Bezirke
  Straßenverzeichnis     Personen     Themen     Aktuell     Forum  
Charlottenburg-Wilmersdorf
Friedrichshain-Kreuzberg
Lichtenberg
Marzahn-Hellersdorf
Mitte
Neukölln
Pankow
Reinickendorf
Spandau
Steglitz-Zehlendorf
Tempelhof-Schöneberg
Treptow-Köpenick
Allgemein:
Startseite
Ich bin NEU hier
Hinweise
Kontakt
Impressum
Datenschutz
Links
SUCHEN
Sitemap

Dem Pflanzen hingegeben und dem Träumen


Stadtteil: Reinickendorf
Bereich: Tegel
Stadtplanaufruf: Berlin, Scharfenberg
Datum: 10. September 2022
Bericht Nr.:784

An den Denkmaltagen sind in diesem Jahr zwei Inseln im Tegeler See auf dem Programm. Von der Schulinsel Scharfenberg handelt dieser Bericht, eine weitere Abhandlung über Valentinswerder wird folgen.

Die Bolle-Insel
"Als des Eilands Gast", schrieb der Botaniker Dr. Carl August Bolle, "lebt' ich dem Pflanzen hingegeben und dem Träumen". Er hatte 1867 die Insel Scharfenberg von der Familie Humboldt erworben und sich dorthin für seine Forschungen zurückgezogen. Seine Studienreisen zu den Kapverdischen und Kanarischen Inseln waren für ihn Geschichte.

Er lebte und arbeitete im für ihn errichteten "Bolle-Haus", das heute nicht mehr steht. Auf Scharfenberg legte er ein Arboretum an, eine Sammlung exotischer Gehölze, auch dendrologischer Garten genannt. 1200 Baum- und Straucharten soll er dort gepflanzt haben. Auch von seinen Pflanzungen ist kaum noch etwas vorhanden.


mit KLICK vergrößern

Beim Botanischen Verein Berlin Brandenburg sind mehrere seiner wissenschaftlichen Artikel nachlesbar, beispielsweise über den "Mohn, in der Mark verwildert gefunden", dessen "Blüthenpracht, die uns allsommerlich mit den süssesten Naturempfindungen erfüllt". Und er dachte an die "punschbegleiteten Mohnpilen (schlesische Mohnklöße) der kommenden Winterabende". Mohnsamen schien nach seiner Forschung "von jeher eine Lieblingskost slavischer Stämme gewesen zu sein".

Leider konnte Bolle anfangs nicht träumen auf seiner Insel, denn vom Tegeler Artillerieschießplatz schlugen fehlgeleitete Granaten auf Scharfenberg ein. In der Jungfernheide, vom späteren Flughafen Tegel in westlicher Richtung, dehnte sich ab 1828 der Schießplatz des preußischen Militärs aus. Von dort wurde Richtung Tegeler See von Kanonen Granaten abgeschossen. Bei Räumungsarbeiten zur Nachnutzung des Flughafens wurden gerade "tonnenweise" Artilleriegranaten aus der Zeit des Schießplatzes ausgegraben (rbb 1.7.2022).


mit KLICK vergrößern

Eine Dorfattrappe mit Kirchturm in den Dünen war das Ziel, doch als sich die Reichweite der Geschosse vergrößerte, flogen die Granaten weiter und schlugen auch auf Scharfenberg ein. Das Militär zeigte sich uneinsichtig, anstatt den Beschuss zu korrigieren, ließ man an Schießtagen Teile des Sees absperren. 16 Jahre lang musste Bolle die Schießübungen erdulden, sich an diesen Tagen von der Insel fernhalten, bis schließlich 1883 weitreichende Geschütze nicht mehr verwendet werden durften. Bolle jubelte, baute sich ein Haus, das er bis zu seinem Tod 1909 bewohnte.

Trichterförmige Gruben vom Granateneinschlag des Tegeler Schießplatzes kann man heute noch auf Scharfenberg sehen.

Überliefert wurde auch Bolles Spottgedicht über den Beschuss:
___Die Schiffsgeschosse in dem Gussstahlkleide,
___Blitzschwangere Bolzen, die vom Schiessplatz aus
___Durch Luft und Wasser kamen, mir zum Leide.


mit KLICK vergrößern

Schulinsel Scharfenberg
Auf der Nordspitze der Insel erhebt sich ein 12 Meter hoher Düne. Dieser Berg war für Segelschiffe der "scharffe Berg", eine Landmarke, vor der sie in dem engen Gewässer gegen den Wind kreuzen mussten. So kam die Insel zu ihrem Namen.

Von dem Bolle-Erben kaufte die Stadt Berlin die Insel für die städtischen Wasserwerke. 1921 kam der Studienrat Wilhelm Blume auf die Idee, im Sommer seine Schüler vom Weddinger Humboldt-Gymnasium auf der Insel zu unterrichten. Bereits ein Jahr später wurde aus der Sommerschule eine "Privatschule des Magistrats Berlin", der Versuchsschulausschuss hatte die Idee unterstützt.

An Baulichkeiten konnten für den Schulbetrieb zunächst nur die auf der Insel vorhandene Stallscheune, das Bollehaus und das Gärtnerhaus genutzt werden. Der Berliner Magistratsbaurat Richard Ermisch errichtete ab 1927 das Fährhaus und die anderen für den Unterricht notwendigen Schulbauten: Kunsthaus, Lehrerwohnhaus, Schulgebäude mit Turnhalle. In der Nachkriegszeit ergänzte die Architektin Nina Kessler das Zentralhaus, den Biopavillon und für den Internatsbetrieb sieben Schülerhäuser.

Als Besucher der Insel wird man von dem Fährhaus begrüßt, einem halbrunden Kopfbau, der mit seiner Schiffsarchitektur auf die Insellage reagiert. Dort und auch am Kunsthaus hat Ermisch in der Fassade Ziegelbereiche mit Putzflächen abgesetzt. Die Ziegel wurden als Bänder um die Fenster verwendet. Und sie sind in der Fläche in wechselnden Lagen zu sehen, jeweils einmal mit Schmalseite oder Breitseite (Binder und Läufer) in der Ansicht.


mit KLICK vergrößern

Die Insel lebt den Geist des Reformpädagogen Wilhelm Blume, der in der Weimarer Zeit und auch noch in der Nachkriegszeit die Schule entwickelt und geleitet hat. Blume hat Reformpädagogik vermittelt und gelebt, sein reformpädagogisches Projekt ist bis heute das einzige allgemeinbildende staatliche Internat Berlins.

Im Mittelalter
Nach einer Sage sollen im Mittelalter Hexen die Insel platt getanzt haben. Teufelsweiber, die es in der Walpurgisnacht oder zum Hexensabbat nicht mehr bis zum Brocken im Harz geschafft haben, wo sich die Hexen aus dem ganzen Land versammelten, rasteten auf Scharfenberg oder ließen ihre Reise dort enden. Sogar Goethe hat in seinem Faust-Drama auf solche Sagen reagiert und eine Szene in einer Walpurgisnacht spielen lassen:

___Da steigt ein Dampf, dort ziehen Schwaden,
___Hier leuchtet Glut aus Dunst und Flor
___Dann schleicht sie wie ein zarter Faden
___Dann bricht sie wie ein Quell hervor.

Und Mephistopheles fragt Faust: Verlangst du nicht nach einem Besenstiele?
--------------------------------------------------------------

--------------------------------------------------------------
Die Insel:
--------------------------------------------------------------

zum Vergrößern ANKLICKEN



Lass mich tun und ich verstehe
Landhäuser, Villen, Lauben, Zirkuswagen