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Schlossbaustelle unter Wasser


Stadtteil: Prenzlauer Berg
Bereich: Winsviertel
Stadtplanaufruf: Berlin, Winsstraße
Datum: 7. Januar 2013

Östlich des Kollwitzkiezes liegt das Winsviertel. Ein Stadtviertel, das ganz unauffällig einen trapezförmigen Stadtgrundriss zwischen Prenzlauer Allee und Greifswalder Straße ausfüllt, jenen beiden Ausfallstraßen, die vom Alexanderplatz kommend radial in das nördliche Umland führen. Gaststätten und Eisdielen, die Stühle und Tische auf den Bürgersteig stellen, Eltern, die ihre Kinderwagen schieben ("Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter"), Bäckerläden, die ihre Schrippen schwäbisch als Wecken anbieten, Galerien, Läden für Geschenke und Accessoires, Designer-Labels, Second-Hand-Läden breiten sich im Kollwitzkiez oder an der Kastanienallee und Pappelallee aus, das Winsviertel genügt sich damit, seine schmuckvollen Bauten aus der Gründerzeit herauszuputzen. Auch im Winsviertel werden aber planmäßig Wohnungen als Ferienquartiere an Touristen vermietet und damit die Wohnungsknappheit verstärkt. Konflikte zwischen Touristen und Bewohnern sind im Prenzelberg ein Thema, scherzhaft wurde sogar schon gefordert, das Auswärtige Amt solle eine Reisewarnung für den Prenzlauer Berg aussprechen.

Auf der heutigen Schönhauser Allee und den anderen beiden Radialstraßen konnte man schon im Mittelalter zu Pferde oder per Kutsche ins Brandenburgische und weiter Richtung Ostsee reisen. Die Reise ging durch Wald und Feld, das Gebiet war nicht besiedelt. Am südlichen Ende der Schönhauser wurden im 18.Jahrhundert Windmühlen errichtet ("Windmühlenberg"). Die Berliner Wohnsiedlung lag im Urstromtal, von Stadttoren umgeben, erst nach der Reichsgründung 1871 erklomm sie das höher liegende nördliche Ufer auf der Anhöhe des Barnim. Von hier aus rückte die Wohnbebauung immer weiter nach Norden vor. Die zunächst durch keine Bauvorschriften gehinderte Verdichtung der Grundstücke mit Kellerwohnungen und mehreren Höfen, Seitenflügeln und Quergebäuden wurde um 1900 begrenzt. Jetzt mussten auch großzügigere Abstände eingehalten werden, für die meist zwei Nachbargrundstücke einen Innenhof teilten.

Der Zweite Weltkrieg hat den Prenzlauer Berg weitgehend verschont, und so ist hier eine Art Museumsdorf der Gründerzeit erhalten geblieben. Als die Immanuelkirche 1893 eingeweiht wurde, stand sie auf freiem Feld. Errichtet wurde die Kirche unter dem Patronat der Königin Auguste Viktoria ("Kirchen-Juste", --> 1) auf einem Grundstück, das die Bötzow-Brauerei dafür zur Verfügung gestellt hatte. Der asymmetrische Kirchenbau an der Ecke zur Prenzlauer Allee zitiert den romanischen Architekturstil, der 68 Meter hohe Kirchturm steht in seinem Himmelsstreben einem gotischen Bau nicht nach, und so spricht das Denkmalhandbuch zurückhaltend nur von "Rundbogenstil".

Gleich nebenan zeigt ein Wohnhaus von 1910 mit Fabrikhof, dass auch Gewerbebauten im Innenhof mit mehr als den üblichen weißen Fliesen ausgestattet werden konnten. Hier schwingt ein Giebel über markant akzentuierten Rundbogenfenstern und Jugendstilelemente zieren die Portale und Fassadengliederungen.

Obwohl der Prenzlauer Berg ein innerstädtisches Wohnquartier ist, werden mehrere Neubauten mit dem Titel "Gärten" geschmückt, weil Gartenstadt sich so nett macht. An der Greifswalder Straße sind die "Schweizer Gärten" entstanden und die "Winsgärten". Die Schweizer Gärten sind nach dem Biergarten der Weißbierbrauerei Schneider benannt, der vollständig bebaut wurde. Reste des Brauereigebäudes sind auf dem Gelände erhalten, stehen aber leer. Ursprünglich sollte hier eine "gated community" entstehen, man wollte sich nach außen abschotten. Inzwischen sind die Eingangspforten unbesetzt, der Zugang zum Gelände steht allen offen. Die Winsgärten sind im Hinterhof eines zweistöckigen Wohnhauses an der Greifswalder Straße errichtet worden, eine Grünfläche macht den Innenhof zum "Hofgarten".

Durch das Winsviertel führte die "Friedensfahrt“, ein Radrennen, das seit 1948 im Ostblock zwischen Warschau und Prag ausgetragen wurde. Seit 1952 demonstrierte die DDR ihren Friedenswillen, die Fahrt führte jetzt bis Ost-Berlin. Nicht nur verbal wurde der Frieden bemüht, Picassos Weiße Taube wurde als Friedenstaube zum Emblem der Veranstaltung. Die Berliner Streckenführung knüpfte an das seit 1909 veranstaltete Eintages-Radrennen Berlin-Cottbus-Berlin an und führte über die Prenzlauer Allee, die Straße "Prenzlauer Berg" im Winsviertel und die Friedenstraße. Die Friedenstraße (Frieden ohne "s") trägt ihren Namen nicht wegen der Radrennfahrt, sondern erinnert an den Frieden von Frankfurt, mit dem 1871 der Deutsch-Französischen Krieg beendet wurde. Die Straße "Prenzlauer Berg" wird von Fahrradkurieren wegen ihrer starken Steigung gemieden, bei den Friedensfahrten feuerten hier Menschenmassen die Radrennfahrer an. Zweimal gewann Täve Schur die Friedensfahrt, das Politbüro zeigte sich volksnah und jubelte mit den Ost-Berlinern.

Die Winsstraße zieht sich in Nord-Süd-Richtung durch das Winsviertel. Sie ehrt einen Berliner Ratsherren, der während des "Berliner Unwillens" in Ungnade fiel und sein Vermögen verlor (das Vermögen allerdings später zurückbekam). Thomas Wins gehörte zu einer in Berlin reich gewordenen adligen Familie, die aus Winsen an der Luhe stammte, seine Mutter war eine geborene Blankenfelde. Ab 1426 leitete er in mehreren kurzen Perioden die Stadtregierung, die ab 1432 endlich durch den Zusammenschluss von Berlin und Cölln die Interessen der einheitlichen Stadtgemeinde vertrat. Die Berliner hatten gerade erst nach dem Aussterben der Askanier und einem Zwischenspiel der Wittelsbacher 1415 mit den Hohenzollern neue Landesherren bekommen, die wechselvollen Zeiten mit Verbündeten wie den Raubrittern Quitzow (--> 2) waren vorbei. Dafür ging der zweite Hohenzollern-Kurfürst Friedrich II. (--> 3) massiv gegen die Stadt vor, trennte den politischen Zusammenschluss Berlins und Cöllns nach 10 Jahren Gemeinsamkeit und zwang Cölln, ihm den Bauplatz für das Stadtschloss zu überlassen, da er von Brandenburg nach Berlin umziehen wollte. Die Berliner, nicht feige, öffneten die Wehre der Spree und setzten das begonnene Bauprojekt unter Wasser (--> 4).

Der Kampf der privilegierten Stadt Berlin, die der Hanse angehörte, gegen die obrigkeitliche Unterdrückung war allerdings nicht erfolgreich. Der Kurfürst - wegen seiner Durchsetzungsfähigkeit "Eisenzahn" genannt - taktierte äußerst geschickt, verhinderte die Solidarisierung anderer Städte mit Berlin, verzichtete auf militärische Gewalt und setzte auf Ausgleich statt auf Rache. Er beendete die Macht der Patrizier, schränkte die Rechte der Stadt ein (beispielsweise Gerichtsbarkeit). Berlin wurde Residenzstadt, büßte aber seine Autonomie ein. Im Stadtsiegel war von jetzt an der Berliner Bär in den Klauen des Brandenburger Adlers abgebildet.

Um auf Thomas Wins zurückzukommen, den Ratsherren zur Zeit des Berliner Unwillens: Er war "ein Mann von ganz bedeutendem Reichtum", als Eigentümer oder Lehnsherr verfügte er über Falkenberg, Blankenburg, Wartenberg und andere Besitzungen und Hebungen (Abgaben). Nach dem Berliner Unwillen stand er in Spandau vor Gericht, wurde zu einer Geldstrafe verurteilt und musste sämtliche Lehen und vom Kurfürsten eingeräumte Nutzungen zurückgeben. Bereits ein Jahr später hatte er die Vermögenswerte wieder.

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(1) "Kirchen-Juste": Kirchenbauverein, "Kirchenjuste"
(2) Über die Quitzows: Sind Frauen die besseren Fischer
(3) Kurfürst Friedrich II. war 1440 bis 1470 Kurfürst von Brandenburg, nicht zu verwechseln mit dem König Friedrich II, dem Alten Fritzen, der genau 300 Jahre später 1740 preußischer König wurde
(4) Berliner Unwillen: Wenn sich jetzt eine Bürgerinitiative gegen den Schlossneubau als "Berliner Unwillen" bezeichnet, kann das durchaus als dringende Mahnung an die Regierenden verstanden werden, die Dinge nicht zu überziehen.


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... ACHTUNG, es folgen ZWEI Bildergalerien ...
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Thälmann und Sternenhimmel
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