung aufgestellt sind. Beton-Fertigteile umschließen die Wasserrohre, mit "Duschkabinen" hat der Volksmund einen passenden Spottnamen gefunden. Die Brunnen an den Eckpunkten und der Autoverkehr lassen den Platz in vier Teile zerfallen, ein verbindendes Element fehlt.


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Aus Beton ist auch das Denkmal für Kurt Schumacher auf einem Hochbeet südlich des Platzes, Ende der 1960er Jahre geschaffen. Mit seinen roten Stahlträgern sieht es eher aus wie ein Abzugsschacht des darunter liegenden U-Bahn-Tunnels. Erst wenn man nahe genug herangeht, entdeckt man das Bronzerelief Schumachers in einer Öffnung der Stahlträger. Es stammt von einem Vorgänger-Denkmal, einem Bildrelief, das 1953 aufgestellt worden war. Die neue Kurt-Schumacher-Gedenkstätte war als Blickfang und Orientierungspunkt gedacht, bei unserem Rundgang wirkt sie mehr wie ein Alkitreff. Es gibt auch Bilder von illegalen Müllablagerungen an dem Denkmal.

Kurt Schumacher war der erste Vorsitzende der Nachkriegs-SPD und Oppositionsführer bis 1952 in der Ära des Bundeskanzlers Adenauer. Erich Ollenhauer, Mitarbeiter und Stellvertreter Schumachers, wurde nach dessen Tod SPD-Parteivorsitzender und Oppositionsführer. 1955 bekam der Platz den Namen Schumachers, 1964 die Straße den Namen Ollenhauers. Beide Benennungen erfolgten wie üblich erst nach dem Tod der Politiker.


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Die Düne auf dem Schulhof
Südlich vom Kapweg liegt auf dem Gelände einer Gartenarbeitsschule ein als einmalig bezeichnetes innerstädtisches Naturdenkmal: Eine von der letzten Eiszeit vor etwa 10 000 Jahren hinterlassene Sanddüne. Dünenlandschaften sind wir schon öfter bei unseren Spaziergängen begegnet, sie sind am Stadtrand Berlins oder in Randgebieten zu finden. Das Besondere an dieser Düne ist, dass sie im innerstädtischen, urbanen Stadtgebiet liegt, verortet auf einem Schulhof, umgeben von einem Baumarkt, einer Tankstelle, Wohn- und Geschäftshäusern. Das ist deutschlandweit einmalig.

Die Düne ist nicht größer als ein halbes Fußballfeld. Der Hügel ist bewachsen mit einem Kiefernwäldchen, der typische Vegetation am Ende der letzten Eiszeit. Andere Vegetation, die sich dort angesiedelt hatte, wie Bodendecker, Sträucher und Laubbäume, wurde im Rahmen eines Schutzkonzeptes entfernt. Die Düne gehört zu den Ausläufern des Volksparks Rehberge. Zu erreichen ist sie nur über das Schulgelände, den Zugang verwaltet der Naturschutzbund NABU.


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BSR verkauft Sperrmüll
Was im Sperrmüll landet, hat manchmal ein zweites Leben verdient. Die Berliner Straßenreinigung hat das erkannt, sie betreibt in der Auguste-Viktoria-Allee ein Gebrauchtwarenkaufhaus, einen "Erlebnisort für Abfallvermeidung". Möbel, Kleidung, Elektrogeräte, Haushaltswaren, Spielzeug, Bücher und mehr kann man in der 2.000 Quadratmetern großen Halle günstig kaufen. Der Ansatz geht weit über Funde aus dem Sperrmüll hinaus.

Nur wenige der Hüte, Bücher oder Musikinstrumente sind aus dem Haushaltsabfall gefischt worden. Re-Use (Wiederverwendung) und Secondhand werden als umfassendes Thema behandelt. Man kann selbst Wiederverwertbares abgeben, von Unternehmen werden nachhaltigen Produkte in Pop-up-Stores angeboten, Repaircafés werden organisiert.


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Straßen-Sperrmüllaktionen
Die ersten Straßen-Sperrmüllaktionen Ende der 1970er Jahre haben wir als wahre Volksfeste in Erinnerung. Das Glück des Suchens, Entdeckens und Aneignens war verbunden mit dem Voyeurismus, womit sich der Nachbar - nun nichtmehr - umgab. Es war ein Spektakel von Fleddern, Finden, Feiern. Was die Einen an Möbeln und anderem bei ihnen Überflüssigem gerade auf die Straße herunter geschleppt hatten, wurde von den Nächsten einkassiert. Mancher Sperrmüll landete in demselben Haus, vor dem er abgelegt wurde, nur in einer anderen Etage, einem anderen Aufgang oder in einer anderen Wohnung auf demselben Podest.

Was Sperrmüll ist, war eine zutiefst subjektive Anschauung. Und jeder dachte, was auf die Straße gestellt wird, ist Allgemeingut, bis es von einem Müllwagen abgeholt wird. Falsch, sagten die Gerichte, die Müllabfuhr ist Eigentümer der abgestellten Gegenstände, ihr hat man das Eigentum übertragen. Wenn sich jemand die Gegenstände aneignet, ist es Diebstahl. Das gilt jedenfalls, wenn man eine "persönliche Beziehung" zu dem Müll hat, wie beispielsweise bei einem selbstgemalten Bild. Juristisch fein differenziert, aber nicht jeder wird das verstehen.

Noch ein kurzer Blick auf die Historie. In Frankreich heißt der Mülleimer "Poubelle". Benannt nach dem Pariser Präfekten Eugène Poubelle, der 1884 die Hauseigentümer verpflichtete, Mülltonnen für ihre Mieter aufzustellen. Sogar drei Eimer, um den Müll zu trennen: Lumpen und Papier, Kompostierbares, feste Stoffe (Glas, Porzellan, Austernschalen). Eine Müllabfuhr holte die Abfallbehälter ab. Vorbei war die Zeit, als die Bürger ihren Unrat einfach auf die Straße warfen.

In Berlin wurde 1895 die Mülltonne "erfunden". Vielleicht weil es Zeit war, vielleicht hatte auch jemand nach Paris geschaut. In unserer Stadt endete damit ebenfalls die Unart, den Müll aus dem Fenster zu werfen, durch Polizeiverordnung war die staatliche Abfallentsorgung eingeführt worden.

Friedhof St. Hedwig III an der Humboldtstraße
Östlich der Ollenhauerstraße liegt zwischen Humboldtstraße und Gotthardstraße ein Cluster von fünf Friedhöfen. Von der Humboldtstraße aus sind drei Begräbnisstätten erschlossen, darunter der St. Hedwig-Friedhof, der zur katholischen Domgemeinde gehört.

Die Domgemeinde hatte nacheinander mehrere Friedhöfe angelegt. Vom Gelände an der Chausseestraße - einer Schenkung Friedrichs des Großen - hatte sie sich zurückgezogen, um es zu bebauen. Und ist zum neuen Domfriedhof in der Liesenstraße gezogen. Dann folgte die Randwanderung der Friedhöfe vor die Tore der sich ausdehnenden Stadt: Der Domfriedhof II an der Müllerstraße Höhe Liverpooler Straße. Dann zum Friedhof St. Hedwig III an der Humboldtstraße und schließlich St. Hedwig IV in Hohenschönhausen.

Auf dem ersten Domfriedhof in der Chausseestraße, der wegen der bevorstehenden Bebauung aufgegeben worden war, blieb ein Grab erhalten und musste umbaut werden. Mehrere andere Gräber wurden zur Liesenstraße umgebettet. Dem Friedhofsführer Willi Wohlberedt verdanken wir die Information über den Verbleib der restlichen aufgelösten Gräber, als der Friedhof 1902 abgeräumt wurde: "Die gesammelten Überreste vom ehemaligen katholischen Friedhof Chausseestraße ruhen nahe beim Eingang des St. Hedwigs-Friedhof Humboldtstraße": Ein Sammelgrab für die letzten Knochen.

Friedhöfe der Dankes-Gemeinde und Nazareth-Gemeinde
Zu den beiden südlichen Friedhöfe des Clusters Ollenhauerstraße kommen wir über die Kögelstraße. Die 1885 angelegten Begräbnisplätze der Dankes-Gemeinde und der Nazareth-Gemeinde gehen ineinander über. Von den Erbbegräbnissen blieb nur ein Mausoleum erhalten, auch bei den Grabstellen gibt es viele Lücken. Trotzdem sind die Friedhöfe sehr gepflegt, das ist bei alten Friedhöfen nicht oft der Fall.

Käte Paulus
Auf eine ungewöhnliche Lebensgeschichte verweist der Grabstein von Käte Paulus: "Deutschlands erste Fallschirmspringerin und Ballonfahrerin, 1868 - 1935". Käte Paulus ist als erste Frau Deutschlands mit dem Fallschirm abgesprungen, sie war die erste Ballonfahrerin des Landes, hielt die Menschen mit akrobatischen Kunststücken in der Luft in Atem, erfand den zusammenlegbaren Fallschirm, war bei ihren Luftshows ihre eigene Managerin und gleichzeitig Hauptdarstellerin, produzierte in eigener Werkstatt Ballonhüllen und Fallschirme. Welch ein pralles Leben, aber es hatte auch seine tragischen Momente.

Schon als Kind hatte sie versucht, das Seiltanzen auf einem selbst gespannten Seil zu erlernen. Der jungen Frau "wehte der Wind den Mann ihres Lebens in den Garten", als der Ballonfahrer Hermann Lattemann bei einem Absprung aus dem Ballon sein Ziel leicht verfehlte. Eine schöne Anekdote, aber jedenfalls brachte die Ballonfahrt beide zusammen. Drei Jahre unterstützte sie ihn bei der Reparatur und Pflege seiner Ausrüstung, dann durfte sie zum ersten Mal selbst den Ballon fahren.

Beide wurden ein Paar, ein Sohn wurde geboren. Sie entwickelten Stunts als Luftakrobaten, tourten durch viele Städte. Kätchens gewagteste Vorführung war der doppelter Absturz aus dem Ballon, bei dem sie vom Ballon absprang, einen ersten Fallschirm aufgehen ließ, sich kurz darauf von diesem löste und nach einem weiteren Moment freien Falls einen zweiten Fallschirm öffnete. Die Fallschirme hatte sie selbst genäht, sie hatte Näherin gelernt. Nach einem Jahr gemeinsamer Auftritte musste sie mit ansehen, wie sich bei einem der Sprünge ihres Partners der Fallschirm nicht öffnete. "In rasender Fahrt, die Hülle wie ein umgedrehter Regenschirm nachflatternd, stürzte er in die Tiefe". Das war wenige Tage vor ihrer geplanten Hochzeit. Wenig später starb auch der gemeinsame Sohn.

Sie brach zusammen, kam aber durch den Zuspruch ihrer Fans wieder auf die Beine und in die Luft, sprang in Berlin, Danzig, Düsseldorf, London, Paris, Wien, Amsterdam, Budapest aus dem Ballon. Unziemlich gekleidet mit weitem Oberteil, Pluderhosen, engen Lackgamaschen und Schnürstiefeln. Bei ihrer Akrobatik saß sie graziös in einer Mondsichel, winkte verwegen von einem Karussellpferd, balancierte stehend auf einem Blechadler oder strampelte auf einem Fahrrad.


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Und sie sorgte angesichts des tragischen Todes ihres Partners für bessere Fallschirmsicherheit, erfand den "Paketfallschirm", der patentiert wurde und bis heute Standard ist. Der Fallschirm wird mitsamt Fangleinen in einem Verpackungssack verstaut und während des Absprungs mittels einer Zugleine aus der Umhüllung gezogen.

Als Käte Paulus - international "Miss Polly“ genannt - sich 1912 von ihren aeronautischen Kunststücken zurückzog, konnte sie auf 516 Ballonaufstiege und 147 Fallschirmabsprünge zurückblicken. Ab 1915 unterstütze sie das Militär im Ersten Weltkrieg. In eigener Werkstatt produzierte sie rund 1.000 Ballonhüllen und fast 7.000 Fallschirme, schnitt dafür pro Woche etwa 20.000 Meter Stoff zu.

Nach dem Krieg waren Luftfahrtaktivitäten durch den Versailler Vertrag verboten. Käte Paulus lebte zurückgezogen in Berlin. Wie mögen die letzten 17 Jahre ohne Öffentlichkeit für sie gewesen sein? Sie starb mit 66 Jahren, aber sie war nicht ganz vergessen. Die berühmten Fliegerinnen Elly Beinhorn und Hanna Reitsch begleiteten sie auf ihrem letzten Weg.
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Unsere Route:
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