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Alles sicher, Gentlemen


Stadtteil: Reinickendorf
Bereich: Tegel
Stadtplanaufruf: Berlin, Otisstraße
Datum: 8. Januar 2018
Bericht Nr.: 611

In der Siedlung Waldidyll in Tegel steht ein denkmalgeschütztes Holzhaus. 500 Meter davon entfernt beginnt die Holzhauser Straße, deren Name sich natürlich nicht auf das Holzhaus bezieht, sondern auf den Ort Holzhausen in der Prignitz. Das Holzhaus wurde 1911 errichtet. In Nikolassee, Frohnau und in Waidmannslust stehen weitere Holzhäuser aus jener Zeit, die erhalten geblieben sind.

Holzhäuser als Fertighäuser
Die Berliner Hausbaugesellschaft hat um 1910 Fertighäuser verkauft, die aus vorgefertigten Holzteilen zusammengesetzt wurden. Vorbilder waren Schwedenhäuser und Spreewaldhäuser. Die Wohnfläche wurde auf zwei Etagen verteilt, dadurch brauchte man eine geringere Grundfläche. Begonnen hatte es mit einem Landhaus in der Villenkolonie Rehbrücke bei Berlin. Die Monatshefte von Velhagen & Klasing listen 1910 darüber hinaus eine ganze Reihe von Landhäusern in und um Berlin auf - auch von der Wolgaster Holzhäuser-GmbH -, beispielsweise in Wannsee, Nikolassee, Grünau. Und ein Landhaus im Ortsteil Wendenschloss an der Spree, das in unserer Zeit Denkmalgeschichte geschrieben hat.

Das Haus besteht aus Kiefern- und Fichtenholz, die Teile sind vernagelt und nicht zimmermannsmäßig verzapft. Als ein Investor das Holzhaus abreißen wollte, rettete die Denkmalbehörde das versehentlich nicht inventarisierte Objekt. Es wurde "verschenkt", die Kosten des Ortswechsels trug eine Immobilienfirma. Auf ihrem Gelände in Albrechts Teerofen wurde das Haus originalgetreu wieder aufgebaut, was bei einem Fertighaus nicht allzu problematisch war, nur die Nägel waren verrostet. Die Immobilienfirma "sammelt" alte Holzhäuser, auf ihrem Gelände steht bereits ein Schwarzküchenhaus, ein schmaler Bau mit einer zentralen Feuerstelle.

Fahrstühle von Otis und Flohr
Mit einer Aufsehen erregenden Inszenierung hat der amerikanische Mechaniker Elisha Graves Otis 1854 auf der Weltausstellung im New Yorker Crystal Palace eine Erfindung präsentiert, durch die Hochhäuser und Wolkenkratzer überhaupt erst möglich geworden sind: den Fahrstuhl mit automatischer Fangsicherung. Er ließ Pfosten aufstellen und dazwischen eine offene Aufzugsplattform einhängen, die von einem Seil mit seinem Sicherheitssystem getragen wurde. Otis kletterte auf die Plattform und ließ sie hochziehen, dann befahl er, das Hubseil zu kappen.

Schreckensschreie, ein kurzer Ruck, die Plattform wackelte. Nur wenige Zentimeter war die Plattform abgesackt, bevor die automatische Fangvorrichtung sie stoppte. "All save, Gentlemen", rief Otis, "Alles sicher." Damit gewann er das Vertrauen in die Fahrstuhltechnik. Heute ist die Otis Elevator Company der weltweit größte Produzent für Aufzugsanlagen. Das Unternehmen ist nicht mehr selbstständig, sondern wurde von dem Konzern United Technologies geschluckt.


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In Deutschland gründete der Ingenieur Carl Flohr 1879 eine Fabrik für Aufzüge und Fahrtreppen in der Chausseestraße. 1910 erweiterte er die Produktion um Kräne an einem weiteren Standort in der heutigen Flohrstraße (benannt 1930). Lange nach seinem Tod übernahm der amerikanische Konkurrent Otis das Flohrsche Unternehmen und richtete seinen Sitz in der heutigen Otisstraße ein (benannt 1956). Eine Zeit lang wurden die Fahrstühle unter dem Namen Flohr-Otis vertrieben, später fiel der Name Flohr weg. In der Chausseestraße übernahm zu DDR-Zeiten der VEB Aufzugsbau die Produktion.

Lauchhammer AG
In dem Industrieviertel um Flohr und Otis errichteten 1922 die Architekten Klingenberg und Issel für die Lauchhammer AG eine Werkhalle und ein Büro- und Direktionsgebäude. Die Lauchhammer AG beschäftigte sich mit dem Braunkohleabbau in dem Lausitzer Bergbaugebiet, auf das sein Name hinweist. Später ging das Unternehmen in der "Mitteldeutschen Stahlwerke AG" von Friedrich Flick auf. Am Standort Otisstraße dürfte man sich mit Stahlverarbeitung beschäftigt haben, was angesichts der Aufzugs- und Kranproduktion nebenan naheliegend war. Die Architekten Klingenberg und Issel haben vor allem Kraftwerksbauten errichtet wie das Großkraftwerk in Rummelsburg, daher versteht sich ihre Nähe zu Auftraggebern aus dem Bereich Bergbau und Stahl.

Cité Guynemer
"Glücklich Wohnen" kann man demnächst in 95 Neubau-Mietwohnungen in der Cité Guynemer, so verkündet es ein Werbeplakat. Die Siedlung grenzt direkt an den Flughafen Tegel an. Glücklich ist, wer ohne Fluglärm lebt? Das wird wohl in Tegel noch eine Weile auf sich warten lassen.

Die Cité Guynemer ist in den 1950er Jahren für die französische Besatzungsmacht erbaut worden. Soldaten mussten untergebracht werden, dafür baute die Stadt im Auftrag der Franzosen fünf Militärsiedlungen im französischen Sektor, zu dem Reinickendorf und Wedding gehörten. Im “Quartier Napoléon” - der heutigen Julius-Leber-Kaserne neben dem Flughafen Tegel - hatten die Franzosen ihr Hauptquartier genommen. Die Siedlung "Cité Pasteur" entstand südlich des Flughafens angrenzend an das Hauptquartier, während nördlich des Flughafens die Cité Guynemer errichtet wurde. In dieser Cité gibt es Mehrfamilienhäuser, aber auch villenartige Einfamilienhäuser mit Gärten. Hier wohnte das Personal der französischen Luftwaffe, Mannschaften und Offiziere.

Als denkmalwürdig wurde in dieser Siedlung eine Garagenanlage eingestuft, die als Nachkriegsmoderne bemerkenswert ist. In einem geschwungenen Baukörper sind die Garagen angeordnet. Darüber schwebt ein vorkragendes Pultdach. Deckenleuchten mit Milchglasschalen beleuchten die zweiflügeligen Garagentore. Ein Architekt aus der Berliner Bauverwaltung hat diesen markanten Bau entworfen, der so viel Leichtigkeit ausstrahlt.


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Bis auf den Fluglärm - den manche Bewohner wohl überhaupt nicht mehr wahrnehmen - ist die Cité Guynemer eine Stadtidylle. Nur manchmal durchquert ein Autokonvoi die Straße zum Flughafen, der dort mit einem Schlagbaum gesichert ist. "Militärgelände" warnt ein Schild. Hier ist die Zufahrt zum Regierungsflughafen, jedenfalls noch so lange, bis er nach Schönefeld umzieht. Die Cité Guynemer sieht also unsere Bundeskanzlerin als letztes, wenn sie Berlin auf dem Luftweg verlässt und als erstes, wenn sie zurückkehrt.

Die Franzosenbahn
Auf unserem Rundgang sehen wir mehrfach Reste von Bahngleisen, die die Straßen und Wege überquerten. Das Industrieviertel um Flohr und Otis war durch Anschlussgleise mit dem Güterbahnhof Tegel verbunden. Als die französische Besatzungsmacht dort ihren Militärbahnhof "Gare Française Berlin-Tegel" einrichtete, verband sie ihr Hauptquartier und den Flughafen Tegel, indem sie die vom Güterbahnhof führenden Gleise verlängerte. Zeitgenossen erinnern sich an die "Franzosenzüge", mit denen Soldaten und Militärtransporte nach Straßburg abgewickelt wurden.

Gefängnis Seidelstraße
Die B.Z. meldete dieser Tage: "Tag der offenen Tür in der JVA Tegel. Wieder ist ein Knacki ausgebüxt". Ein verurteilter Mörder kam nicht rechtzeitig von seinem Ausgang zurück. Auch dem Gefängnis in Plötzensee waren vorher Gefangene abhanden gekommen. Dabei hatte ein Gefangener auf einer Kommentarseite des Tegeler Gefängnisses mit feiner Ironie eine positive Bewertung abgegeben: "Zwar waren die Bediensteten nicht so zuvorkommend, wie ich es mir erhofft habe, jedoch haben die verbleibenden Vorzüge dies problemlos ausgleichen können".


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Die Justizangestellten sind jedenfalls heute aufmerksam geworden, als draußen auf der Straße zwei Flaneure vorbeigehen und die Kameras auf das Gefängnis richten. Schnell steht ein Mann der Justiz hinter uns und fragt, "für wen" wir fotografieren. Wie immer, wenn wir von Fremden darauf angesprochen werden, erkläre ich auch ihm die Rechtslage, dass wir aufgrund der "Panoramafreiheit" Gebäude von der öffentlichen Straße aus fotografieren dürfen. Mein Mitflaneur setzt noch hinzu, dass wir nichts ausforschen, dann dürfen wir weitermachen, ohne hinein gebeten zu werden.

Das Königliche Strafgefängnis Tegel von 1898 ist eines der größten Gefängnisse Deutschlands. Errichtet wurde ein Baukomplex mit Verwaltungsgebäude, Kirche, Krankenhaus, Beamtenwohnhaus und Druckereigebäude. Eine Teilanstalt ist inzwischen abgerissen worden. Heute hat es 933 Plätze, auf denen 800 erwachsene Männer mit Freiheitsstrafen oder zur Sicherungsverwahrung einsitzen. Zur Strafverbüßung klopfte der Ex-Kommunarde und Politaktivist Dieter Kunzelmann 1999 medienwirksam an das Gefängnisportal: "Ich will hier rein". Andere bekannte Insassen waren Andreas Baader (RAF-Mitglied), die Theologen Dietrich Bonhoeffer und Bernhard Lichtenberg in der Nazizeit, Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky während der Weimarer Republik, Friedrich Wilhelm Voigt ("Hauptmann von Köpenick") in der Kaiserzeit.


Im früheren Industriequartier der Flohrschen Fahrstuhlfabrik in Mitte nehmen wir unser Flaniermahl in einem Lokal in den Scharnhorsthöfen ein, das Haus ist selbst ein Industriedenkmal. Das "Esszimmer" haben wir schon von einem früheren Besuch in guter Erinnerung. Raffinierte, regionale Küche, Chardonnay, Primitivo, uns geht‘s gut, als wir den Stadtspaziergang auf uns wirken lassen.

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Weitere Ziele im Umfeld finden Sie in folgenden Berichten:
> Was ist ein Historischer Ort
> Besteigung der Borsigwalder Alpen
> Russisch-orthodoxer Friedhof in Tegel bei Berlin

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Unsere Route:
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